Kritik

Bestehende Unsicherheiten müssen als Auftrag zu weiteren Forschungsanstrengungen zur Verbesserung betrachtet werden.

Wie gut werden natürliche Klimaantriebe berücksichtigt?

Wenn der Anteil der einzelnen Klimaantriebe an der Entwicklung der globalen Temperatur von den Klimamodellen falsch eingeschätzt würde, auch wenn sie in Summe bisher ein realistisches Ergebnis geliefert haben, wären Zukunftssimulationen verfälscht. Darüber hinaus sind andere Klimaantriebe als der anthropogene in Zukunftsszenarien nur teilweise berücksichtigt, denn nicht alle lassen sich vorhersagen.

Die Funktionalität von globalen Klimamodellen wurde in den letzten Jahren wesentlich weiterentwickelt. Die im 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC (Masson-Delmotte et al., 2021) bewerteten Modelle weisen nicht nur eine höhere räumliche Auflösung als frühere Modellgenerationen auf, sie können auch relevante physikalische, chemische und biologische Prozesse wesentlich besser repräsentieren. 

Dies ermöglicht sowohl eine genauere Wiedergabe der globalen Mitteltemperatur als auch weiterer Aspekte des Klimasystems, teilweise auch sog. Rückkopplungsmechanismen: Veränderungen infolge der globalen Erwärmung von Wolkenbedeckung, Ozeantemperaturen, Landbedeckung, oder der Rückstrahlung von eisbedeckten Flächen werden in der neuesten Generation globaler Klimamodelle bereits teilweise berücksichtigt. Auch wenn es im Klimasystem nach wie vor schwer einschätzbare Größen gibt, wie etwa die tatsächliche Mächtigkeit und Dynamik der Eisschilde, so wurde die Sensitivität der Modelle auf unterschiedliche natürliche und anthropogene Klimaantriebe (Sonnenaktivität, vulkanische Aerosole, Treibhausgase usw.) dennoch insgesamt verlässlicher. Dies zeigen Modell-Simulationen von vergangenen Klimaperioden im Vergleich mit Messreihen.

Anthropogener Klimaantrieb überbewertet?

Belege für den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel werden zunehmend deutlicher: Wurde im 4. IPCC-Sachstandsreport (2007) noch von einer „eindeutigen Erwärmung des Klimasystems“ ausgegangen, die „sehr wahrscheinlich“ durch den Menschen verursacht wird, und im 5. Sachstandsbericht (2013) von einem „eindeutigen“ anthropogenen Einfluss, so gilt der Mensch im Jahr 2022 mittlerweile als „Hauptverursacher“ viele Klimaveränderungen infolge von Treibhausgasemissionen.

 Zu keiner Zeit in den letzten 2 Millionen Jahren waren die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre so hoch wie zuletzt und zu keiner Zeit in den letzten 800.000 Jahren die Methan- und Lachgaskonzentrationen. Die Anstiege der Treibhausgaskonzentrationen erfolgten darüber hinaus innerhalb von 250 Jahren und damit wesentlich rascher als im Zuge früherer Klimaänderungen.

Auch zwischenzeitlich geringere Erwärmungsraten der Atmosphäre, wie sie etwa im Zeitraum 1998-2012 beobachtet wurden, sind kein Widerspruch zu den projizierten Klimaszenarien. Die vermeintliche „Pause“ des Klimawandels in jenem Zeitraum konnte kurzfristigen Schwankungen im Klimasystem, der Sonneneinstrahlung und vulkanischen Ereignissen zugeordnet werden. Denn sowohl die Ozeantemperaturen also auch extreme Hitzeereignisse nahmen weiter zu und zeigten dadurch, dass sich die Erwärmung des gesamten Klimasystems ungebremst fortsetzte.

Zur Vorhersage zukünftiger natürlicher Klimaantriebe

Die Emissionsszenarien liefern eine anschauliche Abschätzung zukünftiger Treibhausgasemissionen. Dennoch können auch unvorhersagbare und seltene Naturereignisse, die nicht durch Menschen verursacht werden - etwa eine Serie von Vulkanausbrüchen - das Klima global und regional über Jahre hinweg beeinflussen. Aufgrund ihrer Unberechenbarkeit sind sie nicht in den Emissionsszenarien berücksichtigt. Ebenso sind manche Rückkopplungs-Effekte der Erwärmung wie die zusätzliche Freisetzung von Treibhausgasen durch Sumpfgebiete, durch das Auftauen von Permafrost und durch Waldbrände nur teilweise in den Klimamodellen erfasst. Es besteht aber die gut abgesicherte Annahme, dass diese zusätzlichen Treibhausgase aus natürlichen Quellen die Klimaerwärmung weiter beschleunigen, auch wenn sie diese im Vergleich zu den anthropogenen Treibhausgasen nicht dominieren.

Für die Vorhersage zukünftiger Klimaantriebe gilt, dass natürliche Klimaantriebe das Fortschreiten des Klimawandels über einige Jahre hinweg sowohl verlangsamen also auch beschleunigen können. Dagegen verursacht der menschliche Einfluss über Jahrzehnte hinweg ein Klimasignal, das sich mittlerweile deutlich von der natürlichen Variabilität des Klimasystems abhebt (siehe Abbildung 1).

 

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Abb. 1: Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, Abbildungen AR6-WG1-SPM, https://www.de-ipcc.de/360.php (zuletzt abgerufen: 1.10.2022), Übersetzung von „Summary for Policy Makers“, Fig. SPM.1 „History of global temperature change and causes of recent warming“, S. 6.

 

Stärken-Schwächen-Analyse hilfreich

Es wird noch einige Zeit an Entwicklung brauchen, um die Balance der Antriebe in den Klimamodellen richtig wiederzugeben. Fundamentalkritik an der Leistung von Klimamodellen kommt jedoch Realitätsverweigerung gleich. Entscheidend bleibt, klar zu unterscheiden, welche Ergebnisse Klimamodelle mit einiger Sicherheit liefern können (vgl. Artikel zu Stärken) und welche noch nicht (vgl. Artikel zu Schwächen).

 

Literatur:

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