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06.10.2020

1930 - Das Erdbeben von Namlos in Tirol

Vor 90 Jahren ereignete sich bei Namlos in Tirol am Mittwoch, den 8. Oktober um 0h27 Ortszeit, ein starkes Erdbeben, das zu vielen Gebäudeschäden führte und bis München verspürt wurde. In Hammerl & Lenhardt (1997) findet sich folgende Beschreibung:

„Das Gendarmeriepostenkommando von Stanzach im Bezirk Reutte – 9 km nordwestlich von Namlos gelegen – schrieb am 28. Oktober, also fast drei Wochen nach dem Erdbeben, an die Bezirkshauptmannschaft: “In der Fraktion Namlos, aber auch in dortiger Umgebung, dauern die Erdbeben noch immer an. Die Aussagen der dortigen Bewohner sind verschieden, die einen behaupten täglich 4 bis 6 Stöße erfolgen, andere wieder geben an, 6 bis 8 Stöße wahrgenommen zu haben. Der dortige Geistliche, Expositus Oberhammer, ein wissenschaftlich höchststehender Herr und verlässlicher Beobachter gibt an, dass in der Nacht vom 7. auf dem 8. Oktober, (Beginn des Erdbebens) zirka 20 Erdstöße erfolgten und seit dort täglich 6 bis 10 Stöße, bald stärker bald schwächer verspürt worden seien … In den letzten Tagen nahmen die Beben an Stärke wieder merklich zu und sind im Pfarrwidum am 25. und 26. l.M. anlässlich solcher Beben 3 Fensterscheiben gesprungen.” … “Es wird daher ersucht, im Interesse der Ruhe und Sicherheit in dieser Ortschaft an maßgebender Stelle zu intervenieren, dass irgend eine Kommission nach Namlos entsendet wird um entweder die Leute zu beruhigen oder das Notwendige zu veranlassen. Die Ortschaft Namlos zählt 20 Häuser mit 100 Einwohner und ist von Stanzach aus in 2 Stunden zu Fuss, bei günstigen Wegverhältnissen auch mit Fuhrwerk erreichbar.” Aus Nassereith wird berichtet, daß die Stromversorgung ausfiel und in der Dorfkirche armbreite Risse entstanden. Die Leute “… warf es von den Betten auf”. In Pettnau, Telfs, Flauring, Oberhofen, Pfaffenhofen und Wildermieming klirrten die Fenster, zum Teil stürzten Möbelstücke um und einige Häuser wiesen 1-2 cm starke Risse in den Mauern auf.

Das Erdbeben wurde weit über die Grenzen Österreichs hinaus deutlich gefühlt, wie die 1300 Wahrnehmungsberichte aus Bayern bezeugen. Abschätzungen zufolge, dürfte das Hypozentrum des Erdbebens in einer für den ostalpinen Raum typischen Herdtiefe von 6-8 km gelegen haben. Bis zur Jahresmitte 1931 ereigneten sich noch viele Nachbeben.“

1930 - Das Erdbeben von Namlos in Tirol

Historisches Seismogramm vom Beben in Namlos 1930

Dieses Gebiet von Tirol wird immer wieder von Erdbeben heimgesucht, wie erst am letzten Wochenende am Sonntag (4. Oktober 2020) in der Früh um 6h38. Diesmal lag das Epizentrum bei Imst, und das erinnert auch an das Erdbeben bei Landeck im Jahr 1958, welches sogar zu Gebäudeschäden führte. Oder auch an das jüngste Beben bei Landeck am 8. August 2020.

Die rege Erdbebentätigkeit in Tirol gab Anlass, die historischen Erdbeben in Tirol und Vorarlberg nach heutigen Standards neu zu untersuchen. Das Projekt, das vom Land Tirol, der ASFINAG, der VERBUND Hydro Power, der Fachgruppe der Seilbahnen Tirol, der TIWAG und der ÖBB Infra finanziert wird, endet diese Jahr, und man darf auf die Resultate gespannt sein. Die Untersuchungen historischer Erdbeben wirken sich nämlich auf die von der ZAMG erstellte Erdbebengefährdungskarte von Österreich aus, welche dann die jüngsten Forschungsresultate berücksichtigen wird.

 Quelle:

Hammerl, Ch. & Lenhardt, W.A. 1997. Erdbeben in Österreich. Leykam Verlag, Graz, 191 Seiten, vergriffen.

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Umfeld eines Stollens © ZAMG
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Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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