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16.08.2021

Das schwere Erdbeben in Haiti

Am Samstag, den 14. August 2021 ereignete sich nachmittags um 14:29 Uhr MESZ (08:29 Uhr EDT - Eastern Daylight Time) im westlichen Teil von Haiti und 125 km westlich von der Hauptstadt Port-au-Prince ein schweres Erdbeben der Magnitude 7.2 (USGS).

Auswirkungen

Finden Beben dieser Stärke in relativ geringer Tiefe statt (hier 10 km) kann im Epizentrum eine Intensität vom Grad IX mit zerstörenden Auswirkungen auftreten. Nach dem Modell der USGS ShakeMap (Link) wurden mehr als 600.000 Personen einer Intensität vom Grad VIII (schwere Gebäudeschäden) und etwa 400.000 Personen einem Intensitätsgrad VII (mittlere Gebäudeschäden) ausgesetzt. In den Medien gibt es viele Berichte und Bilder über Gebäudeschäden und eingestürzte Gebäude, wie zum Beispiel aus Jérémie, Les Cayes, Les Anglais, und Jacmel. Besonders schwer betroffen wurden die Departements The Sud, Grand'Anse und Nippes. Seitens des Katastrophenschutzes in Haiti gibt es erste Berichte von über mehr als 700 eingestürzte Gebäude (auch Krankenhäuser und Schulen) und mindestens 3800 zerstörte Wohnungen sowie signifikante Schäden an der Infrastruktur und den Straßen. Es gibt bisher bereits Informationen von über mehr als 2000 Todesopfer.

Aus der Hauptstadt Port-au-Prince wurden bisher keine schweren Gebäudeschäden berichtet. Das aktuelle Beben wurde in ganz Haiti, Jamaika und der Dominikanischen Republik verspürt. Sentinel2 Luftbilder zeigen, daß im Westen Haitis extensive Hangrutschungen entstanden sind. Auch Bodenverflüssigung kann bei dieser Stärke auftreten.

Haiti 2021 Lage Hauptbeben und Bebenaktivität

Übersicht der Lage des Haiti-Erdbebens vom 14. August 2021 um 14:29 Uhr MESZ (Magnitude 7,2) und die Erdbebenaktivität in den darauffolgenden 2 Tagen (Quelle: USGS). Die dargestellten Nachbeben haben eine Magnitude von mindestens 4,1.

 

Internationale Hilfe

Haitis Regierungschef Ariel Henry rief einen einmonatigen Ausnahmezustand in den vier von dem Beben betroffenen Verwaltungsbezirken aus. Haiti hat eine sehr schlechte Bewältigungskapazität bei einer hohen Vulnerabilität und Gefahrenexposition. Bei vergangenen Beben mit vergleichbarer Warnstufe wurden Einsatzkräfte auf nationaler oder internationaler Ebene aktiviert. So wollen die USA bei der Bergung von Verletzten und dem Wiederaufbau helfen und mehrere lateinamerikanische Staaten sowie Spanien stellten rasche Hilfen in Aussicht.

Der Erdbebendienst der ZAMG informierte routinemäßig die Medien und das staatliche Krisenmanagement über die zu erwartenden Auswirkungen des Erdbebens. In diesem besonderen Fall wurden auch die zuständigen Stellen von Hilfsorganisationen (Rotes Kreuz, AFDRU) sowie das Außenministerium informiert.

Nach dem Katastrophenbeben in Haiti am 12. Jänner 2010 wurden durch Spendengelder und dem Engagement von internationalen Organisationen Hilfe geleistet werden – von der Notversorgung über Programme zur Ernährung und Hausbau, bis hin zu Gesundheits- und Bildungsprojekten. Aber dennoch dauert die menschliche Tragödie in dem durch Korruption zerrütteten Land auch heute, viele Jahre nach dem verheerenden Erdbeben, vielerorts immer noch an.

 

Seismogramm an der Station am Conrad-Observatorium

Registrierung des Haiti-Bebens am 14. August 2021 an der seismischen Station CONA am Conrad-Observatorium in Niederösterreich (Registrierdauer 120 Minuten). Der Ersteinsatz der Kompressioneswelle ‚P‘ (um 12:40:59 h UTC) des Haiti-Bebens (Magnitude 7,2) wird durch die hohen Amplituden der Oberflächenwellen des vorangegangen starken Bebens bei Alaska (Magnitude 6,9) etwas verdeckt. Dessen Einsatz der ‚P‘ – Welle ist deutlich um 12:09:36 h UTC zu erkennen.

 

Weitere Entwicklung

Die Nachbebenaktivität von Beben die im Epizentralbereich weitere Schäden verursachen könnten kann mehrere Wochen dauern. Das Auftreten von ähnlich starken oder einem stärkeren Beben in dieser Region kann nicht ausgeschlossen werden.

Der Tropensturm Grace bewegt sich derzeitig von Osten auf Haiti zu. Laut NOAA Model können die nördlichen Teile von Haiti zwischen Montag Abend und Dienstag betroffen sein (NOAA).

 

Tektonik

Tektonische Ursache für das aktuelle Haiti-Beben war die abrupte Freisetzung von Energie nachdem sich durch die Verschiebung entlang zweier Kontinentalplatten in der Erdkruste große Spannungen aufgebaut haben. Die Karibische Platte bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 2 cm/Jahr relativ zur Nordamerikanischen Platte in Richtung Osten. Konkret ereignete sich das Erdbeben an der sogenannten Enriquillo-Plantain Garden Verwerfungszone, die südlich von Port-au-Prince etwa in Ost-West-Richtung verläuft. Entlang dieser Störungszone, welche eine Bewegung von etwa 7 mm/Jahr aufweist, ereignete sich auch das Katastrophenbeben von 2010. Das aktuelle Erdbeben ereignete sich als Folge einer schrägen Aufschiebung entlang der Enriquillo-Plantain Garden Verwerfungszone. Das vergangene Beben von 2010 zeigte eine Seitenverschiebung in Richtung der genannten Verwerfungszone (‚left-lateral strike slip‘).

Haiti 2021 Tektonik

Darstellung der Lage des Haiti-Bebens vom 14. August 2021 mit zwei wesentlichen Störungen in dieser Region. Beide Erdbeben, das aktuelle Magnitude 7,2 Beben sowie das Katastrophenbeben von 2010 liegen an der Enriquillo-Plantain Garden Störungszone. Quelle: Prentice et al., 2003 Journal of Geophysical Research, V108, B3, p2149.

 

Vergangene Katastrophenbeben

Das verheerende Erdbeben in Haiti vom 12. Jänner 2010 verursachte eine der  größten humanitären Katastrophen, die durch Erdbeben hervorgerufen wurden. Schätzungen zufolge waren zwischen 220.000 und 300.000 Todesopfer zu beklagen, Millionen wurden obdachlos, in manchen Regionen des Landes lagen bis zu 90 Prozent der Gebäude in Trümmern. Mit einer Magnitude von 7,0 (USGS) lag das Epizentrum nur 20 Kilometer von der Hauptstadt Port-au-Prince entfernt. Obwohl die Energiefreisetzung weniger als den tausendstel Bruchteil der Magnitude 9,1 - Beben von Sumatra (2004) und Japan (2011) betrug, gab es so viele Todesopfer wie kaum bei einem anderen Beben. Verantwortlich dafür war neben der geringen Herdtiefe (13 km) die unmittelbare Nähe zur Millionenmetropole. Der politisch zerrüttete Karibikstaat war, und ist bis heute, das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Aufgrund der schlechten Bausubstanz- und Bauausführung waren die Gebäude   besonders instabil gegenüber Erschütterungseinwirkung durch Erdbeben.

Haiti hatte in seiner Geschichte schon mehrfach ähnliche verheerende Beben erlebt, beispielsweise 1842 mit dem Epizentrum bei Cap-Haitien, das auch tausende Leben kostete. Die rekonstruierte Magnitude betrug 8,1. Auch wenn man sich der Erdbebengefahr in dieser Region bewußt ist, besteht oft keine Möglichkeit die Gebäude gegen Erdbeben zu sichern. Aufgrund der Armut werden die meisten Gebäude mit einfachsten und billigsten Mitteln ausgeführt.

Am 7. Oktober 2018 wurden bei einem relativ schwachen Erdbeben bei Port-de-Paix (Magnitude 5,9) wieder zahlreiche Gebäude beschädigt, 18 Menschen kamen ums Leben, über 500 wurden verletzt.

 

Erdbebendienst der ZAMG
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1190 Wien, Hohe Warte 38
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