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08.06.2016

Langzeitstudie am Sonnblick-Gletscher: deutlich weniger Luftschadstoffe in der Schneedecke

Langzeitstudie am Sonnblick-Gletscher: deutlich weniger Luftschadstoffe in der Schneedecke

© ZAMG/Neureiter

Eine Studie von ZAMG, TU Wien, Universität Graz und IIASA zeigt, dass die Sulfat- und Nitratbelastung in der Schneedecke in den letzten 30 Jahren deutlich abgenommen hat (Sulfat -70%, Nitrat -30%). Derartige Schadstoffe stammen aus Verkehr und Industrie in Europa und erreichen mit der Luftströmung die Alpen. Von den Gletschern gelangen sie mit dem Schmelzwasser in Bäche, Flüsse und Böden und können hier zu einem „Säureschock" führen. Für den Rückgang der Schadstoffe dürften die Maßnahmen vieler Länder zur Reduktion von Schwefeldioxid und Stickoxid in Industrie- und Verkehrsabgasen verantwortlich sein.

Im Rahmen der regelmäßigen Gletschermessungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) wird seit den 1980er-Jahren auch die chemische Zusammensetzung der Winterschneedecke am Gletscher analysiert. Von besonderem Interesse sind dabei Luftschadstoffe aus Verkehr und Industrie sowie natürliche Stoffe wie Saharastaub, sagt ZAMG Klimaforscherin Marion Greilinger: „Diese Stoffe gelangen mit den großräumigen Luftströmungen aus ganz Europa und auch aus Nordafrika zu den Alpen und werden im Schnee zwischengespeichert. Schmilzt der Schnee, erreichen sie mit dem Schmelzwasser auch angrenzende Ökosysteme. Besonders Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid und Stickoxid führen dabei zu einem sehr sauren Schmelzwasser, wodurch ein Säureschock in Bächen, Flüssen und Böden möglich ist, der sich auch auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirkt."

Erstmals ausführliche Analyse der Langzeitmessungen der Schneechemie

Um die in der Schneedecke eingelagerten Stoffe eingehend zu untersuchen, wird auf den Gletschern der Sonnblick-Region jedes Jahr von allen Schneeschichten des Winterhalbjahres die Ionenzusammensetzung bestimmt und die alljährliche Veränderung analysiert. Eine vor kurzem veröffentlichte wissenschaftliche Studie von ZAMG, TU Wien, Universität Graz und IIASA beschreibt erstmals ausführliche die Ergebnisse dieser Langzeitmessungen der sogenannten Ionendeposition in der Winterschneedecke im Sonnblick-Gebiet. „Besonders eindrucksvoll zeigt sich darin der Rückgang der Sulfatbelastung vom Beginn der 1980er-Jahre bis heute um 70 Prozent sowie der Rückgang der Nitratbelastungen um 30 Prozent", sagt Klimaforscherin Greilinger, „diese beiden Ionen gelten als die Hauptverursacher für den Säureeintrag in die Schneedecke. Einhergehend mit dem Rückgang dieser sauren Ionen steigt der pH-Wert der Schneedecke in den letzten 30 Jahre stetig an. Die Versauerung des Gletschers ist somit rückläufig. Die Hauptquellen von Sulfat und Nitrat in der Schneedecke sind Schwefeldioxid und Stickoxid, die überwiegend aus Abgasen von Industrie und Verkehr aus Europa stammen. Diese Emissionen wurden über die letzten Jahrzehnte europaweit stark reguliert und reduziert, wodurch sich mittlerweile positive Auswirkungen auf die Umwelt erkennen lassen. Alle anderen untersuchten Ionen, wie zum Beispiel Ammonium, zeigen hingegen noch keinen signifikanten Trend."

Höhere Konzentrationen im Frühling, geringere im Winter

Die Konzentration an Schadstoffen in der Schneedecke wurden im Rahmen der Studie auch auf jahreszeitliche Unterschiede untersucht. Vor allem für Sulfat, Nitrat und Ammonium wurden jeweils die geringsten Konzentrationen im Winter und die höchsten Konzentrationen im Frühling gefunden. „Die größte saisonale Variation besteht dabei für Ammonium und ist auf den beginnenden Einsatz von Düngemitteln im Frühling zurückzuführen", erklärt Marion Greilinger, „zudem setzt im Frühling Konvektion ein, also das starke Aufsteigen von Luftmassen durch Sonneneinstrahlung, wodurch der Beitrag von lokalen Quellen, wie Straßenverkehr und Industrieabgase, größer ist als im Winter. In der kalten Jahreszeit ist die Atmosphäre stabiler geschichtet weshalb der Schadstoffeintrag aus Ferntransport überwiegt."

Winterbilanz der Gletscher

Anfang Juni wurde von der ZAMG auch die Auswertung der sogenannten Winterakkumulation abgeschlossen, also der gesamten Masse Schnee, die sich im Laufe des Winters am Gletscher angesammelt hat. Dafür wurde im Mai auf den beiden Gletschern am Sonnblick (Kleinfleißkees und Goldbergkees) an rund 600 Punkten mittels Sonde die Schneetiefe gemessen und in neun Schneeschächten die mittlere Schneedichte ermittelt. Während auf den meisten Gletschern Österreichs die Schneeverhältnisse in diesem Winter unterdurchschnittlich waren, lag auf den Gletschern des Sonnblicks am Ende der Wintersaison heuer fünf Prozent mehr Schnee als im vieljährigen Mittel, erklärt Gletscherexperte Bernhard Hynek von der ZAMG: „Der Grund waren vor allem die beachtlichen Neuschneemengen im April. Am südlich des Alpenhauptkammes gelegenen Kleinfleißkees war die mittlere Winterschneehöhe mit 4,0 Meter etwas geringer als am nördlich des Alpenhauptkammes gelegenen Goldbergkees mit 4,3 Meter. Mit der jeweiligen Schneedichte ergibt dies eine Gesamtmasse der Winterschneedecke von 1510 Kilogramm pro Quadratmeter am Kleinfleißkees und 1790 Kilogramm pro Quadratmeter am Goldbergkees. Diese Werte liegen knapp über dem langjährigen Mittelwert."

Im Unterschied zu den beiden Gletschern am Sonnblick war die Winterschneedecke auf den anderen vermessenen österreichischen Gletschern unterdurchschnittlich, wie im Gletschertagebuch beschrieben ist.

Erste Winterbilanzmessung auf der Pasterze und am Wasserfallwinkelkees

Zum ersten Mal wurde in diesem Jahr auch die Winterbilanz des mit 16,3 Quadratkilometern größten Gletschers Österreich, der Pasterze, und dem angeschlossenen Wasserfallwinkelkees (1,5 Quadratkilometer) gemessen. Es wurde an 222 Punkten die Schneehöhe und in drei Schächten die Dichte des Schnees gemessen, um die gesamte akkumulierte Masse berechnen zu können. Aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit mancher Regionen der Pasterze (Steilheit des Geländes und Spaltenzonen) wurden die Messungen nicht über die ganze Fläche des Gletschers durchgeführt. Die durchschnittliche Höhe der Winterschneedecke beträgt 334 Zentimeter. Die unterschiedliche räumliche Verteilung der Schneehöhen (sie variiert von 0 bis 6 Meter) lässt sich auf die große vertikale Ausdehnung des Gletschers (2100m bis 3600m) und das komplexe Gelände zurückführen. Der Zeitpunkt der Messungen (10. Mai) erfolgte wegen Lawinengefahr und schlechter Zugänglichkeit erst relativ spät im Frühjahr, sodass im unteren Bereich der Winterschnee bereits zu einem Großteil abgeschmolzen war. Daher die geringen Schneehöhen auf der Gletscherzunge. Die maximalen Schneehöhen in diesem Bereich können jedoch anhand der kontiniuerlichen Messungen an einem Schneehöhen-Sensor auf der Pasterzenzunge rekonstruiert werden. Die Winterbilanzmessungen an der Pasterze sollen zu einem verbesserten Prozessverständnis der kleinräumigen Akkumulationsmuster auf Gletschern und zur Validierung von glazial-hydrologischen Rechenmodellen dienen.

Live-Bilder der Schneeschmelze auf den Gletschern

Die Schneeschmelze und Ausaperung der Gletscher kann während des Sommers auf den Webcams der ZAMG in Echtzeit mitverfolgt werden: An der Pasterze ist bereits ein großer Teil der tief gelegenen Gletscherzunge schneefrei (www.foto-webcam.eu/webcam/freiwandeck), während das höher gelegene Kleinfleißkees (Gletscherzunge auf ca. 2800 Meter Seehöhe) noch vollständig mit Schnee bedeckt ist ( www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees). Mit den automatischen Kameras wird der Schneebedeckungsgrad der Gletscher in zeitlich hoher Auflösung gemessen. Dies erhöht die Genauigkeit der Massenbilanzmessung der Gletscher. Denn je mehr Eisfläche am Gletscher während des Sommers sichtbar wird, desto größer sind die Massenverluste durch Abschmelzung. Derzeit verlieren die von der ZAMG vermessenen Gletscher im Mittel in etwa einen Meter an Eisdicke pro Jahr.

Das laufende Gletscher- und Schneedeckenmonitoring auf den Gletschern des Sonnblicks und der Pasterze ist Teil des Programmes Global Cryosphere Watch der Weltmeteorologischen Organisation (WMO) und wird vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft finanziert.

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Weniger Luftschadstoffe in der Schneedecke: Zeitreihe der Sulfatkonzentrationen der Schneedecke am Sonnblick seit 1987. Die schwarze dicke Linie gibt das jährliche Mittel an, die blaue Linie den Trend und die strichlierten Linien die jeweilige saisonale Konzentration. Quelle ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

Weniger Luftschadstoffe in der Schneedecke: Zeitreihe der Nitratkonzentrationen der Schneedecke am Sonnblick seit 1987. Die schwarze dicke Linie gibt das jährliche Mittel an, die blaue Linie den Trend und die strichlierten Linien die jeweilige saisonale Konzentration. Quelle ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

Analyse im Schneeschacht: Messung der Schneedichte und Probennahme in der Schneedecke für die chemische Analyse des Schnees. An der braungelben Farbe ist die Schicht mit Saharastaub in etwa 120 cm Tiefe leicht zu erkennen. Quelle ZAMG/Neureiter. –>Link zum Bild in Originalgröße

Sahara-Staub im Schnee: Die Schicht mit Sand aus der Sahara ist in in der Schneedecke in ca. 120cm Tiefe deutlich zu erkennen. Quelle: ZAMG/Neureiter. –>Link zum Bild in Originalgröße

Erstmals durchgeführte detaillierte Winterbilanz der Pasterze: Die Grafik zeigt die Schneehöhe, die sich im Winter 2015/16 auf der Pasterze, Österreichs größtem Gletscher, angesammelt hat. Die Schneedecke erreicht bis zu sechs Meter Höhe. Quelle ZAMG –>Link zum Bild in Originalgröße

Größenverhältnisse: Die Wissenschaftlergruppe bei Messungen im Schnee im Bereich der Gletschertore des Goldbergekeeses. Quelle ZAMG/Weyss. –>Link zum Bild in Originalgröße

Messung der Schneetiefe am Oberen Pasterzenboden: An insgesamt mehr als 800 Punkten wird für die Winterbilanz der Gletscher die Schneetiefe gemessen. Quelle: ZAMG/Jarausch. –>Link zum Bild in Originalgröße

Automatische Wetterdaten vom Gletscher rund um die Uhr: Wartung der Wetterstation am Kleinfleißkees in der Sonnblickregion. Quelle ZAMG/Neureiter. –>Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

Studie zu Ionendepostition in der Schneedecke: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1352231016301534

Webcam Pasterze: www.foto-webcam.eu/webcam/freiwandeck

Webcam Kleinfleißkees: www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees

Sonnblick-Observatorium: www.sonnblick.net

Gletschertagebuch aktuell: science.orf.at/stories/2774916/

World Glacier Monitoring Service: www.wgms.ch

Global Cryosphere Watch: www.globalcryospherewatch.org

ZAMG Gletscherforschung: www.zamg.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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