16.07.2012
Conrad Observatorium misst Sonnenstürme
ZAMG betreibt eines der weltweit modernsten Observatorien für Messung von Erdbeben und Erdmagnetfeld. Auswirkungen von Sonnenstürmen schwierig vorherzusagen. Schadenspotential erst kurz vor Eintreffen des Sonnensturmes abschätzbar.
Durch die verstärkte Sonnenaktivität entstanden kürzlich wieder Plasmaeruptionen an der Sonnenoberfläche sowie ein Sonnensturm. Dieser Sturm mit geladenen Partikeln hat die Erde am 14. Juli 2012 erreicht. Derartige Sonnenstürme können Polarlichter bis in niedrige Breiten verursachen, etwa in Mitteleuropa. In Extremfällen sind auch Störungen und Schäden im Bereich Telekommunikation, Stromnetze und Infrastruktur möglich.
Der moderate magnetische Sturm setzte am 14. Juli 2012 kurz nach 20.00 Uhr MESZ ein. Dies ist deutlich im Anstieg in der Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes zu sehen (orange markiert). Auch die Deklination und die Totalfeldstärke änderten sich relativ stark. © ZAMG Geophysik
geo - effectiveness: Wie sich ein Sonnensturm auf der Erde auswirkt
Die genauen Auswirkungen eines Sonnensturmes sind allerdings kaum vorherzusagen, erklärt der Geomagnetik - Experte und Leiter des Conrad Observatoriums der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Roman Leonhardt: „Vereinfacht gesagt, hängen die Auswirkungen eines Sonnensturmes davon ab, wie die geladenen Teilchen des Sonnenplasma - Ausbruches auf die Erde treffen und ob sie das Erdmagnetfeld deformieren. Die dabei entstehenden magnetischen Stürme beschreiben die geo -effectiveness, also wie effektiv die magnetischen Kräfte auf die Erde wirken. Diese geo -effectiveness ist bisher nicht vorherzusagen. Erst durch die Messungen beim Eintreffen des Sonnensturmes auf der Erde kann sie bestimmt werden.“
Die ZAMG betreibt eines der weltweit modernsten Observatorien für Messungen des Erdmagnetfeldes und von Erdbeben, das Conrad Observatorium in Niederösterreich, etwa 50 Kilometer südwestlich von Wien. Aktuelle Magnetfeldmessungen sind auf der Website des Observatoriums online unter www.conrad-observatory.at .
Aktive Sonne und mögliche Auswirkungen
Momentan strebt der solare Zyklus auf einen seiner etwa alle elf Jahre vorkommenden Höhepunkt zu, ausgelöst durch Umkehrungen des Sonnenmagnetfeldes. Dabei kommt es vermehrt zu Sonnenstürmen. In der Ionosphäre der Erde (dem äußeren, stark elektrisch geladenen Teil der Erdatmosphäre) werden atmosphärische Moleküle durch Photonen (hauptsächlich solaren Ursprungs) und auftreffende Partikel zerlegt. Die entstehenden Stromsysteme können elektrische Ströme in Pipelines, Überlandleitungen und andere Netzwerke induzieren und diese beschädigen. Sich verändernde magnetische Bedingungen führen zu Veränderung der atmosphärischen Dichte, welche Höhenverluste bei Satelliten bewirken können. Geomagnetische Stürme können zudem Sensoren und Elektronik beeinflussen.
Das Magnetfeld und seine Schwankungen: Über 160 Jahre Messungen an der ZAMG
Das Magnetfeld der Erde entsteht durch Dynamo - Prozesse im Erdkern und bildet einen Schutzschirm gegen energiereiche kosmische und solare Strahlung. Dieses Feld schwankt in Stärke und Richtung auf unterschiedlichsten Zeitskalen, von Jahren bis Jahrmillionen. Die bedeutendsten Schwankungen sind vollständige Umkehrungen des Erdmagnetfeldes bzw. starke Feldexkursionen bei denen die Feldstärke um über 90 Prozent abnimmt und vorübergehend sehr komplexe Feldzustände auftreten. Solche starken Änderungen gab es häufig in der Erdgeschichte, die letzte Feldumkehr vor 774 000 Jahren. Aber auch das heutige Feld zeigt signifikante Änderungen und Schwankungen.
Seit über 160 Jahren werden diese Feldvariationen durch weltweit verteilte erdmagnetische Observatorien bestimmt. In Österreich wurden diese Variationen von Beginn an durch die ZAMG aufgezeichnet, gegründet als Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus. Am Conrad Observatorium in Niederösterreich werden diese Messungen mit bisher nicht erreichter Genauigkeit fortgesetzt.
Durch die lange Zeitreihe an magnetischen Messungen wurden einige Besonderheiten des Erdmagnetfeldes erkannt. Auffallend ist ein signifikanter Abfall der Magnetfeldstärke seit dem 18. Jahrhundert. Das Dipolmoment des Erdmagnetfeldes nahm in diesem Zeitraum um mehr als 10 Prozent ab. Auch die Richtung des Magnetfeldes änderte sich deutlich, die Deklination (Unterschied zwischen geografischer und magnetischer Nordrichtung) in Europa um etwa 20 Grad. Um die zeitlichen Abhängigkeiten dieser Beobachtungen auch auf längeren Zeitskalen zu untersuchen und damit die Ursachen zu hinterfragen, ist es jedoch notwendig den Beobachtungszeitraum deutlich auszudehnen.