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29.10.2021

Wetterlexikon | Übeltäter Hochnebel

Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.

Übeltäter Hochnebel: 20 Tage ohne Wintersonne

Autor: Mag. Andreas Frank 

In Wien gab es im Dezember 2020 fast 70% weniger Sonnenstunden im Vergleich zu einem durchschnittlichen Jahr. Vom 6. bis 25. Dezember 2020 gab es an der Wetterstation auf der Hohen Warte nahezu kein Sonnenschein und der Himmel war in diesen Zeitraum fast immer vollständig bedeckt. Der Grund? Hochnebel!

Hochnebel ist vor allem in der kalten Jahreszeit ein sehr relevantes Wetterphänomen gerade für den Wiener Raum. Nicht selten kommt es Anfang Winter zu Situationen, wo es in Wien kalt und trüb ist, und auf der etwa 50 km entfernten Rax sonnig und mild. Hochnebel wirkt sich nicht nur auf das Gemüt, sondern auch auf die Luftqualität negativ aus. Unter der Nebelschicht sind die Abgase von Verkehr und Heizung quasi gefangen. Hochnebel kann aber auch das Entstehen vom sogenannten Industrieschnee begünstigen. Wie entsteht aber die zähe Nebelsuppe, die Wien manchmal wochenlang im Griff hat? Und vielleicht noch wichtiger: was braucht es, damit sich der Nebel wieder löst?

Bevor wir diese Fragen beantworten können, schauen wir uns an wie Nebel eigentlich entsteht. Nebel besteht, wie eine Wolke, aus kleinen Wassertropfen. Häufig entsteht Nebel durch die nächtliche Abstrahlung von Wärmeenergie. Dadurch kühlt der Boden in der Nacht ab, und folglich fällt auch die Temperatur der Luft knapp darüber. Aufgrund dieser Abkühlung kann die Luft weniger Wasserdampf halten. Dadurch wird die Luft gesättigt, wobei der vorhandene Wasserdampf kondensiert und kleine Nebeltropfen gebildet werden. Da bei dieser Art von Nebel die Abkühlung durch Wärmestrahlung eine wichtige Rolle spielt, spricht man in diesem Fall auch von Strahlungsnebel. Generell begünstigen Wetterlagen mit schwachem Wind die Nebelbildung, vor allem was Strahlungsnebel betrifft. Dieser allgemeine Prozess der Nebelbildung kommt auch in Wien vor. Aber diese Faktoren beziehen sich eher auf das Ausbilden von Bodennebel am Stadtrand, sowie in Donaunähe. Wie kommt es denn nun zum Hochnebel?

Warum verschwindet Wien in der Nebelsuppe? Die klassische Hochnebelsituation

Meist löst sich der Strahlungsnebel im Laufe des Tages wieder auf sobald die Sonne die Luft ausreichend erwärmt. Da wärmere Luft mehr Wasserdampf festhalten kann, lösen sich die Nebeltropfen auf. Mit Einsetzen der Sonneneinstrahlung kann es aber manchmal auch vorkommen, dass die Luft in Bodennähe sich aufwärmt ohne dass sich die Tropfen auflösen und sich langsam und gleichmäßig abhebt. Der Bodennebel geht also quasi in einen Hochnebel über. Das ist aber nur selten der Fall.

In den meisten Fällen entsteht Hochnebel im Wiener Becken aber aus anderen Gründen. Damit sich Hochnebel über Wien ausbildet braucht es gewisse Voraussetzungen:

  • Südostwind (Windrichtung und –stärke)
  • Ausreichend Feuchteangebot (Luftfeuchte)
  • Kleine Partikel in der Luft (Aerosole), welche die Bildung von Nebeltröpfchen erleichtern
  • Die richtige vertikale Schichtung der Lufttemperatur (Inversionswetterlage)

 

Nebel trotz Hochdrucklage: wie der Südostwind Zutaten für den Nebel bringt

Klassische Wetterlagen für die Ausbildung und auch das Bestehen von Hochnebel im Wiener Raum sind sogenannte Hochdruck- oder Hochdruckrandlagen. Das mag auf den ersten Blick paradox klingen – normalerweise assoziieren wir Hochdruckgebiete eher mit schönem Wetter und wolkenlosem Himmel. Warum ist diese Hochdrucklage bei der Entstehung von Hochnebel so wichtig? Ein hoher Luftdruck im Osten oder Südosten von Österreich sorgt für einen Südostwind in Bodennähe. Gerade in der kalten Jahreszeit ist die Entstehung von Hochnebel im Wiener Becken bei Südostwind typisch.

Bei Wind aus südöstlicher Richtung wird vom Neusiedler- und Plattensee zusätzliche Feuchte ins Wiener Becken transportiert, wodurch mehr Wasser für die Bildung der Nebeltropfen zur Verfügung steht. Wie wichtig dieser Prozess ist, zeigt sich vor allem in extrem kalten Wintern, denn sobald der Neusiedlersee von einer Eisschicht überzogen ist und der Nachschub an Luftfeuchtigkeit fehlt, nimmt die Nebel- und Hochnebelwahrscheinlichkeit im Wiener Raum merklich ab!

Aber nicht nur die Zufuhr von feuchter Luft, sondern auch das Aufsteigen der Luft, spielt eine Rolle bei der Entstehung von Hochnebel. Bei der südöstlichen Anströmung des Wienerwaldes wird die Luft gezwungen aufzusteigen, wodurch die Temperatur der Luft abnimmt. Damit wird es deutlich erleichtert, dass sich die Temperatur dem Taupunkt nähert und es zur Kondensation kommt.

Ein weiterer nicht unwesentlicher Faktor für die Tröpfchenbildung sind Aerosole. Sind diese kleinen Partikel wie Feinstaub und Rußteilchen in der Luft vorhanden, können Nebeltröpfchen leichter wachsen. Gerade bei diesem Faktor macht sich wieder der Südostwind als Günstling bemerkbar, denn im Osten und Südosten der Stadt finden sich große Industrieemittenten die unter anderem als Aerosolquelle fungieren.

Ohne Inversion kein Nebel

Aber nicht in jeder Situation mit Wind aus dem Süden oder Südosten entsteht auch Hochnebel im Wiener Raum. Ein weiterer Faktor ist die richtige vertikale Temperaturverteilung, und zwar eine Temperaturumkehr oder Inversion. Normalerweise nimmt die Lufttemperatur mit der Höhe ab. Bergbegeisterten ist dieses Prinzip sicher bekannt: am Gipfel ist es kälter als unten im Tal. In einer Inversion nimmt die Temperatur aber stattdessen mit der Höhe zu und bildet so eine Art Deckel, wodurch der vertikale Austausch von Luft schwieriger wird. In solch einem Fall sammeln sich Aerosole in der unteren Luftschicht an und begünstigen dadurch um ein Vielfaches die Tröpfchenbildung. In der Nacht wird diese Situation nochmal verschärft: Durch die Abkühlung des Bodens kühlt die unterste Luftschicht ebenfalls ab, wodurch sich die Inversion verschärft. Außerdem kann die kältere Luft weniger Wasserdampf festhalten wodurch Nebeltropfen sich leichter bilden können.

Sinkt die Temperatur am Oberrand der kalten Schicht deutlich in den negativen Bereich, so kann es vor allem in der Nähe von Industriebetrieben die Ruß und andere Aerosole ausstoßen und auch knapp stromabwärts davon zur Bildung von Industrieschnee, also der Bildung von kleinen Eisnadeln um die Aerosolpartikel kommen. Es schneit also mitten oder am Rande eines Hochdruckgebiets! Auch die vielen Gasheizungen im Wiener Raum dürften aus dem gleichen Grund mit ihren Feinstaubausstoß die Bildung von Industrieschnee begünstigen. Ein Beispiel ist in Abbilung 1 zu sehen.

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Abbildung 1: Industrieschneefall aus dem Jahr 2016. An der Niederschlagsanalyse (links im Bild) erkennt man sehr schön, dass es nur in wenigen Regionen Wiens schneit. Am Bild rechts erkennt man die Intensität dieses Ereignisses. Quelle: ZAMG.

Vor allem nach einer langen Periode ohne Sonne ist das Ende einer Hochnebelphase erfreulich. Im Wiener Raum spielt dabei starker Wind aus dem Westen eine wichtige Rolle, denn durch kräftigen Westwind, zum Beispiel im Zuge eines Kaltfrontdurchgangs, wird die bodennahe Inversion zerstört. Ohne diese vertikale Temperaturumkehrung sind Aerosole und Feuchte nicht länger unter einem Deckel gefangen und der Nebel kann sich leicht auflösen. Das Einmischen von trockener Luft im Zuge des Frontdurchgangs begünstigt diesen Effekt.

Werkzeuge für die Nebelvorhersage – eine Fallstudie

Soviel zur Theorie – wie funktioniert die Hochnebelprognose in der Praxis? Welche Werkzeuge haben Meteorologinnen und Meteorologen für die Hochnebelvorhersage? Und vielleicht noch wichtiger: Woher wissen sie, wann sich die Nebeldecke auflösen wird?  Das schauen wir uns für die Situation vom 21.1.2020 bis zum 22.1.2020, wo Wien unter einer dicken Hochnebeldecke verschwand und sich diese dann wieder auflöste, genauer an. Auf den Webcambildern für den 20. bis zum 22. Jänner 2020 ist deutlich zu erkennen wie sich der Nebel ausbildet und auch fast am Boden aufliegt und am Folgetag wieder aufgelöst wird.

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Abbildung 2: Webcambilder vom Wetterturm der ZAMG Wien mit Blick über Wien. Quelle: www.wetterkamera.at.

Wie kam es dazu? Anhand der Bodenwetterkarte für den Morgen des 21.1.2020, worauf die Luftdruckverteilung, die Hoch- und Tiefdruckgebiete sowie die Wetterfronten über einem Satellitenbild der Bewölkung eingezeichnet sind (Abbildung 3) ist zu sehen, dass sich eine Hochdruckbrücke vom Ärmelkanal bis zum Schwarzen Meer erstreckt. Durch hohen Luftdruck über Osteuropa oder dem Balkan entsteht allmählich ein Südostwind, der - wie wir oben gesehen haben - die Entstehung von Hochnebel im Wiener Becken begünstigt.

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Abbildung 3: Wetterkarte für den Morgen von 21.1.2020 mit Hoch- und Tiefdruckgebieten sowie Wetterfronten und hinterlegtem Satellitenbild. Quelle: ZAMG.

Nicht nur die Windrichtung, auch die Windstärke ist ein entscheidender Faktor was die Hochnebelprognose betrifft, denn nur bei schwachen Windverhältnissen kann sich der Nebel bilden. Um das zu veranschaulichen sind in Abbildung 4 vier Zeitpunkte während der Hochnebelepisode um den 21./22.1.2020 zu sehen. Im Bild links oben ist der Beginn der Hochnebelphase am 21.1. rund um Mitternacht zu sehen. Im Wiener Becken herrschten zu diesem Zeitpunkt windschwache Verhältnisse, und der Wind kommt nicht vorherrschend aus einer bestimmten Richtung. Im Laufe des Tages am 21.1. (oben rechts) zeigen die Windpfeile aus Richtung Süd- Südosten: es stellt sich allmählich ein Süd- bis Südostwind ein, und der Hochnebel entwickelt sich aufgrund der zugeführten Luftfeuchte sowie der Inversionslage. In der Nacht auf 22.1. (drittes Bild - links unten) ist bereits schwacher Westwind anzutreffen und am letzten Plot bläst kräftiger Westwind (zu erkennen an den grünen Farben) im Wiener Raum mit Spitzen um 50km/h. Kräftiger Westwind, wie wir ihn am Ende der Abbildung 4 sehen, zerstört die bodennahe Inversion und damit dann auch den Hochnebel.

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Abbildung 4: Prognose der Windspitzen aus einem Wettermodell des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen für vier verschiedene Zeitpunkte während der Nebelepisode. Die Pfeile kennzeichnen die Windrichtung (siehe Text), die Einfärbung zeigt die Windstärke an. Wien befindet sich im grauen Viereck. Quelle: ZAMG.

Woher wissen die Meteorologinnen und Meteorologen aber, ob es eine Umkehrung der vertikalen Temperaturschichtung, diese sogenannte Inversion, gibt? Um eine Inversion erkennen zu können stehen neben Informationen aus den Wettermodellen auch Radiosondenaufstiege zur Verfügung. Mit diesem Messinstrument, das an einem Wetterballon aufsteigt, können Luftfeuchte, Temperatur und ihre vertikale Struktur bis in einer Höhe von ca. 30 km bestimmt werden. An der ZAMG in Wien finden solche Aufstiege mindestens zwei Mal am Tag statt. Die Ergebnisse der Radiosondenaufstiege am 21. und 22.1.2020 sind in Abbildung 5 dargestellt.

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Abbildung 5. Ergebnisse der Radiosondenaufstiege von Wien Hohe Warte für vier verschiedene Zeitpunkte während der Nebelepisode. Die dicke schwarze Linie stellt die Temperaturverteilung mit der Höhe dar, die schwarz-punktierte Linie links daneben die Feuchteverteilung. Die Inversion ist mit einem roten Kreis markiert.

In Abbildung 5 erkennt man am vertikalen Profil von Temperatur und Feuchte von vier aufeinanderfolgenden Aufstiegen sehr schön, wie sich so eine Inversion langsam bildet, dann deutlich verschärft und am Ende, meist  durch Drehen des Windes auf West im Wiener Raum, wieder abgebaut wird. Gemeinsam mit den Windprognosen kann mit diesen Radiosondenaufstiegen eine Abschätzung der Hochnebelbeständigkeit gemacht werden.

Treffen sich die Kurven von Temperatur und Feuchte, dann kommt es zur Kondensation und genau in dieser Höhe bildet sich dann der Hochnebel aus. Da die Hochnebeldecke in klaren, windschwachen Nächten vom oberen Rand der Nebeldecke Energie in den Weltraum abstrahlt, kühlt sich die Luft darunter weiter ab und die Inversion wird verstärkt. So kommt es im Winter nicht selten vor, dass es in der Inversionsschicht unangenehm kalt ist. Vor allem der beißend-kalte Südostwind als Begleiterscheinung des Hochnebels ist sicherlich schon Vielen im Großraum Wien als unangenehm aufgefallen.

Um eine Einschätzung über die Dicke des Nebels bzw. Hochnebels zu erlangen, sind neben den Radiosondenaufstiegen auch Webcams als Unterstützung eine große Hilfe für Meteorologen. Diese helfen zwar nicht bei der Prognose für die kommenden Stunden und Tage, geben aber ein reales Bild der aktuellen Situation wieder. Im Wiener Raum gibt es davon jede Menge und je nach Situation ist die eine oder andere besser geeignet. In diesem Fall haben wir uns die Bilder von der ZAMG Webcam angeschaut, die weiter oben zu sehen sind. Sie zeigen recht schön das Nebel- und Hochnebelgeschehen bei unserer Fallstudie um den 21.1.2020 herum.