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08.11.2017

Am Puls der Erde: 10 Jahre Gravimetermessung im Conrad-Observatorium

Am Puls der Erde: 10 Jahre Gravimetermessung im Conrad-Observatorium

©ZAMG/Blaumoser

Eines von weltweit 30 hochpräzisen Gravimetern, zur Messung des Schwerefeldes der Erde, steht seit zehn Jahren im Conrad-Observatorium der ZAMG in Niederösterreich. Am 9. November 2007 ging es in Betrieb und misst seither kleinste Änderungen der Erdanziehungskraft, die zum Beispiel durch Erdbeben, die Gezeiten, Änderungen im Erdkern und der Erdrotation oder durch das Schmelzen von Gletschern sowie durch Wolken und Regen verursacht werden. Das Gravimeter der ZAMG ist eines der weltweit am längsten eingesetzten Instrumente, die in dieser Genauigkeit zeitliche Änderungen der Erdschwere messen.

Das Gravimeter GWR-CT025 der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) steht in völlig abgeschiedener Lage in einem Stollen des Conrad-Observatoriums am Trafelberg in Niederösterreich, 50 Kilometer südwestlich von Wien, und misst selbst minimale Veränderungen in und auf der Erde. „Gravimeter messen die Erdschwere, also die Erdanziehungskraft, und die ändert sich ständig, wenn auch nur in ganz kleinen Größenordnungen", erklärt der Leiter des Conrad-Observatoriums Roman Leonhard. „Je genauer wir diese Vorgänge messen, desto besser können wir sie verstehen. Die Themen reichen dabei von Verschiebungen in der Erdkruste und im Erdkern bis zum Schmelzen der Gletscher, also Fragen des Klimawandels. Auch Anwendungen im Vermessungswesen und in der Navigation profitieren von Gravimetermessungen."

Änderungen im Bereich eines Millionstel Millimeters

Änderungen der Erdanziehungskraft entstehen, wenn Masse verschoben wird, zum Beispiel bei einem Erdbeben oder durch Vorgänge im Erdkern. „Denn jede Masse übt eine Anziehungskraft aus. Je größer die Masse ist, desto stärker ist die Anziehungskraft. Daher ist ein Mensch auf der Erde schwerer als am vergleichsweise kleinen Mond", sagt ZAMG-Experte Leonhardt. „Das Gravimeter im Conrad-Observatorium misst Änderungen der Erdanziehungskraft von einem Millionstel Millimeter pro Sekundenquadrat. Wir sehen an den Messungen sogar, wenn Regenfronten durchziehen und für kurze Zeit die Erdschwere etwas geringer wird, weil die Masse der Wolken der Erdanziehungskraft entgegenwirkt. Regnet es, dann verlagern sich die tausenden Liter Wasser aus der Wolke in die Erde und die Erdanziehungskraft nimmt zu. Damit können Änderungen im Grundwasserspiegel und auch Grundwasseransammlungen in Karstsystemen gefunden und untersucht werden. Die Zusammenarbeit im Bereich Umwelteinflüsse erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien."

Weltweite Massenänderung von Gletschern messbar

Das Gravimeter am Conrad-Observatorium der ZAMG ist in weltweite Messnetze eingebunden. Seit 1997 ist es Teil des Global Geodynamics Project (GGP) und seit 2015 im International Geodynamics and Earth Tide Service (IGETS) der International Association of Geodesy (IAG). „Durch die weltweite Vernetzung können auch großräumige Prozesse auf der Erde untersucht werden, wie das Schmelzen der Gletscher vom Nordpol bis zum Südpol", erklärt Geophysiker Leonhardt, „denn beim Schmelzen des Eises kommt es ebenfalls zu einer messbaren Umverteilung von Masse, wenn das vorher feste Eis als Wasser in die Meere fließt. Außerdem beginnt sich die Erdkruste leicht zu heben, sobald das Gewicht der Gletscher fehlt."

Europaweite Vereinheitlichung von „Normalnull"

Messungen mit hochpräzisen Gravimetern sind auch für Anwendungen der Vermessung von Nutzen. So verwendet beispielsweise das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen die Daten aus dem Conrad-Observatorium regelmäßig für die Erstellung von digitalen Kartensätzen. „Ein auch international relevantes Thema der Vermessung ist derzeit die Vereinheitlichung der Norm-Referenzhöhe über dem Meeresspiegel in Europa, auch als Normalnull bekannt", sagt ZAMG-Experte Leonhardt. „In Deutschland zum Beispiel basiert dieser Referenzwert derzeit auf dem mittleren Meeresspiegel bei Amsterdam, in Österreich dagegen auf dem Pegel von Triest. Der Unterschied beträgt 34 Zentimeter. Unser Forschungsschwerpunkt am Observatorium zu den Erdgezeiten bringt hier wesentliche Zusatzinformationen."

Österreichs Landmasse bewegt sich mit Ebbe und Flut

Im Kraftfeld von Erde und Mond entstehen nicht nur in den Meeren Ebbe und Flut. Auch die Landmassen bewegen sich dabei. In Österreich zum Beispiel hebt und senkt sich die Erdkruste zwischen Ebbe und Flut um bis zu 50 Zentimeter. Auch diese Änderungen sind mit dem Gravimeter sehr genau erfassbar.

Jubiläum und eine der weltweit längsten Messreihen

Österreichs hochpräzise Messreihe der Erdschwere ist auch international herausragend, sagt Roman Leonhardt: „Vor genau zehn Jahren, am 9. November 2007, starteten die Messungen des Gravimeters am Conrad-Observatoriums, davor war es zwölf Jahre auf der Hohen Warte in Wien im Einsatz. Es ist damit eines der weltweit am längsten eingesetzten Instrumente, die in dieser Genauigkeit zeitliche Änderungen der Erdschwere messen."

Conrad-Observatorium: weltweit herausragender Forschungs- und Entwicklungsstandort

Das Conrad-Observatorium der ZAMG befindet sich ca. 50 Kilometer südwestlich von Wien auf dem Trafelberg (N), knapp über 1000 Meter Meereshöhe. Es ist fast zur Gänze unterirdisch angelegt, mit rund zwei Kilometern an Stollen und Schächten. Es garantiert störungsfreie Bedingungen bei konstanter Temperatur für alle eingesetzten Messtechniken. Der seismisch-gravimetrische Teil ist seit 2002 in Betrieb. Der geomagnetische Teil wurde 2014 eröffnet. Das Observatorium dient unter anderem der Messung und Erforschung von Erdbeben, Erdschwere, Erdmasse, Magnetfeld, geodätischen Parametern, atmosphärischen Wellen und meteorologischen Daten. Die Bandbreite an unterstützten Messverfahren, die Instrumentierung und die Lage der Messstollen macht das Conrad Observatorium zu einem weltweit herausragenden Forschungs- und Entwicklungsstandort für Erdwissenschaften aller Fachrichtungen.

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Messung der Erdschwere im Bereich von Millionstel Millimeter: Gravimeter im Conrad-Observatorium der ZAMG in Niederösterreich. Quelle: ZAMG –>zum Bild in Originalgröße

Gravimeter bei Wartungsarbeiten: Mit flüssigem Stickstoff und Helium wird die Betriebstemperatur von minus 269 °C erreicht. Quelle ZAMG/Blaumoser. –>zum Bild in Originalgröße

Fotos vom Conrad-Observatorium: www.flickr.com/photos/zamg/albums/72157674304188100

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Web-Links

Live-Daten des Gravimeters: www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/gravimetrie/gravimetrie-am-cobs

Österreichische Schwerekarte des Bundeamtes für Eich- und Vermessungswesen: –>hier

Conrad-Observatorium der ZAMG: www.conrad-observatory.at

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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