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25.02.2022

Wetterlexikon | Vb-Zyklone: wichtiger Niederschlagsbringer und unheilbringender Hochwasserverursacher

Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.

Wetterlexikon | Vb-Zyklone: wichtiger Niederschlagsbringer und unheilbringender Hochwasserverursacher

Autorenschaft: Christian Resch, MSc und Mag. Claudia Riedl, ZAMG Salzburg

Hochwasser können je nach Stärke für gravierende wirtschaftliche Schäden sorgen und auch menschliche Tragödien auslösen. Das Jahrhundert-Hochwasser im August 2002 sorgte in Österreich für Schäden im Bereich von 3 Milliarden Euro und neun Menschen starben. In Deutschland sorgen extreme Wetterereignisse wie Starkniederschläge für 53% der wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen generell. Diese extremen Wetterereignisse werden oftmals durch Tiefdruckgebiete ausgelöst, die in den mittleren Breiten entstehen.

Ziehen Tiefdruckgebiete vom westlichen Mittelmeer über Italien, Österreich und Ungarn nach Polen, spricht man von einer Vb-Wetterlage (gesprochen „Fünf-b"). Vb-Tiefs bringen sehr viel Niederschlag und können somit Hochwasser verursachen. Auch das eingangs erwähnte Hochwasser von 2002 wurde durch ein Vb-Tief ausgelöst, ebenso das Hochwasser vom Juni 2013. Obwohl nur vergleichsweise wenige Tiefdrucksysteme (5%), welche über die obigen Länder ziehen, ebensolche Vb-Tiefs sind, sind sie für 45% der extremen Niederschlagsereignisse in Österreich und der Tschechischen Republik verantwortlich.

Doch was macht nun ein Tiefdrucksystem zu einem Vb-Tief? Und warum sind diese Systeme so viel einflussreicher? Und inwieweit beeinflusst der Klimawandel die Entstehung oder Häufigkeit solcher Vb-Tiefs?

Was sind Vb-Zykole?

Ein Tiefdruckgebiet im Allgemeinen ist ein Bereich der Atmosphäre mit niedrigerem Luftdruck gegenüber der großräumigen Umgebung. Dieser Bereich muss jedoch abgeschlossen sein und der Luftdruck muss vom Zentrum des Bereichs nach außen immer zunehmen. Ein Tiefdrucksystem ist auf der Nordhalbkugel durch eine Umströmung im Gegenuhrzeigersinn (zyklonale Strömung) gezeichnet (umgekehrt auf der Südhalbkugel). Der Name der Vb-Tiefs wurde von Wilhelm Jacob van Bebber bereits 1891 deklariert. Die römische Ziffer V (5) identifiziert hierbei das Entstehungszentrum des Tiefs über dem westlichen Mittelmeer und unterscheidet zum Beispiel von Zyklonen, welche über Frankreich und Spanien nach Norden ziehen (Va) und solchen, welche nach Osten in Richtung Balkan weiterziehen (Vc).

Auftreten

Nach dieser Definition wurden im Zeitraum zwischen 1959 und 2015 insgesamt 557 Vb-Tiefs identifiziert (wie auch in Tabelle 1 ersichtlich). Im Schnitt ergeben sich daraus zwischen neun und zehn Vb-Tiefs pro Jahr. Es zeigt sich auch eine gewisse Saisonalität des Auftretens solcher Vb-Zyklone: In der kälteren Zeit des Jahres, also zwischen September und April, traten Vb-Zyklone öfter auf als in den wärmeren Monaten von Mai bis Oktober.

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Tabelle 1: Klimatologie der Vb-Zyklone im Zeitraum zwischen 1959 und 2015 (Hofstätter und Blöschl, 2019).

Dies erkennt man auch in Abbildung 1: Die blaue Linie zeigt an, wie oft ein Vb-Tief pro Jahr in den Wintermonaten auftritt. Die rote Linie steht für das Auftreten in den Sommermonaten. Daran, dass die blaue Linie für den gesamten Zeitraum über der roten Linie verläuft, erkennt man auch hier den saisonalen Trend.

Die Zahl der Vb-Tiefdruckgebiete schwankt zwar stark, aber in den letzten Jahrzehnten gibt es keinen Trend zu immer mehr oder zu immer weniger Vb-Tiefs. Die 1960er-Jahre brachten überdurchschnittlich viele Wetterlagen dieser Art, die frühen 1990er sehr wenige, aber abseits davon blieb die Zahl bis heute relativ konstant. Dies ist ein durchaus interessantes Verhalten, denn die durchschnittliche Lufttemperatur ist in den letzten Jahrzehnten im Mittelmeerraum deutlich (um rund ein Grad) gestiegen, wodurch eine stärkere Auswirkung auf die Wetterlagen zu erwarten wäre.

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Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf der pro Jahr auftretenden Vb-Zyklone. In Schwarz sieht man die Mittelwerte für die gesamten Jahre. In Rot bzw. Blau sind die durchschnittlichen Auftrittsraten für Sommer bzw. Winter gezeigt. Quelle: Hofstätter und Blöschl, 2019 (Lizenz CC BY 4.0).

Clusterartiges Verhalten

Es konnte durch verschiedene wissenschaftliche Studien gezeigt werden, dass Vb-Zyklone in sogenannten Clustern auftreten. Damit ist gemeint, dass das Auftreten eines Vb-Tiefs die Entstehung weiterer Vb-Tiefs begünstigt und sich somit in der Folge oftmals in zeitlich relativ kurzen Abständen solche Systeme bilden. Dies ist vor allem für die Entstehung von Hochwassern problematisch! Grundsätzlich ist der Boden (sofern nicht verbaut oder versiegelt) sehr aufnahmefähig für Niederschlag bzw. Wasser. Wenn nun zum Beispiel ein kräftiger Regenguss über Salzburg zieht, bedeutet das nicht gleich automatisch Überflutungen der größeren und kleineren Bäche und Flüsse, weil der Großteil des Regenwassers von der Natur und dem Erdboden aufgenommen wird und mit der Zeit versickert. Wird ein Gebiet jedoch wiederholt in kurzen Abständen von starken oder anhaltenden Niederschlägen getroffen, so erreicht der Boden bald die Grenze seiner Aufnahmekapazitäten und auch die fließenden Gewässer erreichen dadurch immer höhere Pegelstände. Hochwasser und Murenabgänge sind die Folge. Dies ist ein typischer Ablauf, der sich auch bei den großen Hochwasser-Ereignissen im August 2002 und 2005 sowie im Juni 2013 gezeigt hat. In Abbildung 2 und 3 ist das Extremereignis vom Juni 2013 in detaillierter Form dargestellt. Man erkennt das bestimmende Vb-Tief über Zentral- und Osteuropa (Abbildung 2). Die damit einhergehenden anhaltenden Niederschläge sind für den 31. Mai und den 2. Juni gezeigt (Abbildung 3).

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Abbildung 2: Bodenkarte vom 30.5.2013. Hier erkennt man das bestimmende Vb-Tief mit Zentrum über Europa. Quelle: ZAMG.

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Abbildung 3: Die Summen der Niederschläge von 24 Stunden für 31.05.2013 und 02.06.2013 Quelle: ZAMG.

Durch diese und weitere Niederschläge kam es dann zu Hochwassern entlang der Salzach und an vielen anderen Orten. Insgesamt waren sieben Länder von den Hochwassern betroffen. In Aschau in Bayern wurden in den 5 Tagen zwischen 30. Mai und 3. Juni 406,6 mm gemessen. Zum Vergleich: In Wien fallen im Durchschnitt ca. 670 mm im ganzen Jahr!

Zusammenhang im hemisphärischen Kontext

Bisher ungeklärt war die Frage, wie die Vb-Tiefdrucktätigkeit mit den großen Wettersystemen der Nordhalbkugel in Zusammenhang steht. Aktuelle Forschungen haben nun ergeben, dass es einen direkten Zusammenhang der Bildung von Vb-Zyklonen mit der Nordatlantischen Oszillation (NAO) und mit der Arktischen Oszillation (AO) gibt. NAO und AO beschreiben die Verteilung und Intensität der Hoch- und Tiefdruckgebiete, die für die Großwetterlagen am Nordatlantik und in Europa verantwortlich sind. Der Index schwankt über Jahre und Jahrzehnte zwischen positiven und negativen Werten. Bei negativem Index der Nordatlantischen Oszillation sind Azorenhoch und Islandtief nur schwach ausgeprägt, wodurch die Westströmung über dem Atlantik weit nach Süden abgelenkt wird und Polarluft bis in den westlichen Mittelmeerraum eindringt. In der Folge entstehen so häufiger Vb-Tiefs. Dieser Zusammenhang zeigt sich sehr gut an der Lage der sogenannten Jetstreams. Das sind Starkwindbänder in der Atmosphäre in einer Höhe von ungefähr 10 km. Entlang dieser Bänder wandern, vereinfacht gesagt, die Hoch- und Tiefdruckgebiete. Zeigen die NAO und die AO einen negativen Index, so kann der normalerweise weiter nördlich gelegene Polarjet weiter nach Süden vordringen, wo er sich mit dem Subtropenjet vereinigen kann. Geschieht dies, entsteht bildlich gesprochen eine direkte Einfahrtsroute für Tiefdruckgebiete in den Mittelmeerraum.

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Abbildung 4: NAAO-Index (Kombination aus NAO und AO). Rot/Blau zeigt positive/negative Oszillationsindizes an. In Gelb werden Phasen markiert, in denen es zu clusterhaften Auftreten von Vb-Tiefs gekommen ist. Quelle: Hofstätter und Blöschl, 2019 (Lizenz CC BY 4.0).

In Abbildung 4 wird der NAAO-Index gezeigt. Dieser ist einfach eine Kombination aus NAO und AO. Die gelb eingefärbten Bereiche zeigen Zeiträume, in denen es zu Vb-Tief-Clustern gekommen ist. Man kann klar erkennen, dass eben diese Phasen mit den negativen Indizes der NAAO zusammenfallen. Es lässt sich also erkennen, dass die Bildung von Vb-Tiefs und speziell das Auftreten von Clustern direkt mit den erwähnten Oszillationen zusammenhängt.

Einfluss des Klimawandels

Der Klimawandel beeinflusst das Wettergeschehen auf der ganzen Erde. Speziell die Hydrologie ganzer Regionen ist von lokalen oder regionalen Wetter- und Klimaereignissen abhängig. In den von den Vb-Tiefs betroffenen Regionen wie unter anderem Österreich, Bayern und auch Oberitalien könnte der klimatologische Zusammenhang entscheidend für den Wasserhaushalt sein. Eine der gravierendsten Folgen des globalen Klimawandels ist, dass sich die durchschnittliche Position des Polarjets weiter in Richtung Norden verschieben und er darüber hinaus geschwächt wird. Dadurch wird es unwahrscheinlicher, dass es zu einer Kopplung von Polarjet und Subtropenjet und somit einer Luftverdichtung kommt, wodurch die Bildung von Vb-Tiefs langfristig benachteiligt wird. Auch wenn diese Tiefdrucksysteme und speziell deren Aufeinanderfolgen in kurzen zeitlichen Abständen (Cluster) zu den erwähnten Katastrophen führen können, so sind sie dennoch in vielen Gebieten ein wesentlicher Faktor für die regelmäßige Versorgung mit Regen und Schneefall.

Andere klimatologische Einflussfaktoren wie etwa die Erhöhung der mittleren Wasser- und Lufttemperatur im Mittelmeerraum brauchen noch weiteres an Forschungsarbeiten. Möglicherweise sind im Falle der Vb-Tiefs die natürlichen internen Antriebe im Klimasystem stärker als die Auswirkungen durch den Klimawandel und die globale Erwärmung.

Weiterführende Information:
M. Hofstätter & G. Blöschl (2019). Vb Cyclones Synchronized with the Arctic‐/North Atlantic Oscillation. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 124, 3259–3278. https://doi.org/10.1029/2018JD029420