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03.10.2013

Wieder kräftiges Erdbeben bei Ebreichsdorf (NÖ)

Am 2. Oktober 2013 wurde am Abend um 19:17 Uhr MESZ das südliche Wiener Becken von einem Erdbeben der Magnitude 4,2 erschüttert. Das Epizentrum lag südöstlich von Ebreichsdorf (47,91°N, 16,42°O). Der Bebenherd befand sich in einer Tiefe von etwa 14 km. Die darauffolgenden Nachbeben mit Magnituden von 2,9 und 1,9 um 21:42 Uhr und 02:18 Uhr wurden nur lokal verspürt.

Wieder kräftiges Erdbeben bei Ebreichsdorf (NÖ)

Lage der Erdbeben die sich zwischen 20. September und 3. Oktober im Wiener Becken ereigneten. Das Beben vom 2. Oktober ist rot markiert.

Beim Österreichischen Erdbebendienst der ZAMG langten bis 14 Uhr mittags bereits über 3100 Meldungen über das Online-Wahrnehmungsformular (http://www.zamg.ac.at/cms/de/aktuell/erdbeben) und per Telefon ein. Über 160 Personen berichten über leichte Gebäudeschäden wie etwa Haarrisse im Verputz und abgesplitterte Verputzteile. Einige kleine Gegenstände fielen um. Im Bereich des Epizentrums liefen einige verängstigte Personen vor ihr Haus. Die Erschütterungen wurden in weiten Teilen von Ostösterreich kräftig verspürt. Etwa die Hälfte der Bebenmeldungen stammt aus Wien, wo das Beben teilweise noch so stark verspürt wurde, dass sich leichte Möbel bewegten oder hängende Gegenstände leicht pendelten. Ähnlich wie bei dem Erdbeben am 20. September (Magnitude 4,2) haben einige Personen das Beben bis in die grenznahen Teile von Ober- und Niederösterreich verspürt (z.B.: Weitra, Schrems). Die Epizentralintensität erreichte nach vorläufigen Auswertungen 5-6 Grad auf der zwölfteiligen Europäischen Makroseismischen Skala (EMS-98).

Wieder kräftiges Erdbeben bei Ebreichsdorf (NÖ)

In der Abbildung sind über 250 Orte eingetragen, aus denen Fühlbarkeitsmeldungen dem Österreichischen Erdbebendienst zugetragen wurden.

Registrierungen an den seismischen Stationen des Österreichischen Erdbebendienstes

Das Erdbeben wurde an allen seismischen Stationen des Österreichischen Erdbebendienstes aufgezeichnet (Stationsnetz).

Wieder kräftiges Erdbeben bei Ebreichsdorf (NÖ)

Registrierung des Erdbebens an den Vertikalkomponenten der Breitbandstationen des Österreichischen Erdbebendienstes. Im Seismogramm sind deutlich der Ersteinsatz der Kompressionswelle, und nach etwa 6 Sekunden der Phaseneinsatz der langsameren Scherwelle zu erkennen. © ZAMG Geophysik

 

Ursache und Bebentätigkeit

Die Bebentätigkeit im südlichen Wiener Becken ist in der horizontalen Verschiebung entlang der Mur-Mürztal-Störung zu suchen, die bewirkt, dass der östliche Krustenteil nach Osten gedrängt wird. Im Rahmen dieser Bewegung entstand das Wiener Becken, das von einer Tiefenstörung durchquert wird, an der Ebreichsdorf liegt. Sie erstreckt sich von Seebenstein (Erdbeben 1972) über Wiener Neustadt (Erdbeben in den Jahren 1668, 1712, 1841), Ebreichsdorf (Erdbeben 1938, 2000, 2013), Schwadorf (Erdbeben 1927) und möglicherweise darüber hinaus bis in die Slowakei (Dobra Voda, 1904) erstreckt.

Der Herdprozess, der die zugrundeliegende Mechanik eines Erdbebens beschreibt, legt für das Beben vom 20. September eine Seitenverschiebung in Kombination mit unterschiedlichen Abschiebungscharakteren nahe (ZAMG, TU-Wien, SLU). Ähnliche Lösungen zeigen vorläufige Auswertungen durch die ZAMG und das SLU (Saint Louis University) für das Beben vom 2. Oktober. Im Vergleich zu früheren Beben fanden die beiden Magnitude 4,2 Beben in relativ großer Tiefe statt (10-15 km).

Wieder kräftiges Erdbeben bei Ebreichsdorf (NÖ)

Zeitliche Abfolge der Bebentätigkeit im Bereich Ebreichsdorf/NÖ seit dem 20. September 2013. Die Farbe zeigt den Anteil der jeweiligen Magnitudenklasse.

Die bisherigen Registrierungen der Nachbeben zeigen, dass kurz nach dem Beben vom 20. September vier Nachbeben folgten. Nach einer vier-tägigen Pause kam es am 24. September zu einem verspürten Beben mit einer Magnitude von 2,7. Bis zum Ende des 2. Oktobers wurden vereinzelt sehr schwache Ereignisse registriert, die nicht verspürt wurden. Ab dem 2. Oktobers erhöhte sich die Bebentätigkeit, und es wurden um 06:09 Uhr und um 07:26 Uhr zwei Beben der Magnitude 2,0 und 2,1 verspürt. Um 19:17 Uhr folgte ein weiteres Beben der Magnituden 4,2 sowie vier Nachbeben bis zum 3. Oktober um 02:18 Uhr. Bei dem stärksten der vier Beben betrug die Magnitude 2,9 (2. Oktober 21:42 Uhr). Beben mit Magnituden zwischen drei und vier wurden bisher nicht beobachtet. Aufgrund der Magnitude des gestrigen Bebens ist in den nächsten Tagen mit Nachbeben zu rechnen.

 

Historische Erdbeben in Ebreichsdorf

Wie die historische Erdbebenforschung gezeigt hat, war Ebreichsdorf auch während der vergangenen Jahrhunderte immer wieder Schauplatz stärkerer Erdbeben. Das erste Beben, das dokumentierte Schäden zur Folge hatte, ereignete sich im Jahr 1590 mit einer rekonstruierten Magnitude von 3,9. Im Jahre 1938 fand das stärkste und folgenschwerste Beben statt, das in Ebreichsdorf jemals gemessen wurde. Es wies eine Magnitude von 5,0 auf. Damals kam es im Bereich des Epizentrums an fast allen Häusern Beschädigungen des Mauerwerks, wobei manche Risse zentimeterbreit waren. Rauchfänge wurden beschädigt, in Baden stürzten Ballustraden herab, im 10. Wiener Gemeindebezirk stürzten Fabrikschlote ein. Ebreichsdorf war auch in jüngerer Vergangenheit Epizentrum von einem kräftigen Erdbeben, so hatte das Beben vom 11. Juli 2000 eine Magnitude von 4,8, wobei an vielen Häusern Verputzrisse entstanden.

Dieser im österreichischen Vergleich relativ hohen Erdbebengefährdung, die vergleichbar mit jener von Wiener Neustadt oder Innsbruck ist, wird in der ÖNORM B 4015 zur erdbebenangepassten Bauweise Rechnung getragen . Siehe auch www.oge.or.at.

 

Der Österreichische Erdbebendienst

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Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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