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19.11.2021

Wetterlexikon | Schneefall: Wie stark kann es schneien?

Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.

Schneefall: Wie stark kann es schneien? 

Autor: Mag. Gerhard Hohenwarter, ZAMG Klagenfurt

Schneefall ist wohl der Inbegriff von Winterwetter und es gibt nur wenige Menschen, die sich der Faszination dieses Wetterereignisses entziehen können. Hier soll diesem faszinierenden Wetterphänomen auf den Grund gegangen werden.

Wie entsteht eigentlich Schnee?

Schneeflocken entstehen dann, wenn genügend Feuchtigkeit, ausreichend tiefe Temperaturen sowie das Vorhandensein von Aerosolen (Kleinstteilchen) zeitgleich auftreten. Damit sich eine Schneeflocke bildet braucht es einmal einen sogenannten Kristallisationskeim. Das sind Kleinstteilchen (meist feinste Salz- oder Staubpartikel). An diesen kleinen Partikeln können unterkühlte Wassertröpfchen anfrieren. Dies passiert im Regelfall jedoch erst bei Temperaturen unter -12 °C.

Enthält die Luft ausreichend viele Kristallisationskeime, beträgt die Luftfeuchtigkeit rund 100% und liegt die Lufttemperatur unter -12°C können sich winzig kleine Eiskristalle bilden. Durch die Schwerkraft beginnen die Kristalle zu fallen. Am Weg durch die Atmosphäre nach unten frieren weitere Wassertröpfchen am Eiskristall fest. Dieser wird immer größer und es bildet sich die bekannte sechseckige Form der Schneeflocke. Je nach Lufttemperatur unterscheiden sich die Schneeflocken in ihrem Aussehen markant. Die sechseckige Grundstruktur bleibt jedoch erhalten.

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Starkschneefall mit 10cm pro Stunde am 31.1.2014 in Villach. Foto: ZAMG/G. Hohenwarter.

Schneit es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, ergibt ein Millimeter Niederschlag rund einen Zentimeter Neuschnee. Schneit es bei positiven Temperaturen dann braucht es teils zwei bis drei Millimeter Niederschlag, damit sich ein Zentimeter Neuschnee ausgeht. Bei deutlich frostigen Temperaturen kann sich dieses Verhältnis massiv verändern, sodass ein Millimeter Niederschlag bis zu drei oder vier Zentimeter Neuschnee ergeben kann. Da kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme Luft fallen die Niederschlagsmengen bei tiefen Temperaturen im Regelfall jedoch deutlich geringer aus. Die stärksten Schneefälle erlebt man demnach bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Je pulvriger der Schnee (Pulverschnee: trockener, lockerer sowie durch den hohen Anteil von Luft leichter Neuschnee (Dichte < 60 kg/m3) mit noch erkennbarer Kristallstruktur) ist, desto rascher nimmt die Schneehöhe aber ab, wenn es wieder wärmer wird. Denn wie lange es dauert um eine Schneedecke zu schmelzen, hängt von der Masse in der Schneedecke ab. Je mehr Niederschlag in Form von Schnee fällt, desto mehr Energie braucht es, um den Schnee wieder zu schmelzen.

Aber wie stark kann es schneien?

Wieviel Zentimeter Neuschnee pro Stunde als starker Schneefall gelten, hängt in Österreich sehr stark davon ab, in welcher Region man sich befindet. Grundsätzlich kann man festhalten, dass die stärksten Schneefälle in Österreich südlich des Alpenhauptkamms und hier besonders in Osttirol und Oberkärnten auftreten.

Durch die geografische Nähe zum Mittelmeer wird bei Südströmung sehr feuchte Luft an die Alpen herangeführt. Entlang der südlichen Gebirgsgruppen wie den Karnischen Alpen wird diese Luft gestaut und gehoben. Dieser Prozess führt zu einer weiteren Verstärkung der Niederschläge (eine Erklärung gibt es im Wetterlexikoneintrag ‚Stauwetterlagen: Auch beim Wetter gibt es Stau‘). Ist es auch kalt genug, dann kann es gerade im südlichen Osttirol sowie im angrenzenden Kärnten extrem stark schneien.

Das stärkste dokumentierte Schneefallereignis der letzten 130 Jahre trat am 9.1.1917 auf. Damals fielen im Lesachtal binnen 24 Stunden 160cm Neuschnee! Auch am 31.1.1986 schneite es im Süden Osttirols sowie im angrenzenden Kärnten extrem stark und es wurden verbreitet Neuschneemengen um bzw. knapp über 100cm gemessen. Der Wetterbeobachter in Sillian dokumentierte sogar 170cm Neuschnee binnen eines Tages. Dieser Wert liegt jedoch deutlich über allen umliegenden Beobachtung und muss somit kritisch hinterfragt werden.

Nach der Jahrtausendwende schneite es z.B. am 31.1.2014 sehr stark. Am Weißensee kamen innerhalb von 24h knapp über 100cm Neuschnee zusammen.

Aber auch in den klassischen Nordstauregionen, wie dem Arlberg und der Dachsteinregion, kann es teils über Tage hinweg anhaltend und stark schneien. Selbst im Ausseerland sind dann, wie z.B. Anfang Februar 2005 binnen weniger Tage 1 bis 2 Meter Neuschnee möglich.

Nicht zu vernachlässigen ist schließlich die Grenzregion zwischen Niederösterreich und der Steiermark. So fielen dort z.B. Ende April 2017 binnen eines Tages um die 100cm Neuschnee. An der Messstation des Hydrografischen Dienstes in Neuhaus am Zellrain waren es sogar 130cm!

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Schneemassen im Winter 2020/2021 im Lesachtal. Foto: J. Salcher.

In den Landeshauptstädten liegen die größten Neuschneemengen deutlich unter der ein Meter Marke. Aber immerhin sind in Bregenz, Innsbruck, Klagenfurt oder auch St. Pölten und Wien bei extremen Lagen Neuschneemengen um 50cm möglich. In Linz oder Eisenstadt sind hingegen 30cm schon ein absolutes Ausnahmeereignis. Graz und Salzburg liegen mit knapp über 40cm dazwischen.

Das Absinken der Schneefallgrenze im Zusammenhang mit Starkniederschlägen

Als Besonderheit bei sehr kräftigen Niederschlagsereignissen gibt es noch das Phänomen der absinkenden Schneefallgrenze. Diese meteorologische Besonderheit tritt besonders in Oberkärnten und Osttirol aber manchmal auch in den inneralpinen Lagen Nordtirols oder Salzburgs auf.

Beim Einsetzen der Niederschläge liegt die Schneefallgrenze dabei oft noch deutlich über dem Talboden. Fallen die Niederschläge nun kräftig aus, was besonders bei Südstaulagen oftmals passiert, benötigt die Atmosphäre viel Energie um den Schnee zu schmelzen. Der „Energieverlust“ macht sich durch sinkende Lufttemperaturen bemerkbar. Dies sorgt wiederum dafür, dass es weiter herunter schneien kann. Der abkühlende Effekt durch das Schmelzen des Schnees funktioniert dann besonders gut, wenn es stark schneit, wenig Wind weht und die Schneefallgrenze schon deutlich unterhalb der umliegenden Bergkämme liegt. Passen diese Zutaten zusammen, kann die Schneefallgrenze um bis zu 1000m unter der 0°C-Grenze liegen.

Steigt die Schneefallgrenze jedoch über das umliegende Kammniveau an oder frischt der Wind kräftig auf, gibt es praktisch kaum mehr eine Chance, dass es ohne eine Abkühlung der Luftmassen nochmals bis in die Täler hinunter schneit.

Fallstudie: Das bisher stärkste Niederschlagsereignis im klimatologischen Winter

Wann es den meisten Neuschnee in den Tälern gab, haben wir schon abgehandelt. Aber wann trat das absolut stärkste Niederschlagsereignis in Österreich von Dezember bis Februar, also im klimatologischen Winter, auf?

Das ist gar nicht lange her, denn im Dezember 2020 sorgte eine kräftige Südströmung für extrem starke Niederschläge in Osttirol und Oberkärnten. Ganz besonders stark fielen Schneefall und Regen im Lesachtal aus. An der ZAMG Messstation in Kornat im Lesachtal (990m Seehöhe) fielen binnen 24h unglaubliche 190 mm an Niederschlag. Damit zählt dieses Niederschlagsereignis zu den stärksten, die jemals von der ZAMG in Österreich gemessen wurden. Selbst im Sommerhalbjahr finden sich in der Messgeschichte nur eine handvoll Tage, an denen es ähnlich fiel oder noch mehr Niederschlag gab, als am 5.12.2020 in Kornat.

Das gesamte Niederschlagsereignis dauerte mit einer kurzen Pause am Morgen des 6.12.2020 vom 4.12.2020 nachmittags bis zum 7.12.2020 abends. In Summe wurden an der Wetterstation Kornat in dieser Zeit 373,6 mm registriert (Abbildung 1).

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Abbildung 1: Stündliche Niederschlagsmengen (rechte Achse) und Windspitzen (linke Achse) in Kornat sowie der Temperaturverlauf (linke Achse) in Kornat (990m) und auf dem Dobratsch, Villacher Alpe (2120m). Quelle: ZAMG.

Die maximale 24h-Niederschlagssumme lag wie erwähnt bei 190 mm und die maximale Stundensumme erreichte noch immer für den Winter beeindruckende 11,1 mm. Das entspricht rund 10cm Neuschnee pro Stunde!

Zu Beginn des Niederschlagsereignisses war es noch in allen Höhenlagen frostig (Kornat auf 990m und Dobratsch auf rund 2120m jeweils um -5°C). Im Laufe des Schneefallereignisses wurde es in allen Höhenlagen langsam wärmer. Obwohl die Lufttemperatur am Dobratsch bis zum Abend des 5. Dezembers auf rund -1,5°C stieg, blieb es im 1000m tiefer gelegenen Lesachtal aufgrund der hohen Niederschlagsraten bei 0°C und Schneefall. Normalerweise nimmt die Temperatur in feuchter Luft pro 100 Höhenmeter um rund 0,6°C zu. Wäre der Schneefall nicht so stark ausgefallen, hätte es im Lesachtal also +4,5°C gehabt. Erst mit Auffrischen des Windes stieg die Lufttemperatur im Tal und damit die Schneefallgrenze markant an. Obwohl die Niederschläge sogar noch an Stärke zunahmen und die Lufttemperatur in der Höhe nicht mehr nennenswert anstieg, ging der Schneefall im Tal in Regen über.

Wie bereits oben beim Absinken der Schneefallgrenze im Zusammenhang mit Starkniederschlägen erwähnt, ist der Wind ein ganz entscheidender Faktor. Denn auffrischender Wind sorgt für eine Durchmischung und damit für eine Erwärmung der Atmosphäre. Dadurch kann die Schneefallgrenze sprunghaft ansteigen.

Hatte der starke Schneefall von 4. auf 5. Dezember 2020 in Kornat noch rund 80cm Neuschnee gebracht, sorgte der auffrischende Wind für einen Anstieg der Schneefallgrenze um mehrere hundert Höhenmeter. Durch den Regeneintrag nahm die Schneehöhe bis zum Morgen des 5.12.2020 von fast 100cm auf nur mehr etwas mehr als 40cm wieder markant ab (siehe Abbildung 2).

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Abbildung 2: Stündlich gemessene Gesamtschneehöhen (rechte Achse) und Windspitzen (linke Achse) an der Wetterstation in Kornat sowie Temperaturverlauf (linke Achse) in Kornat (990m) und auf dem Dobratsch (Villacher Alpe, 2120m) für den Zeitraum 4.12.2020 7h (ganz links) bis 8.12.2020 7h (ganz rechts). Quelle: ZAMG.

Erst am Morgen des 5. Dezembers ließ der Wind wieder deutlich nach. Ohne eine nennenswerte Abkühlung in der Höhe kam es durch die anhaltend starken Niederschläge wieder zu einem Absinken der Schneefallgrenze bis ins Tal und einem neuerlich kräftigen Neuschneezuwachs von rund 50cm in den folgenden 12 Stunden.

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ZAMG Wetterstation Kornat am 8.1.2021; Schneehöhe 166cm. Foto: J. Huber.

Das Zusammenspiel von 0°C- Grenze, Niederschlagsintensität und Windverhältnissen stellt die Meteorologen auch heutzutage bei der Prognose der Schneefallgrenzen und der Neuschneemengen vor große Herausforderungen. Geringfügige Änderungen der einzelnen meteorologischen Größen können, wie man im Fallbeispiel eindrücklich sieht, zu sehr großen Veränderung der Schneefallgrenze und damit auch der Neuschneemenge führen.