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18.09.2015

Vor 30 Jahren: Das Mexiko-Erdbeben vom 19. September 1985

Vor 30 Jahren: Das Mexiko-Erdbeben vom 19. September 1985

http://library.usgs.gov/photo/#/item/51dc3179e4b0f81004b79f0e

Nach einer ungewöhnlich langen Zeit der seismischen Ruhe schloss sich die seismische Lücke - die sogenannte „Michoacan Gap“ - mit aller Heftigkeit:  

Am 19. September 1985 um 13:17 Uhr UTC (05:17 Uhr Lokalzeit) erfolgte ein Erdbeben der Magnitude 8.0, das zweitstärkste Beben in der Geschichte Mexikos. Das Epizentrum (18,42°N, 102,38°W) lag im westlichen Zentralmexiko etwa 70 km nordwestlich der Hafenstadt Lázaro Cárdenas im Bundesstaat Michoacán.  Die Herdtiefe lag bei 15 km. Mindestens 9500 Todesopfer (einigen Quellen zufolge 35.000), etwa 30.000 Verletzte, 100.000 Obdachlose sowie massive Gebäudeschäden waren die traurige Bilanz.

Vor 30 Jahren: Das Mexiko-Erdbeben vom 19. September 1985

Lage des Eipzentrums nahe der Küste Mexikos
 (Google Earth). Man beachte die große Epizentraldistanz zur Metropole Mexiko-City (etwa 350km), wo es eine ungewöhnliche Schadensbilanz gab.

Nach Schätzungen betraf das Beben  eine Fläche von etwa 825.000 km2 und wurde von fast 20 Millionen Menschen verspürt. In Mexiko-City stürzten 412 Gebäude ein und weitere 3124 wurden schwer beschädigt. Rund 60 Prozent der Gebäude wurden in Ciudad Guzman, Jalisco zerstört. Schaden wurden auch in Colima, Guerrero, Mexiko, Michoacan, Morelos, Veracruz und Jalisco verzeichnet. Auch Erdrutsche, Bergstürze und Bodenrisse sowie ein Tsunami mit Wellenhöhen von bis zu drei Metern wurden beobachtet. Zahlreiche Nachbeben verschärften die Ausnahmesituation. Das Mexiko-Erdbeben verursachte einen Schaden von 3 bis 4 Milliarden US-Dollar (Daten von U.S. Geological Survey).

 

Ungewöhnliche Schadenswirkungen

Während sich im Bereich des Epizentrums die Gebäudeschäden infolge von Erdbeben und Tsunami vor allem auf kleine Küstenstädte beschränkten, waren im Landesinneren hauptsächlich ältere Gebäude von Schäden betroffen. Anders war die Lage im 350 km entfernten Mexiko-City. Während Teile der Metropole fast frei von Schäden blieben, kam es hingegen in anderen Stadtteilen zu Verwüstungen. Grund hierfür waren die weichen, wassergesättigten Sedimente eines in den letzten Jahrhunderten trockengelegten Sees, auf dem die Stadt errichtet wurde.

Der Leiterin des Österreichischen Erdbebendienstes, Dr. Yan Jia, erklärte, dass lockere Sedimente als Baugrund in erdbebengefährdeten Gebieten sich besonders ungünstig auswirken: „Die weichen, wassergesättigten Sedimente wirken wie ein Verstärker auf die Erdbebenwellen. Die Bodenbewegungen wurden bis auf das zwanzigfache verstärkt. Dadurch wurden die Gebäude in noch heftigere seitliche Schwingungen versetzt mit dem Resultat, dass hunderte Gebäude einstürzten.“

Ein großer Prozentsatz der beschädigten Gebäude in Mexiko-City war zwischen 8 und 18 Stockwerke hoch. Dies ließ auf eine besonders gefährliche Resonanzkopplung zwischen der Bodenschwingung und der Eigenfrequenz der Hochhäuser (Perioden von ein bis zwei Sekunden) schließen. Diese als Mexiko-City-Effekt bekannte Besonderheit führte dazu, dass die in den Bauvorschriften vorgesehenen Erdbebenlasten um einen Faktor bis zu einem Wert von 3 überschritten wurden. Gravierende Verfehlungen gegen die Vorschriften zu erdbebensicherer Bauweise konnten aber nicht festgestellt werden.

Nach dem Bericht „Erdbeben Mexiko ‚85“ der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft (1986) stürzten durch die extremen Resonanzschwingungen zuerst die oberen Stockwerke wie durch eine Art Peitscheneffekt ein, Nachbargebäude schlugen gegeneinander, ganze Stockwerke wurden sandwichartig zusammengepresst oder Häuser kippten um (siehe Foto).

Vor 30 Jahren: Das Mexiko-Erdbeben vom 19. September 1985

Massive Gebäudeschäden in Mexiko-City. Ein Teil der 15-stöckigen Stahlbetonkonstruktion stürzte ein, während Teile auf der rechten Seite in der Abbildung stehen blieben. Bildquelle: fünfzehn stöckigen Stahlbetonkonstruktion. Ein Teil des Gebäudes wurde nur leicht beschädigt, während ein anderer Teil von ihm zusammengebrochen.

Bildquelle: Fotoarchiv USGS, http://library.usgs.gov/photo/#/item/51dc3179e4b0f81004b79f0e

Auch die außergewöhnlich lange Dauer des Bebens in Mexiko-City von drei Minuten, die durch die große Entfernung zum Epizentrum zu erklären ist, wirkte sich zusätzlich verheerend auf die Schadensbilanz aus.

Mithilfe der Erfahrungswerte dieses Katastrophenbebens versuchte man neue Wege in der Gebäudekonstruktion zur erdbebensicheren Bauweise zu gehen, mit dem Ziel, zukünftige Katastrophen kleiner zu halten.

 

Tektonischer Hintergrund

Die tektonischen Verhältnisse gestalten sich im Bereich von Mittelamerika sehr komplex: die dichte, daher schwere ozeanische Cocos-Platte, die zwischen der Pazifischen und der Nordamerikanischen Platte  liegt, schiebt sich unter einem sehr flachen Winkel von  etwa 12° in Richtung Nordosten unter den Kontinent. Diesem Prozess folgen, bei einer Relativgeschwindigkeit von etwa 6 cm pro Jahr, eine intensive Erdbebentätigkeit und aktiver Vulkanismus entlang der mexikanischen Küstenregion.

Vor 30 Jahren: Das Mexiko-Erdbeben vom 19. September 1985

Tektonische Gegebenheiten in Mittelamerika.
Bildquelle: 
https://en.wikipedia.org/wiki/File:Tectonic_setting_western_Mexico.png

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