Schnee
Folgenschwere Schneeschmelze
Die saisonale Schneedecke bedeckt zur Zeit des Wintermaximums durchschnittlich 47 Mio. km², wovon 98 % auf der Nordhalbkugel liegen. Die Schneedecke reagiert sehr empfindlich auf Klimaänderungen, wobei sie durch die Fähigkeit Sonnenenergie zu reflektieren und Wasser zu speichern auch in Wechselwirkung mit dem Klima steht.
Aufgrund des Einflusses der Schneedecke auf den globalen Energie- und Wasserhaushalt spielt ihre räumliche Ausdehnung eine wichtige Rolle für das Klima. Frischer, weißer Schnee reflektiert 80 bis 90 % der Sonneneinstrahlung. Im Vergleich dazu reflektieren Vegetation oder Boden nur 10 bis 20 %. Nimmt die räumliche Ausdehnung der winterlichen Schneedecke ab, wird weniger Energie ins Weltall reflektiert und anstatt dessen von der schneefreien Erdoberfläche absorbiert. Dieser zusätzliche Energieeintrag trägt zu einer Erwärmung der Erde und somit des Klimas bei.
Schnee als Faktor im Strahlungs- und Wasserhaushalt
Ein wärmeres Klima hat wiederum weniger Niederschlag in fester Form und eine geringere Schneedeckendauer zur Folge. Dieser sich selbst verstärkende Prozess wird mit Albedo-Rückkopplung bezeichnet und gehört zur Gruppe der positiven Rückkopplungen des Klimas. Am wirksamsten ist die Albedo-Rückkopplung in den polaren Gebieten. Bedenkt man jedoch, dass im Winter immerhin 30 % der Nordhalbkugel von Schnee bedeckt sind (Abb. 1), erhält man eine Idee des noch vorhandenen Potenzials dieses sich selbst aufschaukelnden Effekts.
- Abb. 1: Durchschnittliche mittlere Schneebedeckung in mm Wasseräquivalent auf der Nordhalbkugel im Jänner (1988–2003, links) und Juli (1988–2002, rechts; NSIDC 2010).
Eine weitere wichtige Eigenschaft des Schnees ist die des Wasserspeichers: Über den Winter wird Wasser in der Schneedecke zurückgehalten, welches bei der Schneeschmelze langsam über Tage und Wochen wieder freigegeben wird. Das Schmelzwasser kann in den Untergrund eindringen, füllt die Grundwasserspeicher und versorgt den Boden, der damit für die kommende Wachstumsperiode gerüstet ist. Ein Winter mit wenig Schnee zieht oft Probleme in der Landwirtschaft und Wasserversorgung durch die Trockenheit von Böden und tiefe Grundwasserstände nach sich. Eine Schneedecke verhindert im Winter zusätzlich ein Abstrahlen der gespeicherten Bodenwärme in die vergleichsweise kühlere Atmosphäre. Sie fungiert somit als guter Isolator und schützt die Pflanzen vor Frost.
Mehr Regen als Schneefall in den Alpentälern
Der Schnee befindet sich bei den in den Alpenländern üblichen Wintertemperaturen häufig nahe seinem Schmelzpunkt und ist dadurch sehr klimasensitiv. Auch zum Leidwesen des Wintertourismus in Österreich ist in Lagen unter 1.000 m ein Ansteigen des flüssigen Anteils am winterlichen Gesamtniederschlag deutlich messbar. Seit den 90er-Jahren fällt zum Beispiel in Kitzbühel im Tal (790 m) in der Wintersaison ungefähr gleich viel Regen wie Schnee (Abb. 2).
- Abb. 2: Langjährige Niederschlagszeitreihen für Kitzbühel (790m). Dünne Linien markieren die Einzeljahre, dicke Linien den 20-jährigen Filter daraus (Böhm 2008).
Südlich des Alpenhauptkammes wurde in Österreich die größte Abnahme sowohl an Tagen mit Schneedecke als auch an der Schneemächtigkeit gefunden (Abb. 3). Eine Erklärung bieten die Langzeittrends der Temperatur und des Niederschlags für Österreich von 1900 bis 2009. Generell wurde für Österreich seit 1900 eine Zunahme der Temperatur um etwa 1,5° C festgestellt. Zusätzlich wurde südlich des Alpenhauptkammes auch eine deutliche Niederschlagsabnahme im Winterhalbjahr um etwa 20 % beobachtet. Diese beobachtete Niederschlagsabnahme ist wahrscheinlich auf eine Änderung der winterlichen Wetterlagen, genauer gesagt auf eine Abnahme der Südanströmungen (z.B. Genua-Tief), zurückzuführen. Dieser Trend in Richtung einer winterlichen Niederschlagsabnahme ist für die Gebiete nördlich des Alpenhauptkammes nicht zu erkennen.
- Abb. 3: Differenz der Schneedeckendauer und Differenz der Schneehöhe zwischen den 20-jährigen Zeiträumen 1980–2000 und 1896–1916 (Jurkovic 2008).
Gebietsdifferenzierte Analysen haben verdeutlicht, dass die winterliche Schneedecke eine hohe zeitliche (Jahr zu Jahr) und räumliche (nördlich und südlich des Alpenhauptkammes, Alpenvorland, Flachland, West-Ost-Gefälle) Variabilität aufweist (Abbildung 4). Deutlich erkennbar ist die markante Abnahme der saisonalen Schneehöhe ab ca. Ende der 1980er. Vermehrt schneereichere Winter sind in Gebieten nördlich des Alpenhauptkammes ab ca. 1995 beobachtbar, südlich davon ab ca. 2005. Im Vergleich zu den schneereichen Wintern in den 60ern und 80ern sind die beobachteten mittleren Schneehöhen dennoch unterdurchschnittlich.
- Abb. 4: Zeitreihen der saisonal (NDJFMA) gemittelten Gesamtschneehöhe [cm] von Stationen zwischen 800m und 1600m. Die Schneezeitreihen sind mit einem Gauss-Tiefpassfilter (Fensterbreite von 11 Jahren) geglättet.
Trends in der saisonal (November bis April) gemittelten Gesamtschneehöhe sind vor allem im Westen und südlich des Alpenhauptkammes signifikant negativ innerhalb der Periode 1961-2010 (Abbildung 5). Hierbei ist es jedoch wichtig zu berücksichtigen, dass die Wahl des Untersuchungszeitraums wesentlichen Einfluss auf die Signifikanz von Trends hat.
- Abb. 5: Trendanalyse nach Mann–Kendall (MK–TFPW, α=0.05) der saisonal (November bis April) gemittelten Gesamtschneehöhe bezüglich der Periode 1961–2010. Signifikant negative Trends sind in Rot dargestellt. Die unterschiedlichen Symbole geben das Messnetzwerk an (Dreieck: Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, ZAMG; Quadrat: Hydrographisches Zentralbüro, HZB).
Im alpinen Raum wirken sich Temperaturschwankungen im Allgemeinen innerhalb verschiedener Höhenlagen unterschiedlich stark aus. So reagiert beispielsweise die Schneedeckendauer (definiert als Tage mit einer Gesamtschneehöhe größer als z.B. 1 cm) in alpinen Lagen zwischen 500 m und 1000 m besonders empfindlich auf Temperaturveränderungen.
Der kombinierte Effekt aus Temperaturzunahme und Niederschlagsabnahme gegen Ende der 1980er sowie während der 1990er Jahre ist vermutlich maßgeblich für die beobachteten Trends verantwortlich. So führte die Temperaturerhöhung nicht nur zu einer Änderung des Anteils festen Niederschlags, sondern auch zu einer verfrühten Ausaperung im Spätwinter. Im Vergleich dazu nahm die Mächtigkeit der Schneedecke besonders in höheren Lagen aufgrund des fehlenden Niederschlags ab. Der Rückgang der Schneereserven hatte wiederum eine Abnahme der Schneedeckendauer zur Folge. In den übrigen Regionen sind beobachtete Trends innerhalb der Zeitperiode 1961 bis 2010 meist statistisch nicht signifikant.
Die hohe Variabilität von großräumigen Wetterlagen überdeckt den langfristigen Trend. Auch ist es schwierig, aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, da sowohl schneereiche als auch trockene Winter von der räumlichen Verteilung der Großwetterlagen abhängen. Die Auswertung von Wetterlagen seit 1948 innerhalb der Wintersaison 1.November bis 30.April hat ergeben, dass ab Mitte der 1980er bis ca. 2005 die Intensität und Frequenz von Südwest-Wetterlagen abgenommen hat bei einer gleichzeitigen Zunahme von Nord/Nordwest-Wetterlagen. Beobachtete signifikant negative Trends besonders südlich des Alpenhauptkammes stehen folglich in engem Zusammenhang mit den in diesem Zeitfenster geänderten klimatologischen Rahmenbedingungen.
Literatur:
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