Lufttemperatur

Der Anstieg der Lufttemperatur im 20. Jahrhundert steht fest. Doch warum stieg die Temperatur in Österreich stärker als im globalen Mittel?

Erwärmung in Etappen

Seit der vorindustriellen Zeit hat sich die globale Mitteltemperatur um ca. 0,9° C erhöht (Mittel 1991-2020 im Vergleich zum Mittel 1850-1900). Auch und besonders in Österreich ist es wärmer geworden, allerdings nicht stetig und mit jahreszeitlichen Unterschieden. Hier betrug die Temperaturzunahme im Tiefland sogar 1,9° C (Mittel 1991-2020 im Vergleich zum Mittel 1850-1900). Der Grund, warum sich gerade diese Region doppelt so stark erwärmt hat wie die Erde als Ganzes, ist bekannt.

Wenn man vom Klimawandel spricht, denken die meisten an die vom Menschen hauptverantwortete Zunahme der Lufttemperatur, die im globalen Maßstab seit 1900 in etwa 1° C betrug. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass mehr als die Hälfte dieser Erwärmung nicht auf natürliche Ursachen wie Variationen der solaren Einstrahlung, Vulkanaktivität u. a. zurückgeht, sondern in erster Linie durch die stark gestiegenen anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen verursacht wurde.

Doppelt so starke Erwärmung in Österreich

Abbildung 1 zeigt die globale Temperaturentwicklung seit 1850, also des durch Messdaten belegten Zeitraums. Die Jahre 2011-2020 waren mit einer Abweichung von knapp +0,8° C (im Vergleich zum Zeitraum 1961–1990) das bisher wärmste vollständige Jahrzehnt. Alleine in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends (2001–2022) erwärmte sich die bodennahe Atmosphäre um ungefähr 0,4° C. Vorläufiger Spitzenreiter der globalen Temperatur ist 2016, gefolgt von 2020, 2019, 2017, 2015, 2022, 2018, 2021, 2010 und 2014.

Regional gibt es natürlich Abweichungen vom weltweiten Erwärmungstrend. Wie man aus Abbildung 1 erkennt, gehört Österreich zu den Regionen, in denen die Temperaturzunahme stärker als im weltweiten Mittel ausgefallen ist – und zwar etwa doppelt so stark. Hauptursache dafür ist, dass sich die Luft über Landflächen generell rascher erwärmt als über den thermisch trägeren Ozeanen. Im Vergleich zu nur den globalen Landflächen (also ohne Berücksichtigung von Temperaturmessungen über den Meeren) ist der Anstieg in Österreich immer noch höher. Hier spielt die seit den 1980er Jahren gestiegene bodennahe solare Einstrahlung höchstwahrscheinlich eine entscheidende Rolle.

Innerhalb Österreichs verliefen die Langzeitvariationen des Temperaturverlaufs in großer räumlicher Übereinstimmung. Nennenswerte Unterschiede in der Temperaturentwicklung gab es weder in den unterschiedlichen Regionen noch im Vergleich zwischen tiefen und hohen Lagen.

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Abb. 1: Entwicklung der mittleren Jahrestemperatur weltweit 1850–2022 (violett) und in Österreich 1768–2022 (rot). Dargestellt sind jährliche Abweichungen vom Mittel der Jahre 1961–1990 (dünne Linien) und deren geglättete Trends (dicke Linien, 21-jähriger Gauß’scher Tiefpassfilter) (Morice u.a. 2021, Auer u.a. 2007 aktualisiert).

Treibhausgase sind für den Temperaturanstieg hauptverantwortlich

Die Temperaturzunahme erfolgte jedoch nicht stetig, sondern war von Phasen rascher Erwärmung und zwischenzeitlicher Abkühlung überlagert (Abb. 1). Die Verfügbarkeit homogenisierter Messdaten aus Österreich erlaubt einen genauen Blick auf die Temperaturentwicklung schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts: Nach einer anfänglichen Erwärmung gegen Ende des 18. Jahrhunderts war das 19. Jahrhundert von einer schwachen, aber anhaltenden Abkühlung geprägt. Der weltweit beobachtete stufenweise Temperaturanstieg des 20. Jahrhunderts ist auch in Österreich erkennbar: Auf eine erste Erwärmung in den ersten vier Jahrzehnten folgte eine vorübergehende Abkühlung in den 1950er- bis 1970er-Jahren. In den 1980er-Jahren setzte die intensive Erwärmung der Gegenwart ein. 1829 ist das kälteste, 2018 das wärmste Jahr der österreichischen Temperaturreihe.

In groben Zügen lässt sich diese Temperaturentwicklung mit der Wirtschaftsentwicklung in Zusammenhang bringen: Die Erwärmungsphase des frühen 20. Jahrhunderts wird in Folge der Industrialisierung als Übergang vom natürlichen Klima, in dem solare und vulkanische Einflüsse praktisch allein ausschlaggebend waren, zum menschlich beeinflussten Klima mit einsetzendem anthropogenen Treibhauseffekt gesehen. Die Abkühlung nach der Jahrhundertmitte in den Jahrzehnten des Wirtschaftswachstums ist durch den Effekt des anthropogenen Aerosolausstoßes, hauptsächlich Sulfatpartikel aus der Verbrennung von Kohle und Erdöl, verursacht, indem die Aerosole die am Erdboden eintreffende Sonnenstrahlung durch Absorption und Reflektion abmindern (sog. „global dimming“). Als gegen Ende des 20. Jahrhunderts Maßnahmen zur Luftreinhaltung, speziell zur Reduktion des Partikelausstoßes zu greifen beginnen (sog. „global brightening“) und sich zusätzlich der Treibhausgasausstoß aus Industrie und Verkehr deutlich verstärkt, tritt die Erde endgültig ins anthropogene Treibhauszeitalter ein.

Temperaturentwicklung in den Jahreszeiten

Neben den räumlichen und zeitlichen Variationen der instrumentellen Temperaturgeschichte deckt die Betrachtung einzelner Jahreszeiten interessante Unterschiede auf (Abb. 2). So gab es in Österreich in den 1890er-Jahren besonders strenge Winter, in den 1910er-Jahren hingegen besonders milde. Beispiellos sind die überwiegend milden Winter seit Ende der 1980er-Jahre. Das Temperaturklima der Wintermonate erfuhr schon in den Jahren 1890 bis 1915 einen deutlichen Übergang auf ein seither höheres Niveau. Für die Sommermonate dauerten die kühleren Bedingungen noch etwas länger an. Hier trat der Wendepunkt erst um 1910 ein, wonach die oben beschriebene zweistufige Erwärmung stärker ausgeprägt war als im Winter. In den 1810er- und 1910er-Jahren traten besonders kühle Sommer auf, um 1950 und während der letzten ca. 40 Jahre waren die Sommer besonders warm. Nur selten verliefen die beiden Jahreszeiten synchron, gerade aber in den letzten Jahrzehnten, was zu der besonders starken Erwärmung des Gesamtjahres beiträgt. 2003 ist als wärmster Sommer seit Messbeginn, 2006/07 im Tiefland als mildester Winter der zumindest letzten 250 Jahre in guter Erinnerung. Im Vergleich aller Saisonen (Mittel der aktuellen Klimanormalperiode 1991-2020 gegenüber dem Bezugszeitraum 1961-1990) ist die Erwärmung im Tiefland im Sommer und Frühling am stärksten (+1,8° C bzw. +1,4° C), gefolgt vom Winter (+1,2° C), am schwächsten ist sie im Herbst (+0,8° C), siehe Abb. 2. Den größten Unterschied in der saisonalen Erwärmung zwischen tiefen und hohen Lagen gibt es im Herbst (+0,4° C in den Gipfelregionen vs. +0,8° C im Tiefland, siehe Abb. 3).

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Abb. 2: Entwicklung der mittleren Winter- (blau), Frühlings- (grün), Sommer- (rot) und Herbsttemperatur (gelb) in Österreich 1767–2022. Dargestellt sind jährliche Abweichungen vom Mittel der Jahre 1961–1990 (dünne Linien) und deren geglättete Trends (dicke Linien, 21-jähriger Gauß’scher Tiefpassfilter) (Olefs et al., 2019 aktualisiert).

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Abb. 3: Entwicklung der mittleren Winter- (blau), Frühlings- (grün), Sommer- (rot) und Herbsttemperatur (gelb) im Tiefland bzw. in den Gipfelregionen (schwarze Linien) Österreichs 1767–2022. Dargestellt sind jährliche Abweichungen vom Mittel der Jahre 1961–1990 (dünne Linien) und deren geglättete Trends (dicke Linien, 21-jähriger Gauß’scher Tiefpassfilter) (Kuhn und Olefs, 2020 aktualisiert).

 

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