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23.02.2024

120 Jahre Österreichischer Erdbebendienst

Am 23. Februar 1904 wurde an der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, der heutigen GeoSphere Austria, ein permanenter Erdbebendienst eingerichtet.

Einrichtung des permanenten Erdbebendiensts

Ein folgenschweres Erdbeben der Magnitude Mw 5.94 ± 0.36 (EPICAv1.1- European PreInstrumental Earthquake Catalogue) erschütterte am 14. April 1895 Laibach (Ljubljana), die Hauptstadt des Kronlandes Herzogtum Krain in Österreich-Ungarn. Die höchsten beobachteten Intensitäten im Epizentralgebiet lagen zwischen VIII° und IX° EMS-98.

Unter dem Eindruck dieses Ereignisses setzte die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse der k. Akademie der Wissenschaften in Wien bereits elf Tage nach dem Beben zum Zwecke der Förderung eines intensiveren Studiums der seismischen Erscheinungen in den österreichischen Ländern eine eigene Erdbebenkommission ein.

Das Ziel der Kommission war u.a. die Einrichtung eines Erdbebendienstes in den österreichischen Ländern der Habsburger Monarchie; dazu gehörte die Aufstellung von Seismografen und die Bildung eines Netzes von permanenten Beobachtern.

Vorerst plante man Stationen in Pola, Wien, Triest, Graz, Innsbruck, Kremsmünster, Prag und Lemberg und stattete die Observatorien mit den damals besten Geräten, den Rebeur-Ehlertschen Pendeln aus. 1897 wurde die Erdbebenwarte in Laibach gegründet und ein Beobachtungsnetz für die jeweiligen Kronländer eingerichtet. Die verantwortlichen Referenten sammelten nach einem Erdbeben Berichte aller Beobachter und sendeten diese an die Zentralstelle an der k. Akademie in Wien.

120 Jahre Österreichischer Erdbebendienst

Links: Der erste Leiter des Österreichischen Erdbebendienstes: Victor Conrad, Mitte: Mitarbeiter der ZAMG um 1910 vor dem Institut mit der ehemaligen Aufschrift „k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus“, Rechts: Aufzeichnung des „Tauernbebens“ von 1923 an der Ost-West Komponente des Wiechert Seismographen.

Da der Akademie für die Einrichtung eines regelmäßigen Erdbebendienstes die Mitarbeiter fehlten, wurde der gesamte seismische Dienst für Österreich mit Erlass des Unterrichtsministeriums vom 23. Februar 1904 an die k.k. Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus übergeben. Ein weiterer Erlass vom 2. März 1904 regelte die Namensänderung in „k.k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik“ (ZAMG). Bei der Übergabe des Erdbebendienstes überließ die k. Akademie auch die Seismografen die sie an den Erdbebenwarten in Triest, Laibach, Kremsmünster, Lemberg und Příbram aufgestellt hatte. Die Landesreferenten für den makroseismischen Beobachtungsdienst an den ca. 4000 makroseismischen Beobachtungsstellen arbeiteten nun mit der ZAMG zusammen.

Der Physiker Victor Conrad (1876–1962), zum Adjunkt an der ZAMG ernannt, wurde der erste Leiter des Österreichischen Erdbebendienstes.

 

Erdbebenland Österreich

Österreich weist eine moderate Seismizität auf, die in Zusammenhang mit der Gebirgsbildung der Alpen steht. So wurden beispielsweise im Jahr 2023 mit dem Stationsnetz des Erdbebendienstes der GeoSphere Austria weltweit über 10.000 seismische Ereignisse registriert und ausgewertet. Rund 1.300 Erdbeben wurden in Österreich lokalisiert, davon waren 77 für die Bevölkerung spürbar - dies entspricht im Mittel mehr als einem gespürten Erdbeben pro Woche. Die meisten Beben machen sich durch ein schwächeres Rütteln bemerkbar, doch etwa alle zwei bis drei Jahre muss in Österreich auch mit leichten Gebäudeschäden durch ein stärkeres Erdbeben gerechnet werden. Schwere Schäden an Gebäuden kommen bedeutend seltener vor, hier betrug die durchschnittliche Wiederkehrperiode in der Vergangenheit mehr als 75 Jahre.

 

Aufbau des Messnetzes

Die älteste Erdbebenstation Österreichs hat ihren Dauerbetrieb bereits 1898 im Stift Kremsmünster aufgenommen. Ab dem Jahr 1903 konnten an der k.k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus erstmals instrumentelle Messungen mit Seismographen durchgeführt werden, wobei die Lokalisierung von Epizentren durch Methoden der Makroseismik (Analyse der Wahrnehmungsmeldungen) bis in die 1980-­‐er Jahre auf Grund des nur aus wenigen Stationen bestehenden Messnetzes vorrangig war. Im Juni 1905 wurden in einem Keller der ZAMG das Wiechert‘sche Horizontalpendel – mit Unterbrechungen bis 3. März 1977 in Betrieb – mit einer Masse von 1000 Kilogramm installiert. Ab August 1908 verwendete man an der Hohen Warte ein von Victor Conrad entwickeltes, kleines und relativ unempfindliches Pendel – mit Unterbrechungen bis 4. Mai 1981 in Betrieb – zur Nahbebenregistrierung.

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Beispiele für die zeitliche Entwicklung von Instrumenten zur Registrierung von Erdbeben. Links: Wiechert Seismograph (1904), Mitte oben: Streckeisen STS-2 Breitband-Seismometer mit einer Eigenperiode von 120 Sekunden (2000), Mitte unten: Kinemetrics Etna2 Beschleunigungsaufnehmer (2024), Rechts: Unser bestes Instrument, ein Nanometrics Bohrlochseismometer mit einer Eigenperiode von 360 Sekunden (2023).

Mit der digitalen Datenerfassung und einer stetigen Verdichtung des Messnetzes fand und findet eine kontinuierliche Verbesserung der Genauigkeit in der Bestimmung der Herdparameter (Lage, Tiefe, Magnitude) statt. Vorreiter eines modernen Messnetzes waren vier digitale Erdbebenstationen, die zwischen 1989 und 1991 in Tirol mit Hilfe der Tiroler Landesregierung errichtet wurden. Darauf aufbauend erfolgte der landesweite Ausbau des Messnetzes. Ab nun konnte an einigen Standorten eine kontinuierliche Übertragung von (Echtzeit‐) Daten an den Erdbebendienst in Wien stattfinden. Ab 1992 wurden auch Strong-Motion-Stationen installiert um in besiedelten Gebieten das dynamischen Boden- und Bauwerkverhalten (Struktur--‐Monitoring) sowie Bodenbewegungen mit besonders großer Amplitude zu erfassen. Bis 2020 wurden auch sämtliche Strong-Motion Stationen auf eine kontinuierliche Datenübertragung umgestellt. Die heutige Lokalisierungsgenauigkeit beträgt je nach Messnetzdichte für schwache Ereignisse mit einer Magnitude von ML=1,5 zwischen ±1,5 und ±3,0 km. Die höchste Messnetzdichte findet sich heute in Nordtirol, wo der mittlere Stationsabstand etwa 25 km beträgt.

Karte der derzeit vom Österreichischen Erdbebendienst betriebenen Erdbebenstationen.

 

Das Conrad-Observatorium

Mit der Zeit wurde die Messstelle auf dem Wiener Cobenzl (vor allem die geomagnetische Registrierung) durch immer mehr Störungen beeinflußt. Als Ablöse wurde der ruhige Standort des Conrad-Observatoriums auf dem Trafelberg bei Pernitz/NÖ gewählt. Im Jahr 1998 fand der Stollenanschlag für das neue geophysikalische Observatorium statt. Die in zwei Baustufen ausgeführte Forschungseinrichtung dient heute der seismologischen, gravimetrischen und magnetischen Beobachtung (letztere ab 2014). Die ungestörte Lage des Observatoriums fernab von menschlichen Aktivitäten und elektromagnetischen Störungen ermöglicht es den Wissenschaftlern, die physikalischen Prozesse der Erde besser zu erfassen und zu verstehen. Gemeinsam mit dem Land Niederösterreich wurde in den letzten Jahren eines der modernsten Observatorien der Welt erbaut. Das Observatorium wurde Innerhalb kürzester Zeit als Top-Standort international zertifiziert und zieht zahlreiche Forschungsgruppen nach Niederösterreich u.a. ESA JUICE, Spitzenforschung der Quantenphysik. Für die Seismologie wurden hochpräzise Referenzseismometer an mehreren Instrumentensockeln eines 145 m langen Stollens bzw. in bis zu drei 100 m tiefen Bohrlöchern installiert. Seit 2021 wird auch eine eigene Infraschall-Messstation, bestehend aus vier Elementen, auf dem Trafelberg betrieben. Mit dieser Station können tieffrequente atmosphärische Ereignisse (z.B: Explosionen, Vulkanausbrüche, Meteoriten) über tausende Kilometer weit detektiert werden.

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Das Conrad-Observatorium am Trafelberg auf 1044m Seehöhe nahe Pernitz/NÖ. Oben: Eingang zum seismischen Teil des Observatoriums und Blick in den 145 m langen Messstollen. Unten: Installation eines STS-2 Breitbandseismometers und eines Beschleunigungsaufnehmers (kleines Instrument) an einem Sockel sowie eine Führung für Besucher am Tag der offenen Tür.

 

Der Erdbebendienst

Der staatliche Wetter-­‐und Erdbebendienst, vormals Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der geologische Dienst, die Geologische Bundesanstalt (GBA), vereinen mit 1. Jänner 2023 ihre Expertise in der GeoSphere Austria. Diese Bundesanstalt leistet als nationaler geologischer, geophysikalischer, klimatologischer und meteorologischer Dienst einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der gesamtstaatlichen Resilienz und Krisenfestigkeit.

120 Jahre Österreichischer Erdbebendienst

Gruppenfoto des Erdbebendiensts im Jahr 2010 sowie damalige Auskunftstätigkeiten bei Anfragen aus der Bevölkerung.

Der Österreichische Erdbebendienst betreibt das nationale Erdbebenmessnetz an über 60 Standorten und informiert das staatliche Krisenmanagement, die Öffentlichkeit und die Medien über die Auswirkungen von aktuellen Erdbeben. Durch internationalen Datenaustausch werden die Registrierungen von mehreren hundert seismischen Stationen in Echtzeit verarbeitet und bei starken Erdbeben automatische Alarmmeldungen per SMS und E‐Mail an den Rufbereitschaftsdienst (24/7) versendet. Zusätzlich ist die GeoSphere Austria die offizielle Stelle, welche Daten zur Erdbebengefährdung Österreichs erhebt und diese auch berechnet. Basierend auf diesen Informationen erfolgt die nationale Festlegung der Richtlinien für ein erdbebengerechtes Bauen (ÖNORM EN 1998-1). Zusätzlich zur Erfassung und Analyse von Erdbeben wird historische Erdbebenforschung betrieben, ein Erdbebenkatalog und ein Erdbebenarchiv für historische Seismogramme geführt, sowie Beratung bei größeren Bauvorhaben und die Erstellung von Gutachten angeboten.

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Links: Aufzeichnung des Erdbebens bei Waidring/St. Ulrich am Pillersee vom 19.1.2024 (Magnitude ML 3.5) an den Vertikalkomponenten von Seismometern die nach der Herddistanz sortiert wurden. Mitte: Abschätzung der Auswirkungen kurz nach diesem Beben durch eine ShakeMap mit Darstellung der Bodenbeschleunigung. Rechts: Registrierung des Kernwaffentests in Nordkorea vom 3.9.2017 an Erdbebenstationen in Österreich.

Im Rahmen von Überwachungen wurden unter anderem seismische Stationen an der Feistritzbachsperre, der Kölnbreinsperre, im Bergbau Schwaz, und in 1220 Wien errichtet. In der Bundeshauptstadt wird auch ein eigenes Strong-Motion‐Messnetz betrieben. Im Zusammenhang mit Österreichs Bekenntnis zur CTBTO (Comprehensive Test Ban Treaty Organisation) wird an der GeoSphere Austria das Nationale Datenzentrum (NDC) zur Detektion von nuklearen Explosionen geführt.

Mit der Teilnahme am Projekt ARISTOTLE-eENHSP bieten wir eine wissenschaftlichen Beratung für das Emergency Response Coordination Center (ERCC) der EU bei weltweiten Katastrophenbeben an, sowie als nationale Dienstleistung das durch die Initiative der GeoSphere Austria initiierte AMAS (Austrian Multi-hazard Advice Service).

 

Die zahlreichen Aufgaben des Österreichischen Erdbebendienstes werden durch ein Team bestehend aus neun Seismologinnen, einer Historikerin und vier Seismologen bewerkstelligt. Die Erforschung der Ursache von Erdbeben und ihrer möglichen Auswirkungen dient der Gesellschaft, um der Gefährdung durch Erdbeben besser begegnen zu können. In zahlreichen nationalen und internationalen Projekten, an denen die GeoSphere Austria beteiligt ist, wird dem entsprochen.

120 Jahre Österreichischer Erdbebendienst

Oben: Gruppenfoto nach der internen Krisenübung im Jahr 2018 mit der Leiterin des Erdbebendiensts (Dr. Yan Jia). Unten: Bei der Auswertung des fiktiven Erdbebens und Interview in der Erdbebenzentrale.

 

Ausblick auf die Herausforderungen

Um Anforderungen im Bereich der Erdbebenvorsorge und des Katastrophenschutzes zu entsprechen ist sowohl die stetige Verdichtung des Messnetzes erforderlich als auch die Wartung der Erdbebenstationen mit der Reparatur und Neuinstallation von hochwertigen Instrumenten. Ein dichtes Messnetz ist Voraussetzung für die rasche und präzise Erstellung von Schadensszenarien bei einem starken Erdbeben, da nur so die Herdtiefe als Schlüsselparameter mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden kann und ein flächenhafter Überblick der einwirkenden Bodenbewegungen gegeben ist. Gleichzeitig kann eine hohe Lokalisierungsgenauigkeit erreicht werden, die eine Zuordnung zu bekannten oder die Erkennung neuer tektonischer Störungssysteme ermöglicht. Die Konzepte zur Errichtung von zuverlässigen Erdbebenstationen haben sich in der Vergangenheit zwar bewährt, aber sollten dennoch laufend neubewertet und weiterentwickelt werden, um so vom aktuellen Stand der Technik zu profitieren. In Zukunft könnte man durch die Nutzung von tiefen Bohrlochstationen durch rauscharme Registrierungen profitieren. Die Aufzeichnung von starken Erdbeben mit low-cost Instrumenten durch die Bevölkerung im Rahmen von ‚Citizen Science‘ hätte das Potential lokale Standorteffekte zu erkennen. Einschränkungen ergeben sich dabei durch die Dynamik und den Frequenzbereich der Instrumente, die umgebenden Störsignale, die Ankopplung und die Wahl des Aufstellungsortes, das erforderliche hoch-präzise Zeitsignal, die Kenntnis über die Metadaten und schließlich bei der Dateneinbindung an den Erdbebendienst.

120 Jahre Erdbebendienst - Gefährdungskarte2019

Bei der Bestimmung der Erdbebengefährdung wird es einerseits notwendig sein neue Methoden anzuwenden um den Stand der Wissenschaft zu gewährleisten und andererseits müssen zur Entwickelung aktueller Modelle neue Daten einbezogen werden. Durch die Dokumentation und Registrierung von aktuellen Erdbeben aber auch durch die Ergebnisse der historischen Erdbebenforschung werden laufend Daten erzeugt, die in den österreichischen Erdbebenkatalog einfließen. Besonders maßgebend für eine physikalische Beschreibung der Auswirkungen nach einem Erdbeben sind die Kenntnis der Ausbreitung der seismischen Wellen (Pfad & Amplitudenabnahme) und die lokale Verstärkung von Bodenbewegungen (z.B: bei Sedimentbecken). Dazu sind im Sinne einer Mikrozonierung weitere Messungen und Untersuchungen erforderlich. Eine wichtige Neuerung im operationellen Betrieb ist die rasche Berechnung der Ursache der Erdbeben (Herdmechanismus) durch den Momententensor und eine Bestimmung der Spannungsumverteilung. Beide Informationen unterstützen die Interpretation von Erdbebensequenzen und geben Hinweise über die Beeinflussung benachbarter Störungen. Unsere aktuellste Version der Gefährdungskarte (2019) soll in den nächsten Jahren Basis für die neue ÖNORM EN 1998 Richtlinie für erbebensicheres Bauen werden. Diese wird in Verbindung mit dem Eurocode 8 der zweiten Generation unter Einbindung der GeoSphere Austria erstellt werden.

In der Zentrale der GeoSphere Austria an der Hohen Warte in Wien werden enorme Datenmengen erzeugt und archiviert. Ursache ist die fortschreitende Digitalisierung im Erdbebendienst, der Betrieb von neuen Messstationen und die hohe Anzahl an Rückmeldungen von Wahrnehmungen aus der Bevölkerung bei stärkeren Erdbeben (Vielen Dank an alle Beitragenden!). Die Verarbeitung und Nutzung dieser großen Datenmengen ist sowohl technisch als auch wissenschaftlich eine Herausforderung. Hier wird in der Seismologie die Anwendung von Machine Learning als Teilbereich der Künstlichen Intelligenz erprobt. Jedoch muss sie für verlässliche Ergebnisse vor ihrem operativen Einsatz sorgfältig angepasst und getestet werden. Einsatzmöglichkeiten sind die Mustererkennung von seismischen Signalen zur Diskriminierung unterschiedlicher Ereignistypen (z.B: Erdbeben, Sprengung, Überschallknall, Felssturz, ..), die Signaloptimierung, die automatische Erkennung von schwachen Nachbeben, die Bewertung der Gleichartigkeit von Erdbeben während einer Bebensequenz und die Analyse von Schäden in Luftaufnahmen durch Satelliten oder Drohnen. Die Bewertung von Gebäudeschäden nach einem stärkeren Erdbeben ist in Österreich eine Tätigkeit, die glücklicherweise nicht jedes Jahr durchgeführt werden muss. Sie erfordert aber dennoch ein ständig einsatzbereites und gut ausgebildetes Team. Dadurch kann der Intensitätsgrad auf der 12-stufigen Europäischen Makroseismischen Skala (EMS-98) bestimmt werden, den die Versicherungen als Kriterium bei Schadensbeurteilungen verwenden. Bei so starken Ereignissen tritt im Erdbebendienst eine besonders hohe Arbeitsbelastung auf, da personelle Ressourcen gleichzeitig auf Tätigkeiten im Büro als auch im Feld aufgeteilt werden müssen. Dabei werden in der Zentrale hunderte von Nachbeben analysiert und ausgewertet, Interviews und Auskünfte gegeben sowie Newsbeiträge verfasst. Die Arbeiten im Feld umfassen die Installation temporärer Stationen nahe dem Epizentrum (Erfassung Nachbebenaktivität) sowie die Dokumentation von Gebäudeschäden vor Ort.

120 Jahre Österreichischer Erdbebendienst

Schadensbilder nach den Erdbeben von 1590 in Ried am Riederberg, bei Schwadorf von 1927, und dem Seebenstein Beben von 1972.

In den letzten Jahren zeigte sich, dass die Vibrationen durch Windkraftanlagen für die Seismologie stark störend sein kann. In Deutschland waren besonders viele Messstationen betroffen und es wurden Vorschriften erlassen, die bei Errichtung von Windkraftanlagen Schutzradien um Stationen oder die Beteiligung des Erdbebendiensts vorsehen. Eine Verlegung der Erdbebenstationen ist meist unmöglich, da keine beliebigen Orte gewählt werden können. Die Stationen sind Teil der kritischen Infrastruktur des SKKM. Die sich über den Turm und das Fundament der Windräder in den Untergrund übertragenen Schwingungen breiten sich in alle Richtungen aus und beeinträchtigen die Fähigkeit zur Detektion von Erdbeben oder nuklearen Explosionen. Dabei nimmt der Störeinfluss mit zunehmender Entfernung abhängig vom geologischen Untergrund ab.

Bodenbewegung kann nicht nur durch tektonische Erdbeben ausgelöst werden, sondern auch durch menschliche Quellen. Dabei wird zwischen induzierten und getriggerten Erdbeben unterschieden. Erstere werden direkt durch menschlichen Einfluss ausgelöst, während zweitere eine Aktivierung vorhandener Verwerfungen durch menschliche Einflüsse zur Folge haben. In Europa und auch in Österreich gibt es eine Vielzahl von menschlichen Quellen die Bodenerschütterungen ähnlich von Erdbeben auslösen. Für Zentraleuropa sind folgende Quellen anzuführen: Öl- und Gasexploration, Geothermieanlagen, Bergbau von Rohstoffen wie Eisen, Salz und Kohle, Steinbrüche sowie die Befüllung von Staudämmen.

Seit 120 Jahren sammelt der Erdbebendienst nicht nur Daten, sondern versorgt die österreichische Bevölkerung mit allen notwendigen Information zu Erdbeben und erweitert und verbessert dabei stetig seine Angebote.

 

Links

Aktuelle Erdbeben in Österreich 

Stärkste Erdbeben in Österreich

Conrad-Observatorium

Interaktives Tool für Erdbeben-Bemessungswerte

 

Literatur

Conrad, V. 1909. Beschreibung des seismischen Observatoriums der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien. In: Mitteilungen der Erdbeben-Kommision der kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien, Neue Folge, 1900-1912, No. XXXIII, 1-28.

Duma, G., Horn, N., Vogelmann, A., Seismisches Strong-Motion Messnetz in Wien, Projekt-Endbericht, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien, August 1996, 38pp.

Hammerl, Ch. 2001. Die Geschichte der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik 1851–2001, In: Hammerl, Ch., Lenhardt, W., Steinacker, R. und P. Steinhauser (Hg.): Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik 1851 – 2001. 150 Jahre Meteorologie und Geophysik in Österreich, S. 17-297.

Hammerl, Ch., Hofmann, Th. und M. Krenn, 2015. Das Erdbeben von Laibach (Slowenien) am 14. April 1895: Chronologie des Krisenmanagements. In: Jb. Geol. B.-A. Band 155, Heft 1–4, S. 281–296. https://opac.geologie.ac.at/ais312/dokumente/JB1551_281_A.pdf

Lenhardt, W., Melichar, P., Steiner, R., und N. Horn, 2001 Erdbebenstationen in Österreich. In: Christa Hammerl, Wolfgang Lenhardt, Reinhold Steinacker, Peter Steinhauser (Hrsg.): Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik 1851 – 2001. Leykam.

Melichar, P. 1989. Der österreichische Erdbebenwarndienst im Großraum Innsbruck – Hall in Tirol. Festschrift anläßlich der Eröffnung des österreichischen Erdbebenwarndienstes ÖEW Tirol, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Publ. Nr. 330, 5-8.

 

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