Geophysik / News / Vor 80 Jahren - Das Erdbeben von Obdach am 3. Oktober 1936

03.10.2016

Vor 80 Jahren - Das Erdbeben von Obdach am 3. Oktober 1936

Am 3. Oktober 1936 erschütterte um 16:48 Uhr MEZ ein heftiges Erdbeben weite Teile Österreichs. Das Epizentrum (47,07°N, 14,70°O) lag im Bereich Obdach-Reichenfels-St. Leonhard an der Grenze von der Steiermark zu Kärnten und wies eine Intensität von 7 Grad (EMS-98) der 12-stufigen Europäischen Makroseismischen Skala (EMS-98) auf.

Mit einer Magnitude von 5,0 gehört dieses Beben zu den neun stärksten Beben, die in Österreich seit dem Jahr 1900 gemessen wurden. Die Bodenbewegungen waren so stark, dass die schreibenden Nadeln des Seismographen in Graz abgeworfen wurden. Auf der Hohen Warte in Wien wurde das Beben vollständig registriert, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. Die helle Seismogrammspur ist nur schwach erkennbar, da zu dieser Zeit nicht Tinte die Bodenbewegungen sichtbar machte. Dabei wurde eine Schreibnadel auf berußtem Papier über eine rotierende Registriertrommel bewegt und so eine feine Spur eingekratzt.  

Vor 80 Jahren - Das Erdbeben von Obdach am 3. Oktober 1936

Abbildung 1: Registrierung des Obdacher Bebens am Wiechert-Seismographen auf der Hohen Warte in Wien (ZAMG).

 

Beachtliche Schadenswirkung

Die größten Schäden verursachte das Beben in Obdach selbst, wo die meisten der damals 140 Bauobjekte beschädigt wurden. So entstanden zum Beispiel an der schneebedeckten Spitalskirche tiefe Risse (siehe Abb. 2 links). Giebelmauern und Dacherker wurden zum Einsturz gebracht. Auch drei Personen wurden durch herabstürzende Bauteile verletzt.

In Reichenfels – auf der Kärntner Seite des Obdacher Sattels – blieb kein Haus unbeschädigt, fast alle Schornsteine wurden zerstört oder so weit beschädigt, dass sie abgetragen werden mussten. Auch etwas nördlich davon, in Judenburg führte das Beben zu Schäden. Umgestürzte Schornsteine und herabgefallene Dachziegel prägten das Bild der Stadt (Hammerl, Lenhardt 1997). Der Eckturm des Weyer-Schlosses wies Mauerrisse und abgebröckelte Verputzteile sowie Schäden am Dach auf, wie in Abb. 2 (rechts) zu erkennen ist.

Vor 80 Jahren - Das Erdbeben von Obdach am 3. Oktober 1936

Abbildung 2: Durch das Obdacher Beben (1936) verursachte Gebäudeschäden an der Spitalskirche in Obdach (Toperczer, 1936; Styriabote) und am Eckturm des Weyer-Schlosses in Judenburg

Aus dem Bergbau Ostfeld bei St. Stefan wurde gemeldet, dass sich Schienen untertage bewegt und verschoben hätten. Im Schloss Ehrenfels stürzte der Südtrakt vom Parterre bis zum zweiten Stock ein. Bemerkenswert waren auch die Auswirkungen am Klipitzthörl, wo Steinschlag und Felssturz beobachtet wurden. Schloss Liechtenstein bei Murdorf meldete eine Wahrnehmung, wonach Grundwasser aus dem Boden durch Ablaufrohre hinauf gepresst worden sei. Auch in Unzmarkt wurde noch am Folgetag von Quellentrübung berichtet (nach Toperczer, 1936; Akademie d. W.).

Übersichtskarte der Verbreitung des Erdbebens vom 3. Oktober 1936

Das Fühlbarkeitgebiet und das Schadensausmaß wurden im Bericht der Akademie der Wissenschaften in Wien von Max Toperczer (1899-1984) beschrieben. Er leitete den ersten Lehrstuhl für Geophysik an der Universität Wien sowie die Abteilung Geophysik der ZAMG (siehe Abb. 3).

Vor 80 Jahren - Das Erdbeben von Obdach am 3. Oktober 1936 Abbildung 3: Max Toperczer (1899-1984)

Dem Obdacher Beben wurde infolge von brieflichen Fragebogenerhebungen eine Intensität von 7 Grad (EMS-98) zugewiesen (überarbeitet durch Hammerl, 2002). Das Fühlbarkeitsgebiet reichte im Norden bis Eggenburg, im Westen bis ins Gasteiner Tal, im Süden bis Laibach und im Osten bis Güssing im Burgenland. Auch in Wien wurde das Beben deutlich verspürt. Die Gesamtfläche des fühlbar erschütterten Gebietes wurde mit etwa 70.000 km2 veranschlagt.

In Abbildung 4 ist eine Isoseistenkarte dargestellt, die im Jahr 1936 vom Erdbebendienst der ZAMG angefertigt wurde. Isoseisten bezeichnen Linien gleicher Intensität, die erlauben, Gebiete unterschiedlichen Schadens- oder Fühlbarkeitsausmaßes voneinander abzugrenzen.

Die 7 Grad Isoseiste, also die Zone der stärksten Auswirkungen, beläuft sich auf einen schmalen Streifen von etwa 60 km Länge in NW-SO Richtung, der den Bruchverlauf im Untergrund widerspiegelt. Die Ursache für dieses heftige Beben liegt im Zusammenhang mit einem NNW-SSE streichenden Störungssystem, die für die Verkürzung zwischen dem europäischen Vorland und der Adriatischen Platte verantwortlich ist. Die Obdacher Störungszone bildet den Übergang von den seismisch aktiven Zonen des Oberen Murtals ins Lavanttal, das ebenfalls von den Erschütterungen stark betroffen war.

Südlich der Donau liegt ein großes Gebiet ohne Fühlbarkeitsmeldungen (schraffierter Bereich in Abb. 5), während im Bereich des südlichen Wiener Beckens und in der nördlichen Molassezone (Wels-St. Pölten)  die Erschütterungen des Untergrundes deutlich verspürt wurden, was auf ein Mitschwingen der entfernten Sedimentschichten hindeutet.

Vor 80 Jahren - Das Erdbeben von Obdach am 3. Oktober 1936

Abbildung 4: Isoseistenkarte zur Abgrenzung des Schadens- oder Fühlbarkeitsausmaßes.
Intensitäten nach EMS-98.

 

Projekt Erdbebengefährdung

Intensitätskarten werden auch heute vom Erdbebendienst an der ZAMG für jedes stärkere Beben erstellt. Im Zuge des Projektes „Erdbebengefährdung“ mit einer Gesamtlaufzeit von fünf Jahren (2015-2019) sollen sogenannte Shakemaps für die Website der ZAMG erstellt werden, die mittels laufend eintreffender Erdbebenmeldungen via Online-Formular regelmäßig aktualisiert werden, um eine rasche Abschätzung der von einem Beben erzeugten Bodenbewegung und den damit verbundenen Auswirkungen liefern zu können. Damit sind eine unmittelbare Information der Bevölkerung und eine Unterstützung des Krisenmanagements über die Auswirkungen nach starken Beben beinahe in Echtzeit möglich.

 

Quellen:

Hammerl C. und W. A. Lenhardt. 1997. Erdbeben in Österreich Leykam Verlag (1997).

Hammerl C. 2002. Erdbebengefahr in der Steiermark – Erfassung der Erdbebengefahr in der Steiermark mit Hilfe neu errichteter Erdbebenstationen und allen verfügbaren Quellen sämtlicher historischer Erdbeben, StC 62/98, GZ-ZAMG 1355/98, Wien.

Heritsch F. 1936. Das Erdbeben von Obdach-Reichenfels am 3. Oktober 1936. Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereines für Steiermark 73 (1936), p33-37, ISSN: 0369-1136.

Toperczer M. 1936. Das Obdacher Erdbeben vom 3. Oktober 1936. Styriabote – Werkszeitung der Blech- und Eisenwerke Styria A.G. Wasendorf, November 1936, Heft 5 (69-73).

Toperczer M. 1936. Das Obdacher Erdbeben vom 3. Oktober 1936. Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse vom 5. November 1936. Akademie der Wissenschaften in Wien.

Teaserportlet Bebenkarte groß
Karten und Listen seismischer Aktivität

Aktuelle Erdbeben… mehr  •••

Umfeld eines Stollens © ZAMG
Angewandte Geophysik

Angewandte Geophysik… mehr  •••

Live-Seismogramm
Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
Magnetik
Willkommen bei der Magnetik der geophysikalischen Abteilung der ZAMG. © ZAMG Geophysik
Conrad Observatorium
Willkommen am Conrad Observatorium. © Gerhard Ramsebner