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22.09.2021

135 Jahre Messungen am Sonnblick, 100 Jahre am Dobratsch

135 Jahre Messungen am Sonnblick, 100 Jahre am Dobratsch

©ZAMG

Wertvolle Daten für Wettervorhersage, Klimaforschung und viele Anwendungen. Unter den längsten Klimareihen weltweit. Bereits 1851 am Hochobir erste Gebirgswetterstation der Österreichisch-Ungarischen Monarchie.

Am Freitag, 24. September 2021, Generalversammlung des Sonnblickvereins mit Verabschiedung von Lug Rasser und Herbert Tannerberger nach jeweils rund 40 Jahren Dienst.

Am Samstag, 25. September 2021, Tag der offenen Tür und Führungen bei der Wetterhütte am Dobratsch.

Vor 100 Jahren wurde auf dem Gipfel des Dobratsch (Kärnten) eine Wetter- und Klimastation errichtet. Die Zusammenführung der Messreihen vom Dobratsch und den homogenisierten Daten der ersten Gebirgswetterstation der Österreichisch-Ungarischen Monarchie auf dem Hochobir (seit 1851) bildet die längste durchgehende Gebirgsmessreihe der Ostalpen und ermöglicht einen Blick 170 Jahre zurück bis ins Gründungsjahr der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (der heutigen ZAMG).

Daten seit der kleinen Eiszeit

„In dieser Messreihe spiegelt sich die gesamte Erwärmungsphase vom Ende der Kleinen Eiszeit bis zum aktuellen Zeitpunkt, der vom Klimawandel und dem damit verbundenen markanten Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten geprägt ist“, sagt Christian Stefan, Leiter der ZAMG Kärnten. „2015 war am Dobratsch mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 2,4 °C das wärmste Jahr dieser 170 Jahre langen Messreihe.“

Schwieriger Beginn

Die Bedeutung von Höhen- und Gipfelstationen für das Verständnis der Vorgänge in der Atmosphäre wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erkannt. Im August 1876 wurden (neben dem Hochobir seit 1851) erstmals auch auf dem Dobratsch regelmäßig Temperaturmessungen vorgenommen. Am 9. Juli 1921 ging schließlich auf Anregung des Villacher Alpenvereins auf dem Gipfel des Dobratsch in 2166 Meter Seehöhe eine meteorologische Beobachtungsstation in Betrieb.

Nach Anfangsschwierigkeiten mit unterbrochenen Telefonleitungen ins Tal nach Bad Bleiberg, fehlender Einschulung und teils unzureichendem Instrumentarium verbesserten sich die Aufzeichnungen mit den Jahren laufend. In den 1930er Jahren erfolgte die Übernahme der Station durch den Sonnblickverein. Es folgte eine Neuausstattung mit Instrumenten und 1934 der Bau eines Windschreiberhäuschens mit mechanischer Aufzeichnung der Windrichtung und Windgeschwindigkeit. Mit der Übersiedelung in den 1971 neu errichteten ORF-Sendeturm, dem damit verbundenen Strom- und Telefonanschluss und der leichteren Erreichbarkeit durch die Seilbahn verbesserten sich die Bedingungen für die Wetterwarte schlagartig.

Die Messungen bis heute

1994 wurde eine automatische Messstation auf einem Gittermast am Grat errichtet. Temperatur und Feuchtigkeit, Sonnenscheindauer und Globalstrahlung, Niederschlag sowie Luftdruck werden hier rund um die Uhr registriert. Seit 2012 wird der Wind ungestört von Geländeeinflüssen auf der Mastspitze des Sendeturms in 165 Meter Höhe über Grund gemessen.

Aufgrund der teils extremen Witterung im Hochgebirge ist eine Parallelmessung durch Beobachter und eine gute Betreuung der automatischen Messsysteme unerlässlich, um qualitativ hochwertige Daten zu erfassen. Zusätzliche Informationen wie Sichtweite, Bewölkungsart und -menge, Gesamt- und Neuschneehöhe sind wichtige Daten, die die Beobachter erfassen, die sich im Zweiwochenintervall am Berg abwechseln und so eine lückenlose Vergleichsreihe fortsetzen.

Gerade in Hinblick auf den Klimawandel sind solche Daten von größtem Wert. Aber auch für die Beurteilung der klimatischen Verhältnisse im Gebirge wie Schneelasten, Windkräfte und Vereisung werden wichtige Basisdaten erhoben, die Grundlagen für Bemessungen und diverse Gutachten darstellen.

Tag der offenen Tür am Dobratsch

Am Samstag, 25. September 2021, lädt die ZAMG von 10 bis 15 Uhr zum Tag der offenen (Wetterhütten-)Tür am Dobratsch ein. „Die Prognose lässt herrliches Bergwetter erwarten“, sagt der Leiter der ZAMG Kärnten Christian Stefan. „Wir freuen uns, allen Interessierten zu zeigen, wie und wo gemessen wird und zu erklären, was mit diesen Daten geschieht.“

Sonnblick: eine verwegene Idee wurde Realität

Ein visionärer Wissenschaftler und ein an der Natur interessierter Geschäftsmann legten die Basis, dass aus einer scheinbar absurden Idee eine wissenschaftliche Erfolgsgeschichte mit weltweiter Bedeutung wurde: eine meteorologische Messstation am frei stehenden Gipfel des Hohen Sonnblicks, in 3106 Meter Seehöhe.

Julius Hann war von 1877 bis 1897 Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und forcierte den Ausbau von Gebirgswetterstationen zur Erforschung der höheren Luftschichten. Ignaz Rojacher war Besitzer eines Goldbergwerkes in Rauris und unterstützte die Errichtung des Observatoriums tatkräftig.

Das Material wurde mit improvisierten Seilzügen und teilweise zu Fuß auf den Gipfel gebracht. Die Eröffnung des Sonnblick-Observatoriums fand am 2. September 1886 statt.

Jährlich rund 40 nationale und internationale Forschungsprojekte

In den letzten Jahrzehnten machten die ganzjährige Betreuung und die einzigartige Lage sowie der unermüdliche Einsatz vieler Menschen das Sonnblick-Observatorium zu einem nationalen und internationalen Kompetenzzentrum zur Erforschung von Atmosphäre, Eis und Biosphäre. „Jedes Jahr ist das Observatorium Teil von rund 40 Forschungsprojekten“, sagt die Leiterin des Observatoriums Elke Ludewig. „Aus dem anfangs rein meteorologischen Observatorium ist ein bei nationalen und internationalen Universitäten und Forschungseinrichtungen gefragter Standort geworden. Das bringt zahlreiche Synergien. So werden zum Beispiel die Messungen der UV-Strahlungen auch in Projekten der Biologie und Medizin verwendet. Das Sonnblick-Observatorium schlägt auch eine Brücke von der Grundlagenforschung zu anwendungsorientierter Forschung. Beispielsweise gehen die hier erhobenen Daten und Ergebnisse in das Erstellen von Klimaszenarien für die nächsten Jahrzehnte in Österreich und Europa ein.“

Sonnblick-Betreuer: Techniker, Alpinisten und Forschungsmitarbeiter

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Arbeitsbild am Sonnblick massiv gewandelt. Heute sind jeweils zwei Techniker der ZAMG durchgehend 15 Tage am Observatorium im Dienst. Sie garantieren, dass hier alle Messgeräte der nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen korrekt messen und nicht etwa durch Vereisung oder Reif funktionslos werden. Weiters nehmen die Techniker Proben für Forschungsprojekte (Luft, Schnee, etc.) und liefern Informationen, die messtechnisch unter diesen extremen Bedingungen nicht oder nur unzureichend automatisch gemessen werden können (Wolkenart, Sichtweite, Reifansatz, etc.).

Nach rund 40 Jahren: zwei Legenden gehen in den Ruhestand

Bei der Generalversammlung des Sonnblickvereins am 24. September 2021 werden die Sonnblicktechniker Lug Rasser und Herbert Tannerberger in den Ruhestand verabschiedet. Lug Rasser war von 1. Dezember 1980 bis 30. April 2021 Techniker am Sonnblick-Observatorium. Herbert Tannerberger begann am 1. Mai 1983 und beendet am 31. Oktober 2021 seine Laufbahn als Techniker am Sonnblick und an der ZAMG Salzburg. Vor ihnen war noch niemand so lange im Dienst für das Sonnblick Observatorium.

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Die Wetterstation der ZAMG am Dobratsch in 2166 Meter Seehöhe: Messungen seit 100 Jahren. Bild: ZAMG ->volle Auflösung

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Seit 100 Jahren Messungen unter extremen Bedingungen: Die Wetterstation der ZAMG am Dobratsch in 2166 Meter Seehöhe.: Bild: ZAMG ->volle Auflösung

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Die renovierte historische Windschreiberhütte am Dobratsch in 2166 Meter Seehöhe: Bild: ZAMG ->volle Auflösung

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Messungen seit 135 Jahren: Das Sonnblick Observatorium der ZAMG in 3106 Meter Seehöhe in den Hohen Tauern (Salzburg). Bild: ZAMG/Scheer ->volle Auflösung

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