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10.08.2020

Zwei kräftige Erdbeben in Tirol

Zwei kräftige Erdbeben in Tirol

In der Nacht von 8. auf 9. August 2020 erschütterten zwei kräftige Erdbeben das Tiroler Oberland. Die Epizentren lagen 5 km nordöstlich von Zams, knapp südlich des Inntals (47,18°N, 10,65°O). Das Hauptbeben am 8. August um 21:44 Uhr MESZ erreichte eine Magnitude von 4,1 und wurde von der Bevölkerung in weiten Teilen Tirols, in Vorarlberg und in der östlichen Schweiz verspürt. Im Unterinntal wurden die Erschütterungen bis Jenbach wahrgenommen. Die Tiefe des Erdbebens betrug 10 km.

Starke Erschütterungen wurden beobachtet

Besonders im Bereich des Epizentrums – in den Orten Zams, Schönwies, Fließ und Landeck – wurde das Beben stark wahrgenommen. Viele Personen erschraken und flüchteten aus den Häusern. In einigen Fällen sind Gegenstände umgefallen und Risse im Verputz aufgetreten. Über stärkere Schäden sind keine Berichte eingelangt.

Um 9. August folgte um 02:50 Uhr MESZ ein starkes Nachbeben, das eine Magnitude von 3,3 erreichte. Es weckte ebenfalls zahlreiche Bewohner aus dem Schlaf und wurde von vielen deutlich verspürt, von einigen auch stark. Gegenstände bewegten sich und ein lautes Grollen war zu hören.

Ein weiteres Nachbeben der Magnitude 2,4 wurde um 05:19 Uhr MESZ in einigen Orten zwischen Landeck und Arzl im Pitztal schwach bis deutlich wahrgenommen.

Zwei kräftige Erdbeben in Tirol

Die Karte zeigt alle Orte, aus denen Meldungen zum Erdbeben bei Zams vom 8. August 2020 um 21:44 Uhr MESZ beim Erdbebendienst der ZAMG eingelangt sind.

Insgesamt wurden zu den drei gefühlten Beben mehr als 2000 Meldungen über das Online-Wahrnehmungsformular (www.zamg.ac.at/bebenmeldung) an den Erdbebendienst gesendet. Etwa 1850 Berichte betreffen das Hauptbeben.

Zahlreiche Nachbeben instrumentell registriert

Nach Erdbeben dieser Stärke ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass in den nächsten Tagen und Wochen Nachbeben in diesem Gebiet auftreten, die von der Bevölkerung auch verspürt werden können. In den Stunden nach den Beben wurde eine hohe Erdbebentätigkeit festgestellt. Zahlreiche kleine Nachbeben konnten instrumentell erfasst und lokalisiert werden (Link zur Bebenliste und Karte).

Registrierung des Erdbebens vom 8. August um 21:44 Uhr MESZ mit Epizentrum bei Zams an der Strong-Motion-Station NATA (Namlos) und der Breitbandstation FETA (Feichten, Kaunertal) des Erdbebendienstes der ZAMG.

Typisches Erdbebenland Tirol

In den letzten Jahren war Tirol stets das Bundesland mit den meisten gefühlten Erdbeben in Österreich. Erdbeben mit einer Magnitude von 4,0 oder höher treten in Tirol jedoch relativ selten auf, im langjährigen Durchschnitt alle sieben bis acht Jahre.

Am 19. Mai 2007 ereignete sich ein Erdbeben der Magnitude 4,2 ebenfalls im Raum Zams, das Epizentrum lag nur wenige Kilometer weiter westlich als das aktuelle starke Erdbeben. Damals wurden auch leichte Schäden an Gebäuden gemeldet. Gemäß ÖNORM EN 1998-1 befindet sich das Epizentrum in Zone 3, dies entspricht der zweithöchsten Gefährdungszone in Österreich.

Tektonische Ursache

Die Erdbeben, die wir in den Alpen beobachten, sind eine Folge der Kollision zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Platte, wobei die Afrikanische Platte nach Norden driftet. In Tirol findet die stärkste Bebentätigkeit entlang der Inntal-Störung (Unterinntal), der Telfs-Störung und ganz im Westen im Bereich der Inntal-Scherzone und der Klostertal-Störung statt. Erste Untersuchungen der Herdmechanismen der beiden stärksten Beben vom 8. und 9. August 2020 (Magnitude 4,1 und 3,3) zeigen eine entlang der beinahe West-Ost verlaufenden Klostertal-Störung ausgerichtete Seitenverschiebung als wahrscheinlichste Ursache. Bei solchen Herdflächenlösungen werden jeweils zwei zueinander um 90 Grad gedrehte Flächen gefunden, wobei nur eine der tatsächlichen Bruchfläche entspricht. Die Verteilung der Nachbeben kann hier einen Hinweis auf die Lage der richtigen Bruchfläche geben. Kartierungen von tektonischen Grenzlinien finden sich als Service bei den Webapplikationen der Geologischen Bundesanstalt (Multithematische geologische Karte von Österreich 1:1.000.000, https://www.geologie.ac.at/services/webapplikationen/multithematische-geologische-karte).

Starke Erdbeben in der Vergangenheit

Dass das Tiroler Oberland zu den typischen Erdbebengebieten Österreichs zählt, zeigen auch bedeutende Erdbeben im 19. und 20. Jahrhundert. Zweimal ereigneten sich starke Schadensbeben bei Nassereith, nordöstlich von Imst, und zwar am 28. November 1886 (Intensität 7-8 Grad nach EMS-98/Europäische Makroseismische Skala 1998) und am 13. Juli 1910 (Intensität 7, EMS-98). In Namlos, etwa 15 km nordwestlich von Imst, lag das Epizentrum eines Starkbebens am 8. Oktober 1930, das ebenfalls starke Schäden verursachte und eine Intensität von 7-8 Grad (EMS-98) aufwies. Heute betreibt der Erdbebendienst der ZAMG in Namlos eine Strong-Motion-Station, mit deren Hilfe die aktuellen Erdbeben in einer Entfernung von weniger als 20 km sehr gut registriert werden konnten (vgl. Abbildung oben).

Eine umfangreiche Studie zu Erdbeben in Tirol mit besonderer Berücksichtigung der historischen Erdbeben, durchgeführt am Erdbebendienst der ZAMG, wird demnächst abgeschlossen.

Der Erdbebendienst der ZAMG
Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
1190 Wien, Hohe Warte 38
Telefon: +43 1 360 26 2508
E-Mail

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