1 Mio. Jahre

Das aktuelle Eiszeitalter

Die letzte Jahrmillion war von relativ regelmäßigen und einschneidenden Schwankungen zwischen Kaltzeiten (Glaziale, umgangssprachlich Eiszeiten) und Warmzeiten (Interglaziale, Zwischeneiszeiten) gekennzeichnet. Den Takt der Schwankungen geben die astronomischen Erdbahnparameter an, die durch positive Rückkopplungen verstärkt werden. In den längeren Kaltzeiten bilden sich mächtige Inlandeisschilde in Nordamerika und Nordeurasien. In den kürzeren Warmzeiten schmelzen sie völlig ab, während die Eisschilde Grönlands und der Antarktis bestehen bleiben.

Nach dem langsamen, aber stetigen Übergang vom Pliozän zum Pleistozän werden die zyklischen Schwankungen des Erdklimas immer kräftiger mit stark ausgeprägten Kaltzeiten. Etwa seit 900.000 Jahren dominiert ein 100.000-Jahres Zyklus, welcher der Frequenz der Exzentrizität der Erdbahn um die Sonne entspricht. Vor allem die letzten vier dieser Schwingungen waren besonders ausgeprägt. Die frühe Periode des Pleistozäns zeigte eher synchrone Schwankungen zur 41.000 Jahres-Periode, die auf den Veränderungen der Schiefe der Erdachse beruht (Abb. 1).

Das Erdklima schwankt immer kräftiger

Zwischen einer Kaltzeit und einer Warmzeit schwankt die globale Mitteltemperatur in der Größenordnung von 5° C. Auf den Inlandeisschilden Nordamerikas, Grönlands, Nordeurasiens und der Antarktis, in den eisstromnetzartig vereisten Gebirgen und den eisnahen Gegenden sind die Schwankung viel stärker. Beträge von 15 bis 25° C sind aus Eisbohrkernen der Antarktis und Grönlands belegt.

3-1-4_1_Eiszeitalter.png
Abb. 1: Das aktuelle Eiszeitalter im synchronen Takt unterschiedlicher Proxies. Oben: 1,5 Mio. Jahre aus Tiefseebohrkernen (Lisiecki und Raimo 2005). Mitte: 800.000 Jahre aus einem Eisbohrkern mit den letzten vier Kaltzeiten in der alpinen Terminologie (EPICA Community Members 2004). Unten: 1 Mio. Jahre Klimaantrieb durch die Zyklen der Erdbahnparameter (Berger 1980).

Der Übergang von einer ausgeprägten Kaltzeit, die jeweils gegen Ende die tiefsten Temperaturen aufweist, zu einer Warmzeit erfolgt beinahe ruckartig. Der Temperaturrückgang nach einer Warmzeit geht hingegen wesentlich langsamer vor sich. Die pleistozänen Warmzeiten erreichen nicht mehr das Temperaturniveau der langen warmen Perioden von Neogen und Paläogen oder des Mesozoikums. Die kontinentalen Inlandeisschilde schmelzen nicht ab, nur der laurentidische Eisschild in Nordamerika und der eurasische Eisschild in Fennoskandien und Nordrussland verschwinden.

Kaltzeiten enden abrupt

Durch die Bindung von Wasser in den kontinentalen Eiskörpern sinkt der Meeresspiegel in den Kaltzeiten um bis zu 120 m, wodurch manche Ozeanteile (z.B. Nordsee, Beringsee, Nordadria, Ärmelkanal) trocken fallen. Es entstehen Landbrücken, die sowohl für die Ausbreitung von Tier- und Pflanzenarten, als auch für die des Menschen (z.B. die Besiedlung Nordamerikas in der letzten Kaltzeit) wichtig waren. Im unmittelbaren Vereisungsbereich kommt es hingegen zu einer Verarmung der Fauna, für deren Wiederherstellung die Dauer der Warmzeiten meist nicht ausreicht. Dass die Pflanzenbedeckung in Kaltzeiten dramatisch reduziert ist, beweisen die mächtigen Lössablagerungen, die sich von China bis Mitteleuropa ziehen. Sie wurden durch die Stürme der Kaltzeiten weithin vertragen. Wegen der stärkeren Temperaturunterschiede zwischen Polargebieten und Subtropen ist das Windsystem der mittleren Breiten in Kaltzeiten weitaus aktiver als in den ruhigeren Warmzeiten.

Wie kommen Kalt- und Warmzeiten zustande?

Trotz des offensichtlichen Einflusses der astronomischen Zyklen ist der genaue Mechanismus Schwankungen zwischen Kalt- und Warmzeiten noch nicht zweifelsfrei geklärt. Man versucht daher, auch andere Mechanismen heranzuziehen: Eine Theorie besagt, dass Eismassen, die Druck auf den Untergrund ausüben, instabil werden und dann viel Eis in die umgebenden Ozeane kalben. Andere Theorien messen den Niederschlägen Bedeutung zu, da die Atmosphäre der Kaltzeiten viel weniger Feuchte als jene der Warmzeiten beinhalten kann. Nicht zuletzt spielt beim Auf- und Abbau die zu- bzw. abnehmende Seehöhe der Eisoberfläche eine Rolle. Weil die Lufttemperatur mit steigender Höhe sinkt, gelangt die Oberfläche eines anwachsenden Eiskörpers in immer kältere Umgebung bzw. die eines abschmelzenden Eiskörpers in immer wärmere Umgebung. Auf- bzw. Abbau der Eiskörpers beschleunigen sich.

Mit größter Wahrscheinlichkeit spielen alle erwähnten Vorgänge eine Rolle, ihr zahlenmäßiges Verhältnis zueinander ist allerdings noch unklar. Die Quantifizierung ist dann zu erwarten, wenn die Computerkapazität erlaubt, universelle Erdsystemmodelle in hoher räumlicher Auflösung Jahrzehntausende lange Simulationsläufe unternehmen zu lassen. Das komplette Klimasystem unter Einschluss von Kryosphäre und Biosphäre würde dann nachvollzogen.

Alles in allem war und ist – gegenwärtig herrscht eine Zwischeneiszeit, keine Nacheiszeit – das Pleistozän eine sehr unruhige Klimaperiode, gekennzeichnet durch sowohl räumlich als auch zeitlich größere Differenzierung und Variabilität.

 

Literatur:

Wir danken Dr. Jürgen Reitner von der Geologischen Bundesanstalt in Wien, der zu diesem Beitrag mit seiner Fachexpertise wesentlich beigetragen hat.

Behre K.E. (1993): Die nacheiszeitlichen Meeresspiegelbewegungen und ihre Auswirkungen auf die Küstenlandschaft und deren Besiedlung. In: Schellnhuber H.J., Sterr H. (Hg.): Klimaänderung und Küste. Heidelberg: Springer, ISBN 978-3540559252, 57–76

Berger A. (1980): The Milankovitch astronomical theory of paleoclimates. A modern review. Vistas in Astronomy 24/2, 103–122, doi:10.1016/0083-6656(80)90026-4

EPICA community members (2004): Eight glacial cycles from an Antarctic ice core. Nature 429, 623–628, doi:10.1038/nature02599

Klostermann J. (2009): Das Klima im Eiszeitalter. 2. Aufl. Stuttgart: Schweizerbart, 260 Seiten, ISBN 978-3-510-65248-8

Lisiecki L.E., Raymo M.E. (2005): A Pliocene-Pleistocene stack of 57 globally distributed benthic δ18O records. Paleoceanography 20, PA1003, doi:10.1029/2004PA001071

Milanković M. (1941): Kanon der Erdbestrahlung und seine Anwendung auf das Eiszeitenproblem. Belgrad: Académie royale serbe. Editions speziales 132, 633 Seiten

Müller-Beck H. (2005): Die Eiszeiten. Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte. München: Beck, 128 Seiten, ISBN 3406508634

Nilsson T. (1983): The Pleistocene. Geology and life in the Quaternary ice age. Stuttgart: Ferdinand Enke, 651 Seiten, ISBN 978-9027714664

Penck A., Brückner E. (1901–1909): Die Alpen im Eiszeitalter. 3 Bände. Leipzig: Tauchnitz, 1199 Seiten

Raymo M.E. (1997): The timing of major climate terminations. Paleoceanography 12/4, 577–585, doi:10.1029/97PA01169

Ruddiman W.F. (2008): Earth’s climate. Past and future. 2. Aufl. New York: Freeman, 465 Seiten, ISBN 978-0-7167-8490-6

van Husen D. (1999): Geological processes during the Quaternary. Mitteilungen der Österreichischen Geologischen Gesellschaft 92, 135–156 (PDF-Datei; 4,08 MB)

Sonnblick-Observatorium
zur Sonnblick-Website (© ZAMG)
Phänologie-PhenoWatch
zum Phänologie-Portal (© ZAMG)
HISTALP
zur HISTALP-Website (© ZAMG)