Leoben 1794

Am 6. Februar 1794 wurde Leoben vom für die Stadt schwersten Erdbeben heimgesucht.

Erdbeben in Leoben – Montag, den 6. Februar 1794, um 12:18 Uhr UTC, Leoben (Io = 7°)

Wie beim Erdbeben von 1768 in Wiener Neustadt, wo eine Kommission die Schäden dort aufnahm, wurde auch in Leoben vom Kreisamt eine „Augenscheins-Commission” unter Magistratsrat Max Gottsched eingesetzt.

Akten des historischen Archivs der Stadt Leoben am Museum, E7 Elementarereignisse. Hauptplatz Nr. 9/ CN 28/ alt 28 Comendanten Wohnung im Haklhaus, aus dem Schadenserhebungprotokoll. © Christa Hammerl sowie das Haklhaus heute © Teresa Hammerl

Linke Abb.: Akten des historischen Archivs der Stadt Leoben am Museum, E7 Elementarereignisse. Hauptplatz Nr. 9/ CN 28/ alt 28 Comendanten Wohnung im Haklhaus, aus dem Schadenserhebungprotokoll. © Christa Hammerl; rechte Abb. Haklhaus heute © Teresa Hammerl

 

Dokumentation der „Augenscheins-Commission”

Die Behörde bestimmte in einem Schreiben vom 11. Februar, dass der Kreisingenieur, Zimmerleute und Maurer „die durch das letzt gewesene Erdbeben geschehenen Gebäudebeschädigungen in Leoben zu Hindanhaltung weiterer Unglücksfälle durch Einstürzung der erschitterten Mauern und Rauchfänge” zu untersuchen haben. Zehn Tage war die offiziell eingesetzte Kommission in Leoben unterwegs, um die Schäden für 213 Gebäude, einschließlich derer in der Vorstadt Waasen, aufzunehmen. Nur zehn Gebäude wurden als unbeschädigt gemeldet. Der Bericht der „Augenscheins-Commission” stellte insgesamt einen Schaden von 33752 Gulden fest.

 

Größte Zerstörung gab es in der heutigen Krottendorfergasse 1 nahe dem Leobner Hauptplatz.

Der höchste Schaden wurde von der Kommission für das Haus mit der (damals gültigen) Konskriptionsnummer 75 (heute: Krottendorfergasse 1) aufgenommen. Decken brachen durch und ein Stiegenhaus wurde so beschädigt, dass es abgetragen werden musste: „Hier ist zu wissen, daß eine 10 Klaffter lange, 3 Klaffter 3 Schuh hohe Feuermauer des Bergmanischen Hauses sich durch die Erschitterung abgelößt, und das 10 Klaffter lange 3 Klaffter breite Dach samt Dachstuhl des Hauseigenthümers durch den Einsturz dergestalten beschädigt hat, daß obige in der Mosserey beschriebene Dach und Dachstuhl von Grund aus neu hergestellt werden muß. Daher dann auch 2 einfache, 1 dopelter Rauchfang abzutragen sind.

Akten des historischen Archivs der Stadt Leoben am Museum, E7 Elementarereignisse. Originaldokument des Berichtes der „Augenscheins-Commission” für das Leobner Haus mit der (damals gültigen) Konskriptionsnummer 75 (heute: Krottendorfergasse 1)

Linke Abb.: Akten des historischen Archivs der Stadt Leoben am Museum, E7 Elementarereignisse. Originaldokument des Berichtes der „Augenscheins-Commission” für das Leobner Haus mit der (damals gültigen) Konskriptionsnummer 75 (heute: Krottendorfergasse 1), das den höchsten durch das Erdbeben vom 6. Februar 1794 verursachten Schaden aufwies. © Christa Hammerl; rechte Abb.: Aktuelle Ansicht des Hauses in der Krottendorfergasse 1. © Teresa Hammerl

Diese Hauptbeschädigung erstreket sich ferner auf die hintere Stiegenhauptmauer, welche rückwerts im Hof bis zum Fundament samt denen Stiegengewölben beider Stockwerke abgetragen werden muß. In der Dachkammer rückwerts sind 2 Schliessen erforderlich. In dem gewölbten Vorsaal ersten Stocks gleichfalls 2 Schliessen. Durch den Einsturz obiger Feuermauer sind die 2 Zimmerböden gegen Bergman eingestürzt, und daher ganz neue Ziglböden samt Stokator erforderlich, auch kommt daselbst ein neuer Thörbogen zu spannen. Das vormalige […] Bedienten Zimmer fordert gleichfalls einen neuen Ziglboden samt Schliessen. Bey dem Stiegengewölbe des 1t Stocks sind 2 Schliessen erforderlich. Schließlich ist der verursachte Schaden an Fenstern, Öfen, Thüren, und Dach den Einsturz zu Grund gegangenen Hauseinrichtungen von nicht geringer Beträchtlichkeit. Der bloße Bauvoranschlag belauft sich auf 2150 fl. Weitere Gefahr des Einsturzes oder Feuergefährlichkeit keine, da der Hauseigenthümer die nothigen Unterpilzungen schon Lengst getrofen hat.”

 

Schadensbericht der Kommission über das heutige Wahrzeichen von Leoben

Die Mauern des „Mautthor-Stadtthurms” erlitten keine nennenswerten Schäden, nur dort, wo der Dachstuhl des damals spitz zulaufenden Turmes ansetzte, hatten sich vier Erker aus der Mauer gelöst und es bestand Gefahr, dass sie abstürzen würden. Aus diesem Grund wurde beschlossen, den Dachstuhl, der aber schon vor dem Beben in einem schlechten Bauzustand gewesen war, zu erneuern. Der spitze Turm wurde durch eine neue Haube ersetzt und die Bezeichnung „Schwammerlturm” für Leobens Wahrzeichen war schnell gefunden. Die Kommission hielt in ihrem Bericht Folgendes fest: „Dieser Thurm von untenauf bis zu der Wohnung des Thurmwärters hat ausser einigen alten Schriken, die noch keinen Umsturz androhen, kein sonderheitliches Gebrechen. Nur da wo der Dachstuhl anfängt, welch lezterer schon eine üble Bauart hat, müsten Vorkehrungen getroffen werden.

Alle 4 Ärker in der Höhe drohen den Herabsturz, besonders jener auf Seite des Buchbinders, diese Aerker haben sich alle 4 aus dem Fundament der Mauer losgerissen, fordern also unumgänglich die Abtragung, durch welche dieser ohnehin schon in dem untern Theil durch Schrik beschädigte Thurm eine grosse Erleichterung der oberschwängigen Höhe erhält. Doch forderte es auch noch Hinwegbrechung der Ärker, die Errichtung eines neuen Dachstuhls in dem sich die Gebrechen desselben, erst nach der Hinwegbrechung zeugen würden, da vieles Holzwerk am Dachstuhl bereits verwendet und verfault befunden werden wird. Diese Dachstuhl Herstellung fordert so, wie wann die Ärker repariert werden wolten, grosse Herstellungskosten.

Leoben mit dem ehemaligen „Mautthorturm“ vor dem Erdbeben 1794 zeigt der Kupferstich aus dem Jahre 1681 und das Dach des ehemaligen „Mauttorturm“ wurde nach dem schwersten Erdbeben der Stadt zum Schwammerlturm.

Linke Abb.: Leoben mit dem ehemaligen „Mautthorturm“ vor dem Erdbeben 1794 zeigt der Kupferstich aus dem Jahre 1681 © Georg Matthäus Vischer; rechte Abb.: Dach des ehemaligen „Mauttorturm“ wurde nach dem schwersten Erdbeben der Stadt zum Schwammerlturm umgebaut. © ZAMG Geophysik Hammerl

Doch ist diese Kommission mehr für die Errichtung eines neuen Dachstuhls, und die Hinwegbrechung der Aerker, als für die Reparazion der lezteren gestimmt, massen, es immer einerley Kosten resp. der Geristung auf ein oder andere Art erfordert. Die gegenwärtige Gefahr dieses der Stadt wegen Feuergefahrs=Übersicht nützlichsten Thurmes besteht hauptsächlich darin, daß die Aerker durch ihren Herabsturz theils gegen der Brücken Seit, theils auf das Buchbinder Dach den grössten Schaden veranlassen könnten, so wie auch der Rauchfang neben dem Ärker auf der Buchbinder Seite bereits eingestürzt ist, und sich auf dem Thurmdach theils noch angelehnt befindet, theils bereits herabgeschossen ist.”

 

Klassifizierung des Schadensbeben in Leoben

Innerhalb der ehemaligen Stadtmauer erlitten 8% der Leobner Häuser Schaden des Grades 1, 78% Schaden des Grades 2 und 4% Schaden des Grades 3 gemäß der EMS-98 Skala. Die Häuser in Leoben wurden der „Vulnerability Class” B nach der EMS-98 zugeordnet. Das bedeutet, dass die Intensität für die historischen Viertel mit 7° abzuschätzen ist. Dieses Ergebnis unterscheidet sich von der bisher in den Katalogen angenommenen Intensität 8° um einen Grad, deckt sich aber auch mit der Erfahrung, dass historische Beben in der Vergangenheit meist überschätzt wurden. Ein Ergebnis, das sich aus der Untersuchung der historischen Quellen ableitet, ist eine Karte, die die Verteilung der Schadensgrade zeigt. Diese Karte kann in weiterer Folge auch zum Vergleich für eine Mikrozonierung dienen, die z. B. für Bauingenieure von Interesse sein kann.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die Dokumentation der Auswirkungen von Erdbeben ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sprunghaft verbesserte. Durch das staatliche Interesse an den Naturkatastrophen liegen ein Fülle von Originalschriften vor, die – verglichen mit früheren Ereignissen – enorm zur Rekonstruktion der historischen Erdbeben beitragen. Die Resultate dieser Forschungen sind einerseits von geschichtswissenschaftlichem und sozialökonomischem Interesse, andererseits haben sie aber auch praktischen Einfluss, u. a. auf die heutige Stadtplanung und den Zivil- und Katastrophenschutz.

Publikationen
© ZAMG Geophysik Hammerl

Hier finden Sie die Publikationen über das Erdbeben in Leoben 1794.

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Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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