Emissionsszenarien

Mögliche Abbilder der Zukunft

Ein Emissionsszenario ist eine Abschätzung des zukünftigen Ausstoßes anthropogener Treibhausgase. Durch die Definition mehrerer Versionen wird es möglich, eine Bandbreite denkbarer Entwicklungen abzudecken. Diese Szenarien bilden die Grundlage für die Simulation des zukünftigen Klimas mit Hilfe von globalen Zirkulationsmodellen.

Im Jahr 1996 wurden vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat) vier globale Handlungsstränge entworfen, die die Beziehung zwischen Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsentwicklung sowie technologischem Fortschritt mit der Entwicklung des Treibhausgasaustoßes beschreiben. Jeder Handlungsstrang repräsentiert als Szenariengruppe verschiedene demografische, soziale, ökonomische, technologische und ökologische Entwicklungslinien. Politische Entscheidungen steuern ihre Ausprägung erheblich. Die Beschreibung verschiedener Szenarien bietet die Möglichkeit, alternative Abbilder der Zukunft zu zeichnen, um so die Folgen bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen auf das Weltklima aufzuzeigen (Abb. 1).

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Abb. 1: Zeitliche Entwicklung des globalen Kohlendioxidausstoßes von 1990 bis 2100 in sechs Szenarien. Die Schwankungsbreite gibt die Streuung der insgesamt 40 simulierten Szenarien an (Nakicenovic u.a. 2000).

Szenariengruppe A1: Die Welt des globalen Wirtschaftswachstums

  • Ein gemäßigtes Bevölkerungswachstum führt zu einem Anstieg der Weltbevölkerung auf 8,7 Mrd. Menschen bis zum Jahr 2050 und einem anschließenden Abfall auf 7 Mrd. Menschen bis 2100. Zum einen verringert sich die Sterblichkeitsrate durch besseren Zugang zu medizinischer Versorgung, zum anderen geht die Fertilität aufgrund steigenden Wohlstands zurück.
  • Weiters wachsen Regionen wirtschaftlich enger zusammen, was auf die technologischen Fortschritte im Bereich Verkehr und Kommunikation zurückzuführen ist. Dies bringt eine steigende soziale und kulturelle Interaktion mit sich.
  • Die Szenariengruppe A1 wird in drei Gruppen aufgesplittet, welche unterschiedliche Richtungen im technologischen Wandel beschreiben: Beim A1FI-Szenario bilden Technologien auf Basis fossiler Energieträger weiterhin die Mehrheit. Beim A1T-Szenario stellen nicht-fossile Energieträger die Hauptenergielieferanten dar. Im A1B-Szenario werden alle Möglichkeiten zur Energiegewinnung gleichberechtigt eingesetzt.

Szenariengruppe A2: Die „Jeder-kämpft-für-sich-Welt“

  • Die Welt des 21. Jahrhunderts ist heterogen strukturiert. Die Staaten schotten sich in Krisensituationen ab und verhalten sich in der Interaktion mit anderen zurückhaltend. Waren- und Kapitalverkehr fließen schwach, der technologische Wandel verläuft gebremst.
  • Durch nur langsam sinkende Geburtenraten wächst die Bevölkerungszahl stetig, was bis zum Ende des Jahrhunderts eine Weltbevölkerung von 15 Mrd. Menschen zur Folge hat.
  • Neue Technologien und Innovationen werden in einigen Regionen viel schneller eingeführt als in anderen, da sich die Industrie an die lokalen Vorkommen an Rohstoffen, dem Bildungsgrad der Bevölkerung und der Kultur anpasst. Somit führen Länder mit ergiebigen Rohstoffquellen eine ressourcenintensive Wirtschaft, wohingegen jene, denen dieser Zugang fehlt, versuchen, die Abhängigkeit von Importen zu minimieren. Die größten Innovationen sind auf dem Agrarsektor zu erwarten, da der große Bevölkerungszuwachs eine effizientere Landwirtschaft notwendig macht. Dies bedingt gleichzeitig, dass die Entwicklung von Hochtechnologie stark gebremst wird.
  • Der Wohlstand ist ebenfalls unregelmäßig verteilt. In einigen Regionen verringert sich die Einkommensdisparität zwar, in vielen Regionen wird die Kluft zwischen Arm und Reich jedoch noch größer.

Szenariengruppe B1: Die geplante grüne Welt

  • In einer sich rasch verändernden und konvergierenden Welt verschiebt sich (im Gegensatz zu Szenariengruppe A1) das Hauptaugenmerk von wirtschaftlichem Wachstum zur Reinvestition der Gewinne, um die Ressourceneffizienz zu erhöhen, sozial orientierte Institutionen zu schaffen, Verteilungsgerechtigkeit zu erlangen und die Umwelt zu schützen. Im gleitenden Übergang von fossilen zu alternativen Energieträgern wird anfängs hauptsächlich noch fossiles Gas verwendet, durch ein gesteigertes Interesse am Umweltschutz gelingt jedoch den Umstieg auf nicht-fossile Energieträger.
  • Ein rascher Wandel in Richtung einer Dienstleistungs- und Informationswirtschaft geht vonstatten. Die Weltbevölkerung nimmt (wie im Szenariengruppe A1) bis zum Jahr 2050 auf knapp 9 Mrd. Menschen zu und danach bis zum Ende des Jahrhunderts auf 7 Mrd. Menschen ab.
  • Die politischen Anstrengungen, eine homogene Einkommensverteilung und soziale Sicherheit zu erlangen, zeigen Wirkung. Ein dichtes soziales Netz schützt vor Armut und sozialem Ausschluss von schlechter gestellten Bevölkerungsgruppen.

Szenariengruppe B2: Die Welt der grünen Regionen

  • Durch ein gesteigertes Interesse an ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit werden (im Gegensatz zu Szenariengruppe A2) politische und wirtschaftliche Entscheidungen zunehmend von umweltbewussten Bürgern beeinflusst. Internationale Institutionen verlieren zusehends an Einfluss, an ihre Stelle treten lokale und regionale Entscheidungsträger. Es herrscht ein Trend zu lokaler Autarkie. Wohlstand, Gleichberechtigung und Umweltschutz haben hohe Priorität, diese Ziele werden durch enge soziale Netze auf kommunaler Ebene und technologischen Fortschritt erzielt.
  • Die Weltbevölkerung nimmt vor allem aufgrund einer reduzierten Mortalität bis 2100 auf 10 Mrd. Menschen zu, die Fertilität geht dabei ebenfalls leicht zurück.
  • Die internationalen Einkommensunterschiede sinken (jedoch nicht so deutlich wie in den Szenariengruppen A1 und B1).
  • Der technologische Entwicklungsgrad ist global ungleichmäßig verteilt. Im Gegensatz dazu wird auf lokaler Ebene die Landnutzung besser organisiert und in Infrastruktur für mehr Unabhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr und weniger Zersiedelung investiert.

 

Literatur:

Jacob D., Avissar R., Bond G.C., Gaffin S., Kiehl J., Lean J.L., Lohmann U., Mann M.E., Pielke R.A. sr., Ramanathan V., Russell L.M. (2005): Radiative forcing of climate change – Expanding the concept and addressing uncertainties. Washington D.C.: The national Academic Press, 1207 Seiten

Jacob D., Göttel H., Kotlarski S., Lorenz P., Sieck K. (2008): Klimaauswirkungen und Anpassung in Deutschland. Phase 1: Erstellung regionaler Klimaszenarien für Deutschland. Climate Change 11/08, Umweltbundesamt Deutschland (PDF-Datei; 16,1 MB)

Nakicenovic N., Alcamo J., Davis G., De Vries B., Fenhann J., Gaffin S., Gregory K., Grübler A., Jung T.Y., Kram T., La Rovere E.L., Michaelis L., Mori S., Morita T., Pepper W., Pitcher H., Price L. Raihi K., Roehrl A., Rogner H.-H., Sankovski A., Schlesinger M., Shulka P., Smith S., Swart R., Van Rooijen S., Victor N., Dadi Z. (2000): IPCC Special Report on Emissions Scenarios. Cambridge, New York: Cambridge University Press (Website)

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