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13.05.2015

Winterbilanz der Gletscher und neues Messprojekt von Wissenschaft und Schule

Winterbilanz der Gletscher und neues Messprojekt von Wissenschaft und Schule

©ZAMG

Die von der ZAMG vermessenen Gletscher im Bereich des Hohen Sonnblicks gehen heuer mit fünf Prozent mehr Masse in das Sommerhalbjahr als im Mittel der letzten Jahre. Um den aktuellen Zustand der Gletscher zwischen den halbjährlichen Messkampagnen jederzeit bestimmen zu können, haben ZAMG und TGM Wien das Projekt GLACIO-LIVE gestartet. Die Schüler und Schülerinnen arbeiten dabei unter anderem beim Aufbau eines hochgebirgstauglichen dezentralen Funknetzwerks mit, das der Vernetzung und der Online-Anbindung aller Messstationen auf den Gletschern dient.

In den letzten Wochen führte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) auf den Gletschern am Hohen Sonnblick Messungen durch, um die im Winter gewonnene Masse zu ermitteln (Akkumulation). Dazu wurde an mehr als 700 Punkten die Schneehöhe gemessen und neun Schächte in den Schnee gegraben, um Dichte und Temperatur des Schnees zu messen. Außerdem wurden an zwei Standorten Schneeproben entnommen und auf Schadstoffe untersucht. Die Messungen sind Teil eines weltweiten Gletscherbeobachtungsprogramms und werden vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) finanziert.

Schneedecke am Sonnblick im Mittel 4,25 Meter hoch

„Der Gewinn an Masse war in diesem Winter auf den Sonnblick-Gletschern leicht überdurchschnittlich", sagt Gletscherexperte Bernhard Hynek von der ZAMG, „die durchschnittliche Höhe der Winterschneedecke auf den Sonnblick-Gletschern ist 425 Zentimeter. Das entspricht einer Wassersäule von knapp über 1,6 Meter. Der heurige Winter liegt damit um etwa fünf Prozent über dem durchschnittlichen Wert seit Messbeginn im Jahr 1999. Im Detail liegen die Werte am Goldbergkees bei 450 Zentimeter (1,8 Meter Wassersäule) und am Kleinfleißkees bei 390 Zentimeter (1,4 Meter Wassersäule)."

Räumliche Verteilung der Schneehöhe für Modellierung wichtig

Die Höhe der Schneedecke ist räumlich extrem unterschiedlich und variiert an den über 700 Messpunkten von 1,5 bis 7 Meter. Denn die Schneehöhe ist stark abhängig von Windrichtung und -stärke während und nach dem Schneefall. „Um die Massenbilanz von Gletschern mit Computersimulationen korrekt modellieren zu können, ist die Kenntnis der räumlichen Schneehöhenverteilung sehr wichtig", erklärt Bernhard Hynek, „denn Bereiche mit geringen Schneehöhen werden im Sommer früher schneefrei und schmelzen daher schneller."

GLACIO-LIVE: Schule und Wissenschaft erforschen Gletscher

Um den aktuellen Zustand der Gletscher schon zwischen den aufwändigen halbjährlich und jährlich durchgeführten Messkampagnen analysieren zu können, haben ZAMG und TGM Wien das Projekt GLACIO-LIVE gestartet. Dabei soll aus Informationen von automatischen Kameras und automatischen Messstationen (Akkumulations- und Ablationsmessung) der aktuelle Zustand des Gletschers in Nahe-Echtzeit berechnet und online präsentiert werden. Die Schüler und Schülerinnen des TGM Wien sind dabei in technisch anspruchsvollen Aufgaben eingebunden, sagt ZAMG-Gletscherexperte Hynek: „Wir arbeiten mit dem TGM unter anderem beim Aufbau eines hochgebirgstauglichen dezentralen Funknetzwerks zusammen, das zur Vernetzung und Online-Anbindung aller Messstationen dient sowie bei der Erstellung des Online-Portals."

Ein langfristiges Ziel ist, das auf Alpengletschern getestete Funk-Netzwerk auf arktische Gletscher wie zum Beispiel den von der ZAMG vermessenen Freya Gletscher in Nordost-Grönland zu übertragen, wo die Nahe-Echtzeitanbindung aufgrund der großen Entfernungen und der damit verbundenen Reisekosten ein hohes Einsparungspotential darstellt.

Citizen Science: Wissenschaft und Öffentlichkeit forschen

GLACIO-LIVE läuft bis Jänner 2018 und wird im Rahmen der Initiative Sparkling Science des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) durchgeführt. Die hier angewandte Forschungszusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ist international auch unter dem Begriff Citizen Science bekannt.

Ästhetischer Mehrwert

Die automatische Kamera am Kleinfleißkees liefert neben wissenschaftlichen Daten auch teilweise eindrucksvolle Bilder für Berg- und Foto-Fans. „Da die Kamera alle 10 Minuten ein Bild macht, sind in den letzten Wochen und Monaten einige wunderschöne Fotos entstanden," sagt Projektleiter Hynek, „sie zeigen den Gletscher und das nahe Sonnblick-Observatorium in verschiedensten Stimmungen, wie zum Beispiel bei Sonnenaufgang und -untergang, mit Langzeitbelichtungen in der Nacht und sogar mit Polarlicht."

Alle aktuellen Bilder und das gesamte Archiv sind auf www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees/ zu finden. In der Rubrik „Die besten Bilder" sind die schönsten Bilder der letzten Zeit gesammelt.

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Entnahme eines Firn-Bohrkerns zur Bestimmung der Schneedichte. Quelle: ZAMG/Hynek.

Einzelwerte der mehr als 700 Messpunkte und neun Schneeschächte (rot geringe Schneehöhe, blau: große Schneehöhe). Quelle: ZAMG

Zeitreihe der Winterbilanzen seit Messbeginn: Schneehöhe umgerechnet in Millimeter Wassersäule. Quelle: ZAMG

Niederschlagsmenge von Oktober 2014 bis April 2015): Vergleich des Niederschlags mit dem Mittel 1981-2010. 100 Prozent entsprechen dem Mittelwert. Quelle ZAMG.

Kleinfleißkees im Sommer 2014: Mit der automatischen Kamera wird der Anteil an Schnee und Eis der Gesamfläche gemessen. Daraus kann auf die aktuelle Massenbilanz des Gletschers geschlossen werden. Quelle: ZAMG

„Best of“ der automatischen Kamera am Kleinfleißkees ((www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees/#/bestof). Quelle ZAMG.

Fotos in voller Auflösung auf –>www.flickr.com/photos/zamg

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Web-Links

Informationen zu GLACIO-LIVE: www.zamg.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie/glacio-live und www.sparklingscience.at

Automatische Kamera Kleinfleißkees: www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees

Automatische Kamera Sonnblick-Observatorium: www.foto-webcam.eu/webcam/sonnblick

Sonnblick-Observatorium: www.sonnblick.net

ZAMG Gletscherforschung: www.zamg.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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