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12.09.2018

Neuer Hochleistungsrechner für Vorhersage, Warnungen, Krisenmanagement und Klimaforschung

Neuer Hochleistungsrechner für Vorhersage, Warnungen, Krisenmanagement und Klimaforschung

©BMBWF/Martin Lusser

Der neue High Performance Computer der ZAMG wurde am Mittwoch (12.9.2018) offiziell in Betrieb genommen. Er leistet bis zu 550 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde und ist damit 2,5 Mal so stark wie der bisherige Hochleistungsrechner. Anwendungsgebiete sind unter anderem die Staatliche Krisenvorsorge, Warnungen für die Öffentlichkeit, Modellierung von Klimaszenarien und Spezialprognosen wie zum Beispiel für erneuerbare Energieformen.

Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Heinz Faßmann, die Generaldirektorin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage Florence Rabier, die Geschäftsführerin der Hewlett Packard Enterprise Österreich Annette Trawnicek und der Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Michael Staudinger präsentierten am 12. September 2018 den neuen Hochleistungsrechner der ZAMG.

Angewandte Wissenschaft zum Schutz von Menschen und Infrastruktur

Wissenschaftsminister Faßmann betonte bei der Präsentation den unmittelbaren Nutzen von Wissenschaft und Forschung für die Bevölkerung: „Der neue High Performance Computer leistet einen großen Beitrag, um mit Vorhersagen und Warnungen die Bevölkerung und die Infrastruktur zu schützen. Hier werden einerseits mehrmals täglich detaillierte Wettervorhersagen für das geografisch sehr komplexe Gebiet in Österreich und Umgebung gerechnet. Andererseits laufen hier auch Spezialmodelle für Ausbreitungsvorhersagen nach Unfällen mit gefährlichen Substanzen, wie etwa bei Bränden mit Chemikalien oder bei Störfällen in Atomkraftwerken. Weiters werden mit dem neuen Hochleistungsrechner Klimaszenarien für die nächsten Jahre und Jahrzehnte erstellt. Diese dienen unter anderem dazu, effiziente Maßnahme zur Anpassung an ein sich änderndes Klima zu entwickeln."

Mehr Details, mehr Daten, mehr Möglichkeiten

Die Möglichkeiten der modernen Meteorologie steigern sich mit jeder technologischen Verbesserung. Je detaillierter das Gelände und die Physik im Computer simuliert werden können, desto besser werden Vorhersagen und Warnungen. „Der neue High Performance Computer erlaubt mittelfristig auch eine Halbierung der räumlichen Auflösung in unseren Vorhersagemodellen", sagt ZAMG-Direktor Staudinger, „statt auf einem Gitternetz von 2,5 Kilometern horizontaler Auflösung rechnen wir in Zukunft mit einer horizontalen Auflösung von 1,2 Kilometern auf 90 Höhenschichten. Zusammen mit einer verbesserten Modellphysik erfassen wir so auch besser die relativ kleinräumigen Ereignisse wie zum Beispiel schwere Gewitter. Zudem sind durch die höhere Rechengeschwindigkeit in Zukunft stündlich Modellläufe möglich, mit einer deutlich höheren Zahl an Inputdaten, wie Satelliten-, Radar- und Flugzeugdaten sowie Messungen von Wetterstationen. Zudem können zukünftige Klimaszenarien mit einer deutlich höheren Auflösung als bisher für Österreich gerechnet werden. Der letzte Rekordsommer hat gezeigt wie wichtig es ist, zum Beispiel die Häufigkeit von Hitze- und Dürreperioden für die nächsten Jahre und Dekaden zu kennen und entsprechende Vorkehrungen treffen zu können."

Spitzenleistung bis zu 550 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde

Der neue High Performance Computer ist der schnellste rund um die Uhr genutzte Rechner in einer Einrichtung des österreichischen Bundes. Die Rechenleistung liegt um das 2,5-fache über dem bisherigen System, erklärt Günther Tschabuschnig, Leiter der ZAMG-Abteilung für Informations- und Kommunikationstechnologie: „Es stehen nun 7000 Cores, 192 Knoten und 19 Terabyte Arbeitsspeicher zur Verfügung. Ein Knoten stellt einen Rechenpunkt dar, somit ist ein gleichzeitiges Rechnen auf 192 Knoten möglich. Die Spitzenleistung liegt bei 550 Teraflops, das sind 550 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde. Gekühlt wird der neue Rechner mit Warmwasser, was eine Nachnutzung der Abwärme für Heizzwecke in den Gebäuden auf der Hohen Warte möglich macht. Das passt perfekt in unsere Strategie einer Green IT, um möglichst nachhaltig zu wirtschaften."

Anbindung an das weltweit stärkste globale Vorhersagemodell

Die ZAMG vertritt Österreich im Konsortium des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF. Das ECMWF betreibt in Reading, in der Nähe von London, das weltweit stärkste global rechnende Vorhersagemodell. Die ZAMG verwendet ECMWF-Daten unter anderem für die Mittelfristprognose von bis zu zehn Tagen und als Basis für die eigenen hochaufgelösten Regionalmodelle, die am neuen Hochleistungsrechner laufen. „Das ECMWF und die staatlichen Wetterdienste ergänzen sich optimal. So ist eine Modellkette möglich, die alle Ansprüche abdeckt", sagt die Direktorin des ECMWF Florence Rabier, „zum Beispiel liefert unser global rechnendes Modell Informationen für einen längeren Zeitraum und ermöglicht so schon sehr früh erste Vorwarnungen für extreme Wetterlagen. Die regionalen Vorhersagemodelle, wie etwa AROME an der ZAMG, liefern dann auf wenige Stunden oder einige Tage im Voraus detaillierte Informationen, zum Beispiel welche Regenmengen oder Sturmböen in den einzelnen Regionen zu erwarten sind. Wir profitieren in dieser Zusammenarbeit auch stark von den Erfahrungen der nationalen Anwender wie der ZAMG."

Anwendungen am neuen Hochleistungsrechner

Details zu einigen Anwendungen:

Vorhersage und Warnungen: AROME, das sehr feinmaschige regionale Vorhersagemodell für Österreich und Umgebung wird am neuen Hochleistungsrechner acht Mal pro Tag gerechnet (alle drei Stunden). Weiters wird ein sogenannter Rapid Update Cycle entwickelt. Das sind Prognosen mit noch mehr Eingangsdaten, noch genauerer Auflösung und einem stündlichen Update, die aber weniger weit in die Zukunft gerechnet werden. Sie werden unter anderem für kurzfristige Warnungen verwendet.

Chemische Wettervorhersage: Weiters werden im Bereich Umweltmeteorologie an der ZAMG täglich Vorhersagen der Luftgüte gerechnet, zum Beispiel für Ozon und Feinstaub. Diese Vorhersagen berücksichtigen chemische Wechselwirkungen mit dem Wetter, zum Beispiel wie wirken sich bestimmte Partikel in der Luft auf die Sonneneinstrahlung oder auf Wolken- und Niederschlagsprozesse aus.

Klimaforschung: Die Schwerpunkte der ZAMG liegen in regionalen Klimaszenarien für den Alpenraum und Untersuchungen zum Thema Stadtklima. Beim Stadtklima geht es zum Beispiel um die Auswirkungen möglicher Klimaänderungen (exzessive Hitze, nächtliche Abkühlung) und mögliche Anpassungsstrategien in Städten (Stadtplanung, nachhaltige Stadtentwicklung). Die regionalen Klimamodelle dienen unter anderem dem Erstellen von sogenannten Ensemble-Simulationen (die Ergebnisse mehrerer Modelle werden genutzt) zu möglichen zukünftigen Änderungen für Europa und den Alpenraum. Weiters werden problembezogene Modellsimulationen durchgeführt, wie etwa für Untersuchungen der Änderungen in der Phänologie (Pflanzen und Tiere in Abhängigkeit vom Klima), Schäden an Waldbeständen durch Windwurf und Borkenkäfer, Entwicklung von Maßnahmen zum Erhalt von Feuchtgebieten und auch für die Gletschermodellierung.

Künstliche Intelligenz und Deep Learning: International gibt es neue vielversprechende Entwicklungen zu alternativen Rechnerarchitekturen. Die ZAMG ist hier an einigen Forschungsprojekten beteiligt. Hier geht es unter anderem um die Verknüpfung der kurz- bis mittelfristigen Wettervorhersagemodelle mit Methoden aus der künstlicher Intelligenz und Machine Learning, wie Neuronalen Netzen und Deep Learning. Zum Beispiel sind für erneuerbare Energieträger, wie Windkraftwerke, gute kurzfristige Prognosen der Windgeschwindigkeit und der zu erwartenden Leistung besonders wichtig, um das Elektrizitätsnetz stabil zu halten und die erneuerbaren Energieträger trotzdem optimal zu nutzen. Dazu sollen die neuen Modelle von vielfältigen Informationsquellen „lernen" und moderne IT-Infrastruktur nutzen, wie GPU- und/oder Parallelrechner.

Spezialgebiet Verarbeitung großer Datenmengen

An der ZAMG hat sich in den letzten Jahren ein eigener Bereich zur Verarbeitung von großen Datenmengen entwickelt. 2016 wurde ein kostenloser Zugang zu den enormen Datenmengen der neuen Umweltsatelliten im Copernicus-Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA eingerichtet: Sentinel National Mirror Austria auf www.sentinel.zamg.ac.at . 2017 setzte die ZAMG im Auftrag der ESA auch ein Sentinel Data Hub Relay um. Es dient der internationalen Vernetzung der einzelnen nationalen Datenzentralen des Copernicus-Programms. Alleine im „Sentinel National Mirror Austria" treffen derzeit täglich fünfzehn Tera-Byte an Daten der Sentinel-Satelliten ein (ein Tera-Byte sind eine Billion Byte Daten).

Präsentation des neuen HPC ICE X an der ZAMG mit BM Faßmann

(alle vier Fotos: BMBWF/Martin Lusser)

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Neuer Hochleistungsrechner der ZAMG für Vorhersage, Warnungen, Krisenmanagement und Klimaforschung: Außen ein Bild vom 3100 Meter hoch gelegenen Sonnblick-Observatorium der ZAMG, im Inneren eine Rechenleistung bis zu 550 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde. Quelle: ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

Wettervorhersage: www.zamg.at/prognose

Warnungen Österreich: www.zamg.at/warnungen

Warnungen Europa: www.meteoalarm.eu

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at