01.02.2024
Kräftiges Erdbeben am Semmering in Niederösterreich
Am Donnerstag, den 1. Februar 2024, ereignete sich nachts um 02:59 Uhr MEZ einen Kilometer nordöstlich des Ortes Semmering ein kräftiges Erdbeben der Magnitude 4,5. Der Bebenherd war mit 5 km relativ seicht.
Tausende Meldungen aus der Bevölkerung
Innerhalb der ersten Stunden sind beim Österreichischen Erdbebendienst über 3000 Meldungen der Bevölkerung eingetroffen.
Die Erschütterungen waren im Bereich des Epizentrums stark zu spüren, rissen sehr viele Personen aus dem Schlaf, viele sind erschrocken, ein paar Leute flüchteten ins Freie. Es wurde berichtet, dass viele kleine Gegenstände umgefallen und Möbel sich deutlich bewegt hätten.
Eine Betroffene aus Reichenau an der Rax schildert dem Erdbebendienst ihre Beobachtungen folgendermaßen: „Es schwankte praktisch alles. Gläser klirrten, bewegliche Teile wie Bücher fielen aus den Regalen. Als ich heute Morgen in der Küche Schränke öffnete, fielen mir auch Gegenstände entgegen.“
Chistiane Freudenthaler, Seismologin des Erdbebendienstes informiert über das weitere Geschehen: "Uns wurden über 100 Schadensmeldungen aus der Region um das Epizentrum zugesendet, es handelt sich vor allem um Risse im Verputz, aber auch kleinere Verputzteile lösten sich von den Wänden und kleine Risse taten sich auf. Auch auf Dächern gab es leichte Schäden. Man hat das Beben auch in den Bundesländern Steiermark, Burgenland und Wien gespürt, sogar in Oberösterreich konnte man noch in Wels ein leichtes Schwanken merken."
In der folgenden Stunde wurden um 03:43 und 04:03 zwei schwache Nachbeben mit Magnituden von 1,2 und 1,4 lokalisiert, zu diesen Erdbeben liegen keine Meldungen vor.
Wir bedanken uns für die Meldungen der Bevölkerung, die uns über die Auswirkungen des Erdbebens informierten.
Abbildung: Die Karte zeigt eine shakemap, die die erwartete Intensitätsverteilung der Erschütterungen nahezu in Echtzeit liefert. Es sind darin auch die Orte dargestellt, aus denen Fühlbarkeitsmeldungen gesendet wurden. Die manuelle Aufarbeitung der einzelnen Meldungen bedarf mitunter Wochen und ist für Schadensbeurteilungen für Versicherungen maßgebend.
Eine aktive Erdbebenregion
Die Region Semmering war auch in der Vergangenheit von Erdbeben betroffen, das stärkste ereignete sich am 27. Oktober 1964 mit einer Magnitude von 5,3. Aufgrund der relativ großen Herdtiefe von etwa 15 km gab es keine größeren Gebäudeschäden. Die Erschütterungen wurde damals auch in Wien stark verspürt, es kam sogar zu einer Unterbrechung der Vorstellung im Burgtheater.
Erst in den vergangenen drei Jahren war die Region Gloggnitz am Fuße des Semmerings von einer außergewöhnlich langen Erdbebenserie betroffen. Das stärkste Beben am 30. März 2023 hatte eine Magnitude von 4,2, mehr als 40 Beben in dieser Region wurden von der Bevölkerung gespürt.
In Niederösterreich gab es in den letzten drei Jahren drei kräftige Erdbeben, die Magnituden größer vier hatten, am 30. März 2021 (Magnitude 4,6), 19. April 2021 (Magnitude 4,4) und am 30. März 2023 (Magnitude 4,2).
Durchschnittlich alle 14 Jahre treten in Niederösterreich Erdbeben mit Magnituden größer 4,5 auf. Mit Beben, die Magnituden größer 5 aufweisen, ist grob alle 30 Jahre zu rechnen.
Bruchzonen in der Region des Semmerings
Die Region des Semmerings steht im Zusammenhang mit dem Mur-Mürztal Störungssystem und dem südlichen Wiener Becken. Die Mur-Mürztal-Störung besteht aus einer Vielzahl sich gegeneinander bewegender Störungen, die vom Murtal bis zum Semmering reichen. Dort teilt sich die Störungszone auf, ein Ast setzt sich in Richtung Osten am Südrand des Wiener Beckens fort, ein anderer Ast verläuft an dessen Westrand. Geodynamisch wird der südliche Teil des Mürztales gegen Nordosten verschoben, was zu einer Dehnung des Wiener Beckens führt.
Welches Teilstörungssystem als Ursache des Bebens in Betracht kommt, kann erst nach einer eingehenden Analyse der Daten durch die Seismolog:innen beurteilt werden.
Berechnungen zufolge weist das aktuelle Erdbeben mit einer Magnitude von 4,5 im Untergrund eine Bruchlänge von grob 1300 m bei einem relativen Verschiebungsbetrag von fünf Zentimetern auf.
Seismogramm
Das Erdbeben vom 1. Feber 2024 wurde am allen seismischen Breitbandstationen des Österreichischen Erdbebendienstes registriert. In der Abbildung ist die Registrierung an der Station CONA am Conrad-Observatorium am dem Trafelberg bei Muggendorf in Niederösterreich zu sehen (Zeitausschnitt 30 Sekunden).