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02.05.2012

Seismische Registrierung des Felssturzes vom März 2012 (Tirol)

 

Die seismische Aufzeichnung wurde zunächst als Massenbewegung im Raum der Zugspitze lokalisiert. Mittlerweile ist bekannt, dass es sich um einen Felssturz im Alpltal (Mieminger Kette) nahe der Alplscharte handelte. Die Abbildung zeigt die Registrierung des Felssturzes an den Stationen des Messnetzes des Österreichischen Erdbebendienstes. Während ein vergleichbares Erdbeben in der Region sehr deutliche Einsätze der Erdbebenwellen und eine kurzes Wellensignal aufweist, zeigen sich bei dem Felssturz keine klaren Einsätze (die zur Lokalisierung verwendet wurden) und auch ein länger andauerndes Signal der Bodenbewegung.

Bisherige Untersuchungen durch die Landesgeologie (Amt der Tiroler Landesregierung, Dr. Heißel, Mag. Nittel) zeigen eine Abbruchfläche von ca. 70 x 200 m mit offenen Klüften und zahlreichen Wasseraustritten. Entlang der gesamten Sturzbahn von ca. 2,5 km wurden Steine und Blöcke etwa gleichermaßen verteilt. Eine Abschätzung für das Volumen ergibt einen Wert von ca. 700.000 m³. Als auszulösende Ursache für das Ereignis sind die Schneeschmelze und der Frost-Tauwechsel zu sehen. Aus der seismischen Registrierung lässt sich eine Ereignisdauer von ca. 23 Sekunden abschätzen (Deparis et al., 2008).

Was sind die Ursachen von Fels- oder Bergstürzen?

Fels- oder Bergstürze sind Massenbewegungen welche stürzend vor sich gehen und je nach ihrem Volumen als Fels- oder Bergsturz bezeichnet werden. Sie dauern daher nur wenige Sekunden und treten meist an steilen Felswänden auf. Damit sich ein Felssturz lösen kann muss dieser bereits zur Instabilität neigen.

Mehrere Ursachen können ein solches Ereignis auslösen, dazu zählen:

  • Ein durch Regen oder die Schneeschmelze zunehmender Poren- und Kluftwasserdruck sowie Erschütterungen.
  • Eine zunehmende Erwärmung des Hochgebirges begünstigt das Eindringen von Wasser in Spalten, die zuvor noch von Permafrost verfüllt waren.
  • Die Stabilität des Gesteins kann aber auch durch Verwitterungsprozesse entlang von Kluftsystemen solange verringert werden, sodass es auch ohne auslösendes Moment zur Instabilität kommt.
  • In den Alpen wird die Reduzierung der Festigkeit auch durch tektonische Beanspruchung, Druckentlastung nach Abschmelzen talfüllender Eismassen, sowie durch Ausbildung steiler Talhänge durch Erosion erreicht.

 

Kann ein Bergsturz durch ein Erdbeben ausgelöst werden?

Ob ein Hang den Bodenbewegungen durch ein Erdbeben widerstehen kann, hängt vor allem von den geotechnischen Eigenschaften des Untergrundes sowie der Wassersättigung ab (Sassa et al., 1991). Wenn Gestein bereits destabilisiert ist oder Spalten mit Wasser gefüllt sind führt das zur Reduzierung der Reibung entlang einer Gleitfläche.

Es wird angenommen, dass Erdbeben in Vorbereitung von Felsstürzen eine große Rolle spielen, da neben den vertikalen Kräften (Gravitation) auch horizontale Kräfte (Erdbebenbeschleunigungen) wirksam sind. Die in den Alpen vorkommenden Erdbeben können bei einer Magnitude von 6 (z. B.: Fiaul 1976) Massenbewegungen bis zu einen Umkreis von 50 km um das Epizentrum auslösen (Harp & Wilson, 1995).

Das Potential der durch Erdbeben ausgelösten Massenbewegungen in Österreich wurde durch Lenhardt (2007) allerdings als begrenzt abgeschätzt. Es zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit von erdbebenausgelösten Bergstürzen in jenen Bereichen am Größten ist, wo auch die Erdbebengefährdung laut Österreichischen Baunorm am höchsten ist, siehe: http://oge.or.at/oge_norm.htm

Literatur

Deparis J., Jongmans D., Cotton F., Baillet L., Thouvenot F., Hantz D. Analysis of rock-fall and rock-fall avalanche seismograms in the French Alps. Bulletin of the Seismological Society of America. 98:4 1781-1796. 2008

Harp, E.L. & Wilson, R.C. Shaking Intensity Thresholds for Rock Falls and Slides: Evidence from the Whittier Narrows and Superstition Hills Earthquake Strong Motion Records. – Bull. Seism. Soc. Amer., 85, 1739–1757, 1995.

Lenhardt, W. Earthquake-Triggered Landslides in Austria - Dobratsch Revisited. Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, 147, Wien. 193-199, 2007.

Sassa, K., Fukuoka, H., Lee, J.H. & Zhang, D.X. Measurement of the apparent friction angle during rapid loading by the high-speed high-stress ring shear apparatus – Interpretation of the relationship between landslide volume and the apparent friction during motion. – Landslides, Vol. 1, 545–552, Balkema , 1991.

Verfasser:
Dipl.-Ing. Helmut Hausmann
Abteilung Geophysik
Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
Hohe Warte 38, 1190 Wien
seismo@zamg.ac.at

 

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