Kapitel 2: "Rapid Cyclogenesis" - Wie konnte sich Xynthia so rasch verstärken?

Alle Tiefdruckwirbel haben im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte eine Phase der "Vertiefung", in der der Kerndruck in Bodennähe niedriger wird. Dieser Prozess dauert üblicherweise viele Stunden bis hin zu mehreren Tagen.

Es gibt aber Tiefdruckwirbel, die eine äußerst rasche und starke Vertiefung des Bodendrucks erfahren. Solch eine Entwicklung geht innerhalb von 6 bis maximal 12 Stunden vor sich; der tiefste Druck am Boden erreicht dabei extrem niedrige Werte. Der Meteorologe nennt diesen Vorgang "Rapid Cyclogenesis". In diesem Terminus ist sowohl die außerordentliche Geschwindigkeit als auch die Entwicklung des Tiefdruckgebietes (der "Zyklone" )selbst wiedergegeben.

Solch ein Vorgang findet jedoch nur unter bestimmten physikalischen Bedingungen in der Atmosphäre statt: Eine entscheidenden Rolle spielen dabei der Jet Stream und absinkende Luft aus der Stratosphäre.

Stratosphärenluft, die üblicherweise sehr stabil und trocken ist, hat ganz bestimmte energetische Eigenschaften: Sie beeinflusst beim Eindringen in die Troposphäre (in etwa 10 km Höhe) und dem weiteren Vordringen nach unten (bis etwa 5 km Höhe) sich selbst und die sie umgebende Luft deutlich; so wird etwa die Rotation der Luftteilchen rasant erhöht. Wenn bereits eine Tiefdruckentwicklung in Bodennähe stattfindet, wird diese durch die absinkende Stratosphärenluft weiter angefacht. Damit entstehen Wechselwirkungen zwischen den unteren, mittleren und oberen Luftschichten, die eine rasche Vertiefung bewirken und zu außerordentlich tiefen Kerndrucken führen.

Die physikalischen Eigenschaften der Troposphäre im Gebiet von Starkwindbändern in der Höhe (den Jet Streams) begünstigt das Absinken der Stratosphärenluft. Daher sind die Jet Streams auch ein Schlüsselparameter für die Entstehung einer "Rapid Cyclogenesis".

Die meisten der großen Stürme der letzten Jahre, wie die "Christmas storms" Lothar und Martin (1999), Gudrun (2005), Kyrill (2007) und Emma (2008), die schwere Schäden bis hin zu vielen Toten zur Folge hatten, haben sich nach dem Schema einer "Rapid Cyclogenesis" entwickelt.

Im nächsten Kapitel soll Xynthia auf die typischen Eigenschaften einer "Rapid Cyclogenesis" hin untersucht werden.