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25.10.2016

Ziel bis 2025: Extremwetter langfristig vorhersagen

Ziel bis 2025: Extremwetter langfristig vorhersagen

©ZAMG/Baumgartner

Am Dienstag, dem 25. Oktober 2016, war die neue Leiterin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen, Florence Rabier, an der ZAMG in Wien, um die Umsetzung der Strategie bis 2025 zu besprechen. In den nächsten zehn Jahren soll großräumiges Extremwetter in Europa auf zehn bis 30 Tage vorhergesagt werden können. Die ZAMG nutzt die Vorhersagen des ECMWF für mittelfristige Vorhersagen und Warnungen und als Basis für die eigenen, speziell auf den Alpenraum zugeschnittenen Vorhersagemodelle.

Die neue Leiterin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF), Florence Rabier, präsentierte am Dienstag in Wien ein ambitioniertes Programm für die nächsten zehn Jahre: „Nachdem in zunehmendem Maße mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das Wetter der Erde zu rechnen ist, werden wir das schnell wachsende Datenangebot und den rasanten technischen Fortschritt nutzen, um noch genauere und noch längerfristige Prognosen abzugeben. Gerade bei Warnungen ist jede Stunde und jeder Tag Zeitgewinn wichtig."

Extremwetter auf zehn bis 30 Tage vorhersagen

So soll bis zum Jahr 2025 die Vorhersagbarkeit von Wetterereignissen mit großräumigen extremen Auswirkungen um drei bis sechs Tage verbessert werden. Das heißt konkret, dass zum Beispiel bis zum Jahr 2025 Sturmtiefs in Europa durchschnittlich zehn Tage vor ihrem Eintreffen vorhergesagt werden können. Lang anhaltende Hitzewellen sollen bis zum Jahr 2025 drei bis vier Wochen vor ihrem Beginn vorhergesagt werden können. „Wir werden für diese Verbesserungen unter anderem die immer leistungsstärkeren Computersysteme nutzen und neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Wetter, Land und Meer", erklärte Rabier. Sie gilt seit vielen Jahren als international herausragende Expertin in der Entwicklung von Computermodellen, leitet das ECMWF seit Jänner 2016 und ist die erste Frau an der Spitze dieser Organisation.

Schwieriger wird die Vorhersage des Wetters durch den Klimawandel nicht, sagt Florence Rabier: „Auch wenn das Wetter extremer wird, es läuft immer nach den selben physikalischen Regeln ab. Von dieser Seite erwarten wir für unsere Vorhersagemodelle keine Probleme."

Das beste globale Vorhersagemodell

Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (European Centre for Medium-Range Forecasts, ECMWF) ist eine unabhängige zwischenstaatliche Organisation von 34 Staaten und hat seinen Sitz in Reading, in der Nähe von London. Das Vorhersagemodell des ECMWF gilt als das stärkste weltweit rechnende Wettermodell und liefert die Basis für einen Großteil der Wettervorhersagen in Europa. Österreich ist am ECMWF durch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) vertreten.

Basis für sehr kleinräumige Vorhersagen im komplexen Alpenraum

In Österreich werden die Daten des ECMWF auf mehrere Arten genutzt, sagt ZAMG-Direktor Michael Staudinger: „Mit einem starken globalen Modell, wie dem ECMWF-Modell, können wir einerseits frühzeitig heikle Wetterlagen erkennen und unsere Kunden vorwarnen, so dass bereits einige Tage vor dem Ereignis erste Schutzmaßnahmen getroffen werden können. Zum anderen sind die Daten des ECMWF die Basis für unsere speziell auf den Alpenraum zugeschnittenen Vorhersagemodelle, wie AROME und INCA. Sie rechnen nur einige Stunden beziehungsweise Tage in die Zukunft, sind aber regional viel genauer als die weltweiten Modelle und können somit die meteorologischen Besonderheiten des Alpenraums viel besser erfassen. Ihr Nutzen liegt in den konkreten Vorhersagen und Warnungen für einzelne Regionen mit sehr genauen Angaben von bevorstehenden Regen- und Schneemengen oder Sturmböen. Außerdem stehen am Ende dieser sogenannten Modellkette unsere Meteorologen und Meteorologinnen mit ihrem lokalen Wissen, um einzuschätzen, welches Modell in der jeweiligen Wetterlage am zuverlässigsten ist und um die Prognosen dementsprechend an die Nutzer zu vermitteln."

Moderne Wettervorhersage: Mathematik, Physik und Supercomputer

Ein Vorhersagemodell ist ein komplexes Computerprogramm, das das Wetter der nächsten Tage berechnet. Die Ausgangslage dafür sind Messungen des aktuellen Wetters mittels Satelliten, Wetterstationen, Bojen etc.

Dieser aktuelle Wetterzustand wird mit mathematisch-physikalischen Gleichungen in die Zukunft gerechnet. Für diese Berechnungen legt man ein mathematisches Gitter über die gesamte Erde oder über eine bestimmte Region. Je engmaschiger das Gitter ist, desto genauer kann das Wetter berechnet werden. Allerdings: Je mehr man ins Detail geht, desto kürzer kann man in die Zukunft rechnen.

Die weltweiten Vorhersagemodelle (wie das ECMWF) berechnen daher mit vergleichsweise großen Gitterpunktabständen das Wetter über mehr als eine Woche hinaus in die Zukunft. Die regionalen Vorhersagemodelle (wie das AROME-Modell der ZAMG) rechnen hingegen regional sehr genau (enge Abstände der Gitterpunkte), aber nur für einige Tage oder Stunden im Voraus.

Die räumliche Auflösung: Kriterium für regionale Genauigkeit

Die räumliche Auflösung eines Vorhersagemodells gibt an, in welchem Abstand die Punkte liegen, für die Wettervorhersagen berechnet werden. Je besser die Auflösung, desto genauer die Prognose. Das ECMWF rechnet derzeit auf einem weltweiten Gitter mit einem Abstand von 9 Kilometern Vorhersagen für die nächsten 15 Tage. Das sind weltweit 900 Millionen Gitterpunkte. Vor 10 Jahren lag der Gitterpunktabstand des ECMWF-Modells noch bei 25 Kilometern, vor 20 Jahren bei 100 Kilometern.

Das regionale Vorhersagemodell der ZAMG für den Alpenraum (AROME) rechnet derzeit mit Gitterpunkten im Abstand von 2,5 Kilometern für die nächsten zwei Tage Tage. Mit einem Gitterpunktabstand von nur 1 Kilometer arbeitet INCA, das Vorhersagemodell der ZAMG für Prognosen und Warnungen bis zu 12 Stunden. Damit kann zum Beispiel kurzfristig vor sehr kleinräumigen Phänomenen wie Hagel gewarnt werden.

Die Supercomputer

Die Berechnungen von Vorhersagemodellen sind nur mit extrem leistungsstarken Computersystemen möglich. Der Supercomputer für das weltweite Vorhersagemodell des ECMWF leistet 8500 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde, eine Zahl mit 12 Nullen. In wissenschaftlicher Sprache: 3593 Teraflops. Ein Flop ist eine „floatingpoint operation per second", eine (Fließkomma-)Rechenoperation pro Sekunde.

Der Supercomputer der ZAMG für regionale Vorhersagen im Alpenraum und für Katastrophenschutzanwendungen leistet bis zu 82 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde (82 Teraflops).

Wege in die Zukunft

Die jeweiligen Vorhersagemodelle werden ständiger verbessert, denn schon jede Stunde nutzt zum Beispiel bei Warnungen, um Vorbereitungen zu treffen. Es wird in mehrere Richtungen gearbeitet:

  1. Verbesserungen der Wettervorhersage gehen Hand in Hand mit Verbesserungen der Computertechnologie. Zum Beispiel: Je schneller die Computer arbeiten, desto mehr Vorhersagepunkte kann man berechnen.

  2. Je mehr Vorgänge der Atmosphäre in den Modellen berücksichtigt werden (je mehr die Modelle über das Wetter „wissen"), desto genauer ist die Wettervorhersage.

  3. Neben den Bestrebungen immer genauer und schneller zu rechnen, entwickelt man auch neue Methoden, um aus den Vorhersagemodellen möglichst viele Infos herauszuholen. Ein Beispiel sind sogenannte Ensemble-Prognosen: Dabei wird ein Vorhersagemodell nicht nur ein Mal gerechnet, sondern mehre Male. In jeden dieser Modellläufe baut man kleinere Anfangsfehler ein (da man weiß, dass der Anfangszustand und die Berechnungen immer mit Fehlern behaftet sind). Je mehr Modellläufe trotz dieser unterschiedlichen Anfangsfehler eine bestimmte Wetterentwicklung vorhersagen, desto zuverlässiger ist die Prognose.

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Die neue Leiterin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen, Florence Rabier, bei ihrem Besuch an der ZAMG in Wien. Quelle ZAMG/Baumgartner. Link zum Bild in Originalgröße

Die neue Leiterin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen, Florence Rabier, im Vorhersageraum der ZAMG in Wien. Quelle ZAMG/Baumgartner. Link zum Bild in Originalgröße

Bis 2025 großräumiges, extremes Wetter auf 10 bis 30 Tage vorhersagen: Die neue Leiterin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen, Florence Rabier, bei ihrem Besuch an der ZAMG in Wien. Quelle ZAMG/Baumgartner. Link zum Bild in Originalgröße

Bis 2025 großräumiges, extremes Wetter auf 10 bis 30 Tage vorhersagen: Die neue Leiterin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen, Florence Rabier, präsentierte an der ZAMG in Wien die Strategie für die nächsten zehn Jahre. Quelle ZAMG/Baumgartner. Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

ECMWF: www.ecmwf.int

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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