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31.03.2023

Kräftiges Erdbeben in Gloggnitz in Niederösterreich

Am Donnertag, den 30. März 2023, ereignete sich nachts um 22:26 Uhr MESZ ein kräftiges Erdbeben der Magnitude 4,2 im südlichen Wiener Becken in Niederösterreich, in einer der aktivsten Erdbebenzonen Österreichs. Auch wenn im Jahr 1885 bereits ein ähnlich starkes Beben in Gloggnitz dokumentiert ist, so ist dieses Ereignis das stärkste Beben, das in Gloggnitz jemals von Messinstrumenten registriert wurde. 
Das Epizentrum lag in Gloggnitz (47,68°N, 15,95°O), der Bebenherd, in einer Tiefe von etwa fünf Kilometern, war vergleichsweise seicht. Aus diesem Grund waren die Erschütterungen von der Bevölkerung im Bereich des Epizentrums besonders stark zu spüren.

Zahlreiche Meldungen aus der Bevölkerung

Das Erdbeben wurde in weiten Teilen im Osten Österreichs verspürt, dem Erdbebendienst wurden über das online-Wahrnehmungsformular und unsere App „QuakeWatch Austria“ über 2750 Meldungen gesendet. Das Beben wurde vom Waldviertel bis Klagenfurt, und in Oberösterreich von Bad Ischl bis zum Neusiedlersee im Burgenland beobachtet, wie auf der linken Karte zu sehen ist, wo Orte dargestellt sind, aus denen Fühlbarkeitsmeldungen gesendet wurden. Die Karte rechts zeigt eine shakemap, die die erwartete Intensitätsverteilung der Erschütterungen nahezu in Echtzeit liefert. Die manuelle Aufarbeitung der einzelnen Meldungen bedarf mitunter Wochen und ist für Schadensbeurteilungen für Versicherungen maßgebend. Innerhalb der gelben Linie sind Intensitäten von über 5 Grad auf der 12-stufigen Europäischen Makroseismischen Skala zu erwarten.

Links: Orte aus denen die Bevölkerung ihre Wahrnehmungen meldeten. Rechts: shakemap - automatisch erstellte Karte über die erwartete Intensitätsverteilung der Erschütterungen. Für Versicherungsfälle gültige Werte werden später manuell bestimmt.(Bild zum vergrößern anklicken)

Viele Menschen wurden durch das Beben aus dem Schlaf gerissen. Im Bereich des Epizentrums sind viele erschrocken und hatten Angst. Einige berichteten, dass sie aus dem Haus geflohen seien. Zahlreiche Gegenstände sind umgefallen, sogar Bücher fielen in Einzelfällen aus den Regalen, Lampen pendelten stark.

Chistiane Freudenthaler, Seismologin des Erdbebendienstes informiert: "Man hat uns über 100 Schädensmeldungen aus dem Bereich des Epizentrums zukommen lassen, es handelt sich vor allem um Risse im Verputz an Innen- und Außenwänden, auch kleine Verputzteile sind herabgefallen. Strukturelle Gebäudeschäden wurden nicht beobachtet".

Im Bereich des Epizentrums wurde um 23:11 Uhr MESZ auch ein schwaches Nachbeben der Magnitude 2,3 verspürt. Weitere sieben Nachbeben wurden nur instrumentell registriert.

Wir bedanken uns für die Meldungen der Bevölkerung, die uns über die Auswirkungen des Erdbebens informierten.

Die Bruchzone im Wiener Becken

Das Wiener Becken ist ein geologisch junges tektonisches Einbruchsbecken und Sedimentbecken im Nahtbereich zwischen Alpen, Karpaten und der Pannonischen Tiefebene. Die Ursache der Bebentätigkeit im südlichen Wiener Becken ist die horizontalen Verschiebung entlang der Mur-Mürztal-Störung, die bewirkt, dass der östliche Krustenteil nach Osten gedrängt wird.  Eine markante Tiefenstörung erstreckt sich von Gloggnitz,  Seebenstein über Wiener Neustadt, Ebreichsdorf und Schwadorf nach Marchegg. An den Bruchlinien dieses Störungssystems kommt es durch die kontinuierlichen Verschiebungsraten zu einem Spannungsaufbau, der durch Erdbeben wieder gelöst wird.

Berechnungen zufolge weist das aktuelle Erdbeben mit einer Magnitude von 4,2 im Untergrund eine Bruchlänge von etwa 700 m bei einem relativen Verschiebungsbetrag von zwei Zentimetern auf.  

Eine aktive Erdbebenregion

Die Region des südlichen Wiener Beckens ist immer wieder von starken Erdbeben betroffen. Das stärkste Beben der jüngeren Vergangenheit in Ostösterreich vom 16. April 1972 (Magnitude 5,3) hatte sein Epizentrum bei Seebenstein, etwa 15 km ONO von Gloggnitz entfernt, und richtete beträchtliche Schäden an. In Guntrams und Schwarzau stürzten zwei ältere Gebäude ein. Zahlreiche Kamine und Gesimse in der Region stürzten ein, die parkende Autos beschädigten und bei Wiener Neustadt eine Bundesstraße blockierten. Im Dom von Wiener Neustadt fielen während eines Gottesdienstes Mauerteile herab. 800 Feuerwehreinsätze wurden in Wien gezählt, zwanzig Meter der Balustrade an der Universität Wien fielen herab.

Am 22. September 1885 ereignete sich in Gloggnitz ein Beben, das mit einer rekonstruierten Magnitude von 4,2 etwa gleich stark war das aktuelle Erdbeben.

Das Beben vom 20. April 2021 der Magnitude 3,5 mit Epizentrum bei Gloggnitz war aufgrund des ebenfalls seichten Erdbebenherdes auch stark spürbar.

Registrierung der seismischen Wellen

Die seismischen Wellen wurden an allen seismischen Stationen des Österreichischen Erdbebendienstes aufgezeichnet.

Kräftiges Erdbeben in Gloggnitz in Niederösterreich

Seismogramm des Erdbebens vom 30. März 2023 um 22:26 MESZ (=20:26 UTC) an der seismischen Station Conrad-Observatorium in Niederösterreich (CONA) des Österreichischen Erdbebendienstes. Es ist der Welleneinsatz der Primärwelle „P“ (Longitudinalwelle, schwingt in Ausbreitungsrichtung) und der Sekundärwelle „S“ (Transversalwellen, schwingt quer zur Ausbreitungsrichtung) deutlich zu erkennen.
Registrierausschnitt: eine halbe Minute.

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Umfeld eines Stollens © ZAMG
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Live-Seismogramm
Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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