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17.07.2020

Vor 350 Jahren: Das Erdbeben vom 17. Juli 1670 in Tirol

Eines der stärksten Erdbeben in Tirol ereignete sich am 17. Juli 1670. In Hall in Tirol wurden viele Häuser beschädigt, einige stürzten ein. Viele Häuser mussten durch Baumstämme gepölzt werden, später verstärkte man die betroffenen Gebäude in Hall und Innsbruck durch sogenannte Erdbebenmauern oder -pfeiler, Vorbauten aus Höttinger Breccie, die auch heute noch das Stadtbild prägen (siehe Abbildung 3).

Das Erdbeben ist durch zeitgenössische Quellen bestens belegt. Aus den zahlreichen Beschreibungen über die Auswirkungen des Bebens war es möglich, das Epizentrum bei Hall in Tirol und die Epizentralintensität mit 8 Grad auf der 12-teiligen EMS-98 (Europäische Makroseismische Skala) zu rekonstruieren. 8 Grad bedeutet, dass an vielen Gebäuden einfacher Bausubstanz schwere Schäden auftreten, d. h. Giebelteile und Dachgesimse können herabstürzen und einige Gebäude sehr einfacher Bauart können sogar einstürzen. Das Beben forderte neun Todesopfer in Hall in Tirol und Thaur.

Das Beben fand um 2:00 Uhr nachts statt. Die Magnitude wird mit 5,2 bei einer angenommenen Herdtiefe von 6 km bestimmt. Eine Nachbebentätigkeit von über 50 Tagen ist bei dieser Magnitude plausibel und wird auch in den Quellen angesprochen.

Vor 350 Jahren: Das Erdbeben vom 17. Juli 1670 in Tirol

Abbildung 1: Noch heute zeugt in Innsbruck am Prunkerker des Neuhofs, dem Goldenen Dachl, eine Inschrift über dem Torbogen von dem schweren Beben am 17. Juli 1670. Die Inschrift, 1671 angebracht, ist in Form eines Chronogramms abgefasst und erinnert an die vielen Erdbeben (Vorbeben, Hauptbeben, Nachbeben) von 1670 bis 1671.

Vor 350 Jahren: Das Erdbeben vom 17. Juli 1670 in Tirol

Abbildung 2: Detail der Inschrift am Goldenen Dachl in Innsbruck.

… das khain haus leicht zu Ynsprugg zu finden ohne riss, ohne spalt, ohne anderen schaden  … – Die Auswirkungen des Erdbebens in Innsbruck

Einer der zeitgenössischen Texte über das Beben stammt vom Tiroler Johannes Sigmund von Rost zu Kehlburg und Aufhofen (1653–1729), der zur Zeit des Bebens in Innsbruck studierte; in seinem Tagebuch notierte er die Ereignisse um das Erdbeben in Innsbruck und Hall:

Ybrigens hab ich zu Insprugg weil ich gstudiert ausser etlich schenen Comedien wenig denkwirdiges gschöchen; doch aber mueß ich gleichwol auch eine Meldung tun von jenigen großen Ertpiden, so anno 1670 in Monat Juli an St. Alexii Nacht zwischen 2 und 3 Uhr zu Hall und Insprugg … seint verspirt worden…“

Der Schrecken war groß … „Als nun volgents der Tag angeprochen und dise Forcht in etwas gewichen, hat man ainen ohne Huet, den andern ohne Schuech oder Strimpf, den 3ten nur in Hosen etlich wol auch allein in Hemat gesöchen, dass aso nicht der 10ente recht beclaidet ware. Mann hat wol kheinen lachendt, sondern alswann halbs Tote daher giengen, gesöchen. Zu Insprugg doch ist (Got Lob) ein ieder mit Leben darvon khumben, seint auch die Heiser bei weiten nicht so verderbt worden als wie zu Hall.

Nicht nur die Ringmauer in Innsbruck wurde durch das Erdbeben beschädigt, auch zahlreiche sakrale (darunter die Pfarrkirche St. Jakob und die Hofkriche), sowie profane Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Bemerkenswert ist, dass der damalige Hofbaumeister Christoph Gumpp für die Witwe Erzherzog Ferdinand Karls, Anna de’ Medici, als Folge des Ereignisses von 1670 eine erdbebensichere Residenz plante und sie deshalb aus Holz entwarf. Der Baubeginn konnte, neuesten Studien nach, auf das Jahr 1670 nach dem Beben festgelegt werden. Die „hölzerne“ Residenz war tatsächlich erdbebensicher, überstand ein weiteres Beben im Jahr 1689, brannte aber 1728 ab.

… Summa am Gebeu ist der Statt Hall schaden ervolgt, welcher niemals mer ersezt, vnd allen Ansechen nach es nimer mer Zu den alten Stand wirdt gebracht werden …  – Die Auswirkungen des Erdbebens in Hall in Tirol

Von Rost besichtigte auch die Schäden in Hall, viele Häuser waren völlig eingestürzt und auch der Pfarrturm war bis zur Mitte umgestürzt, wodurch Personen ums Leben kamen. Die Menschen mussten eine Zeit in provisorischen Hütten und Zelten verbringen.

Gleich am Tag nach dem katastrophalen Ereignis berichtete der Bürgermeister von Hall: wie … durch den 17 dis frue vngefehr vmb 2 Vhr durch Gott verhenckhten Erpidem, in der Statt sowol in Khirch thurm, heissern stattmauern vnd anderen orth Erschrekh[licher] schaden beschehen, auch die heiser Eingefallen vnd Etlich personen erschlagen worden …“

Vor 350 Jahren: Das Erdbeben vom 17. Juli 1670 in Tirol

Abbildung 3: Erdbebenpfeiler, Vorbauten aus Höttinger Breccie, in Hall in Tirol.
Alle Fotos: Ch. Hammerl

Weshalb bebt die Erde im Inntal?

Die Erdbeben, die wir in den Alpen beobachten, sind als Folge des Aufeinanderprallens der europäischen und der afrikanischen Platten zu verstehen. Die Inntalstörung, eine der am stärksten betroffenen Erdbebenzonen Österreichs, und deren begleitende tektonische Bruchzonen belegen, dass die Gebirgsbildung der Alpen nicht abgeschlossen ist.

In Tirol überwachen 14 Erdbebenstationen (6 Breitband - und 8 Strong Motion Stationen) des Erdbebendienstes der ZAMG die Seismizität dieses Bundeslandes. Im 21. Jahrhundert wurden in Tirol bereits über 6000 Erdbeben von Messinstrumenten registriert. Durchschnittlich werden 14 Erdbeben pro Jahr in Tirol von der Bevölkerung verspürt. Etwa alle zehn Jahre kommt es zu Beben, die zu Gebäudeschäden führen. Erdbeben in der Größenordung des Bebens von 1670 in Hall treten in Österreich selten auf, statistisch über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten.

 

Literatur:

Ch. Hammerl, W. Lenhardt & M. Innerkofler, Forschungen zu den stärksten historischen Erdbeben im mittleren Inntal im Rahmen des INTERREG IV-Projekts HAREIA (Historical And Recent Earthquakes in Italy and Austria). In: Forum Hall in Tirol. Neues zur Geschichte der Stadt Bd.3. (2012).

R. Humberdrotz (Hrsg.), Das Tagebuch des Johann Sigmund von Rost zu Kehlburg und Aufhofen. Pfleger von St. Michaelsburg (St. Lorenzen) und Amtmann des Haller Damenstifts in der Herrschaft Lienz 1653-1729. Schlern-Schriften 114 (Innsbruck 1956) 29-30.

H. Weigl, Der „Neue Palast“ in Innsbruck. Ein erdbebensicherer Residenzbau von Christoph Gumpp, in: M. Engel/M. Pozsgai/Ch. Salge/H. Weigl (Hrsg.), Barock in Mitteleuropa. Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte BAND 55/56, 2006/2007, Wien 2007, 111-129.

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Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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