Antarktis
Dynamischer als angenommen
Die Bestimmung des Massenhaushalts der Antarktis ist mit großen Unsicherheiten verbunden. Das ist vor allem auf die Größe und die lebensfeindlichen Bedingungen des Kontinents zurückzuführen. Die Folge sind räumlich relativ spärliche Daten für nur kurze Zeiträume, die das Treffen von verlässlichen Aussagen erschweren. Trotzdem zeigen unabhängige, wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre übereinstimmend einen Massenverlust.
Die weltweit größte Ansammlung an Eis findet man auf dem antarktischen Kontinent. Die Antarktis ist mit einer mittleren Seehöhe von mehr als 2200 m der höchstgelegenste und trockenste Kontinent der Erde. Das antarktische Eisschild weist eine mittlere Eisdicke von 1856 m mit Maximaltiefen von über 4000 m auf (Abb. 1). Unter der antarktischen Eisdecke hat man in den letzten Jahren über Fernerkundungs- und geophysikalische Erkundungsmethoden hunderte subglaziale Seen entdeckt, die teilweise miteinander verbunden sind.
Hunderte unterirdische Seen beeinflussen die Eisdynamik
Dieses subglaziale Wasser und dessen Dynamik hat wahrscheinlich großen Einfluss auf die Eisdynamik und somit auch auf den Massenhaushalt. Das Verständnis dieses Einflusses ist momentan noch sehr lückenhaft und kann noch nicht in Modelle gefasst werden. Aufgrund der möglichen folgenschweren Konsequenzen des eustatischen Meeresspiegelanstiegs handelt es sich hierbei um ein hochaktuelles Forschungsthema.
Oberflächlich schmilzt das Eis kaum
Der Massenhaushalt des antarktischen Eisschilds wird vor allem von eisdynamischen Vorgängen dominiert. Betrachtet man die Karte der mittleren Jahrestemperaturen der Antarktis (Abb. 2), so ist ersichtlich, dass oberflächliche Schmelzvorgänge eine untergeordnete Rolle spielen. Lediglich in den küstennahen, wärmeren Gebieten ist dieser Prozess nicht vernachlässigbar.
Der Massenverlust geschieht über Eisströme
Der eisdynamische Massenverlust wird vorwiegend über einzelne, räumlich klar begrenzte Eisströme bewerkstelligt (Abb. 3), die sich in subglazialen Talstrukturen bilden. Bei Eisströmen kann man aktivere und ruhigere Phasen beobachten. Diese Variabilität der Fließgeschwindigkeit spielt sich innerhalb unterschiedlicher Zeiträume (Stunden bis Jahrhunderte) ab und kann mit Akkumulationsvariationen, Gezeiten, Gletscherbetteigenschaften usw. in Zusammenhang gebracht werden. Der Einfluss der derzeitigen Klimaerwärmung auf die Fließgeschwindigkeit der Eisströme zählt momentan zu den großen Fragen der Glaziologie.
Kalben bis zum Kollaps
Viele Eisströme der Antarktis münden in ein Eisschelf. Bei einem Eisschelf handelt es sich um einige hundert Meter bis wenige Kilometer dickes, schwimmendes Eis, das fix mit dem Festlandeis verbunden ist. Das Ende eines Eisschelfs bildet eine nahezu vertikale Eiswand zum Meer, die über den Prozess des Kalbens an Masse verliert. Das Kalben geschieht unterschiedlich schnell. Sehr hohe Kalbungsraten, die bis zum völligen Kollaps des Eisschelfs führen, konnte man in den letzten Jahrzehnten vor allem an der antarktischen Halbinsel beobachten (Abb. 4).
Komplexe Eisdynamik
Das Abschmelzen bzw. Kollabieren eines Eisschelfs hat keinen direkten Einfluss auf den eustatischen Meeresspiegelanstieg. Eine indirekte Folge ist aber eine zwei- bis achtfache Beschleunigung der unmittelbar angrenzenden Eisströme. Dies führt zu einem erhöhten Massenverlust des Inlandeises und einem Meeresspiegelanstieg. Die Prozesse die zur Disintegration eines Eisschelfs führen und die Folgen werden momentan in mehreren Forschungsprojekten untersucht. Der globale Anstieg der Luft- und infolgedessen der Meerestemperatur sowie die Meeresströmungen sind jedenfalls wesentliche Einflussfaktoren. Für die Schmelze an der Eisschelf-Ozeanwasser-Grenze aufgrund des Zustroms von wärmerem Meerwasser, konnte man Beträge von mehreren Metern pro Jahr beobachten.
Die Antarktis verliert an Masse
Die verbesserte Methodik zum Erfassen der Eisschilde der Erde lässt ein immer konsistenteres Bild über den Zustand der Antarktis zu. Laut dem lezten IPCC Bericht (IPCC, 2013) verliert die Antarktis aktuell an Masse und hat auch in den letzten 20 Jahren an Masse verloren. Die im IPCC (2013) publizierten Verlustraten sind das Ergebnis aktueller Studien von zehn unterschiedlichen Forschungsgruppen. Die Einzelergebnisse wurden dabei mit den unterschiedlichen methodischen Massenbilanzansätzen berechnet. Die durchschnittliche Massenbilanz für die gesamte Antarktis ergab -97 (±38) Gigatonnen pro Jahr ([Gt/a]) für den Zeitraum 1993-2010 und -147 (±74) Gt/a für den Zeitraum 2005-2010. Das entspricht einem jährlichen Meeresspiegelanstieg von 0.27 mm/a (1993-2010), bzw. von 0.41 mm/a (2005-2010).
Zusammenfassend zeigt sich aber kein einheitliches Verhalten der Antarktis (siehe „Regionen der Antarktis“). Die Beobachtungen der letzten Jahre zeigen ein dynamisches Bild der Antarktis, dass noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wäre. Die aktuellen Massenverluste werden vor allem durch die Beschleunigung von Ausflussgletschern der nördlichen antarktischen Halbinsel und der Amundsen See (West-Antarktis) verursacht. Während die antarktische Halbinsel und die Westantarktis einen sich beschleunigenden Massenverlust zeigen, konnte für die Ostantarktis ein Massenzuwachs verzeichnet werden.
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