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17.02.2016

Neue Erkenntnisse über Sedimente nutzen der Erforschung des Erdmagnetfelds und des Klimas

Neue Erkenntnisse über Sedimente nutzen der Erforschung des Erdmagnetfelds und des Klimas

©ZAMG/Egli

Die Ergebnisse einer Studie von ZAMG Wien und Universität München ermöglichen in Zukunft eine genauere Erfassung von Prozessen, welche die zeitliche Einordnung von Sedimenten am Grund von Seen und Meeren beeinflussen. Diese Ablagerungen dienen als wichtige Informationsquelle für die Erforschung der Klima- und Magnetfeldgeschichte der Erde. Die in Nature Communications veröffentlichte Studie zeigt unter anderem erstmals, wie winzige Lebewesen die Sedimentschichten durchmischen und die Hauptursache für Änderungen ihrer magnetischen Ausrichtung sind.

Das Magnetfeld der Erde schützt seit mindestens drei Milliarden Jahren unsere Atmosphäre und alle Lebewesen vor gefährlicher Strahlung der Sonne und aus dem Weltraum. Die Menschen nutzen das Magnetfeld der Erde außerdem seit rund tausend Jahren zur Navigation mit Kompassen.

Das Erdmagnetfeld hat mehrfach Auswirkungen auf das Leben, erklärt Ramon Egli, Geomagnetikexperte der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): „Einerseits nutzen einige Bakterien und Tiere das Magnetfeld für ihre Orientierung. Aber auch unsere Technologie kann stark betroffen sein. Wenn zum Beispiel sogenannte Sonnenstürme Störungen an Satelliten und in Stromnetzen verursachen. Daher erforschen wir das Erdmagnetfeld, das im flüssigen Erdkern entsteht, sehr genau, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Gegenwärtig wird das Magnetfeld global um etwa vier Prozent pro Jahrhundert schwächer. In der Erdgeschichte gab es auch mehrmals schon völlige Umpolungen zwischen Nord- und Südpol. Die letzte fand vor ca. 780.000 Jahren statt."

Sedimente: Archiv der letzten 200 Millionen Jahre Erdgeschichte

Die Geschichte des Erdmagnetfeldes vor der Menschenzeit wird aus der Magnetisierung von Gesteinen und Sedimenten hergeleitet. Besonders die Sedimente, Ablagerungen am Grund von Seen und Meeren, liefern eine kontinuierliche Aufzeichnung der Erdgeschichte der letzten 200 Millionen Jahre, sagt Ramon Egli: „Denn winzige magnetische Mineralien, wie Magnetit, richten sich wie kleine Kompassnadeln nach dem Magnetfeld aus. So entsteht beim Ablagern dieser Teilchen am Grund von Seen und Meeren Schicht für Schicht ein Archiv des jeweils bestehenden Erdmagnetfelds. Wir messen die Magnetisierung der einzelnen Sedimentschichten mit speziellen, sehr empfindlichen Magnetometern und können so viele Millionen Jahre in die Erdgeschichte zurückzublicken."

Auch großer Nutzen für die Klimaforschung

Der Klimaforschung dient diese Methode ebenfalls. Einerseits widerspiegeln magnetische Mineralien, die unter anderem von magnetischen Bakterien produziert werden, Änderungen der Sedimentationsprozesse. Anderseits lässt sich vom aufgezeichneten Magnetfeldsignal auch das Alter von Sedimentschichten bestimmen. Allerdings birgt die Analyse der Sedimente zahlreiche Unsicherheiten, da sie von vielen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel von der Beschaffenheit des jeweiligen Sediments, der Rate der Sedimentablagerung und von Lebenswesen, die die oberste Schicht durchmischen und somit eine ständige Erneuerung der Magnetisierung verursachen. Bisher war es nicht möglich, einige Aspekte dieses Prozesses in Laborexperimenten oder durch Computermodelle zu simulieren

Erstmals Nachweis für Mikroben als größter Einflussfaktor

Ein Forschungsteam der ZAMG Wien und der Ludwig-Maximilians Universität München zeigte jetzt im Rahmen der Studie Microbially-assisted recording of the Earth's magnetic field in sediment erstmals, dass Mikroben den größten Einfluss auf Änderungen der Sedimentmagnetisierung haben. „Wir konnten zum ersten Mal beschreiben, wie die Stärke der Magnetisierung des Sediments und die Zeit, die für ihre Entstehung notwendig ist, stark von im Sediment lebenden Mikroben abhängt", sagt der Geomagnetikexperte der ZAMG Ramon Egli. „Bewegliche Mikroben interagieren stark mit Sedimentteilchen und erzeugen eine ständige Durchmischung. Je mehr Nahrung die Mikroben im Sediment erhalten, desto stärker entwickeln sie sich und desto stärker wirkt die Durchmischung der oberen, belebten Schicht auf die Orientierung magnetischer Teilchen im Feld."

Unterschiede von einigen tausend Jahren möglich

Da die Mikroben sich in den obersten Sedimentschichten aufhalten und diese regelrecht durchwühlen, kann es einige tausend Jahre dauern, bis diese Schicht durch neue Ablagerungen tief genug liegt, dann hier zur Ruhe kommt und sich nach dem aktuellen Magnetfeld ausrichtet. „Bisher wurde die Rolle von lebendigen Organismen herangezogen, um regionale Unterschiede zu erklären, ohne die entsprechenden Prozesse im Labor reproduzieren zu können. Das machte die zeitliche Einordnung extrem schwierig", sagt Egli, „jetzt ist klar, dass Mikroorganismen ganz massiv beteiligt sind."

Erstmals „lebende" Proben untersucht

Entscheidend war für die Studie, dass erstmals mit ganz frischen Sedimenten gearbeitet wurde, erklärt Egli: „Sobald man die Proben nicht sofort analysiert, zum Beispiel weil sie vom Fundort über eine längere Strecke ins Labor gebracht und da gelagert werden müssen, stirbt ein Großteil der Mikroben und der wichtigste Einflussfaktor der Untersuchungen verschwindet. Daher haben wir die Sedimente sofort nach der Entnahme untersucht und konnten den großen Einfluss der Mikroben auf die Sedimente nachweisen."

Praktischer Nutzen für weitere Forschung

Die Studie bringt zukünftigen Forschungsarbeiten in mehreren Bereichen einen großen praktischen Nutzen. Unter anderem:

  • Bessere zeitliche Einordnung von Sedimenten, die ein wichtiges weltweites Archiv der Erdgeschichte sind (z.B. von geologischen Prozessen und Klimaänderungen)

  • Genauere Rekonstruktionen von Änderungen des Erdmagnetfelds

  • Der neu erkannte Zusammenhang zwischen Sedimentation, Erdmagnetfeld, und Mikroben hilft, die komplexen Mechanismen von sedimentären Prozessen besser zu verstehen.

Die Studie Microbially-assisted recording of the Earth's magnetic field in sediment wurde im Februar 2016 im Fachmagazin Nature Communications publiziert. Sie entstand in einer Zusammenarbeit von ZAMG Forscher Ramon Egli, Leiter der Fachabteilung für Magnetik und Gravimetrie, mit der Ludwig-Maximilians Universität in München und wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

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Vom einzelnen Partikel zum erdmagnetischen Archiv: Schema der Prozesse, die zur Aufzeichnung des Erdmagnetfeldes im Sediment führen. 1) Abgestorbene organische Partikel („Meeresschnee"), 2) Ausflocken, 3) Absetzen, 4) Sedimentauflockerung, 5) nicht-lokale Durchmischung, z.B. durch Borstenwürmer, 6) lokale Durchmischung, welche die Lage der magnetisierten Partikel ändert, 7) endgültige Position in tieferen Schichten. Quelle: Wiley & Sons / Nature / ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

Experimentelle Anordnung für die Nachbildung der Prozesse, die zur Aufzeichnung des Erdmagnetfeldes im Sediment führen: Der Plastiktank ist ein Wärmebad, in der sich mit Sediment befüllte Glasrohre befinden. Dieser Tank ist von Spulen umgeben, die ein künstliches Magnetfeld erzeugen. Quelle: ZAMG/Egli. –>Link zum Bild in Originalgröße

Supraleitendes Gesteinsmagnetometer, mit dem die Magnetisierung der Sedimente gemessen wird: Das Magnetomenter befindet sich in einem speziell abgeschirmten Raum. Quelle: ZAMG/Egli. –>Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

Link zur Pubilkation in Nature: www.nature.com/ncomms/2016/160211/ncomms10673/full/ncomms10673.html

ZAMG Geomagnetik: www.zamg.at/cms/de/geophysik/magnetik

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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