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07.05.2014

Winterbilanz der Gletscher

Winterbilanz der Gletscher

©ZAMG/Hynek

Die von der ZAMG vermessenen Gletscher gehen mit überdurchschnittlich viel Schnee in das Sommerhalbjahr. Eine erste Auswertung der umfangreichen Messungen der letzten Tage zeigt, dass am Goldbergkees und am Kleinfleißkees in der Sonnblickregion um 10 bis 25 Prozent mehr Wassermasse in der Schneedecke enthalten ist als im Mittel der letzten fünfzehn Jahre.
Die Schneemenge im Winter beeinflusst die Entwicklung der Gletscher aber nicht so stark wie die Witterung im Sommer. Der Trend des ungewöhnlich starken Schmelzens ist somit also nicht beendet.
Im Rahmen der halbjährlichen Gletschermessungen der ZAMG wurde an mehr als 400 Punkten die Schneehöhe bestimmt und an elf Punkten Schneeschächte bis zum Gletschereis gegraben.

Für Österreichs Gletscher sind zwei Faktoren entscheidend: Wie warm ist der Sommer und wie viel Schnee bringt der Winter. Wobei der Verlauf des Sommers normalerweise einen größeren Einfluss hat. Die Gletscherforscher/innen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) messen jedes Jahr nach dem Sommer und nach dem Winter eine Massenänderung einiger Gletscher, um den Zuwachs oder das Schmelzen zu bestimmen. Vorige Woche wurden diese Messungen im Bereich des Sonnblicks in den Hohen Tauern durchgeführt und nun liegen erste Ergebnisse vor.

Schneehöhen über vier Meter

„Auf beiden vermessenen Gletschern hat es in diesem Winter überdurchschnittlich viel geschneit," sagt Bernhard Hynek, Gletscherforscher der ZAMG, „am Goldbergkees hat sich im Winter im Vergleich zum vieljährigen Mittel um 10 Prozent mehr Schneemasse gesammelt, am Kleinfleißkees um knapp 25 Prozent mehr."

In absoluten Zahlen heißt das: Am Goldbergkees wurde eine mittlere Schneehöhe von 435 Zentimeter gemessen. Das entspricht geschmolzen einer Wasserhöhe von 185 Zentimeter (das sogenannte Schneewasseräquivalent, also die in der Schneedecke vorhandene Wassermenge). Im langjährigen Mittel (1999-2013) beträgt das Schneewasseräquivalent rund 175 Zentimeter. Am Kleinfleißkees ergaben die Messungen eine mittlere Schneehöhe von 410 Zentimeter und ein Schneewasseräquivalent von etwa 175 Zentimeter (im Mittel rund 140 Zentimeter).

Gletscher profitierten von großen Schneemengen an Alpensüdseite

Die leicht überdurchschnittlichen Schneehöhen auf den Gletschern am Alpenhauptkamm stimmen überein mit der großräumigen Niederschlagsverteilung über den gesamten Winter. Während es im Norden im Winter zu trocken war, fiel südlich des Alpenhauptkammes die doppelte bis dreifache Menge an Niederschlag. Dies erklärt auch warum das südlich des Alpenhauptkammes gelegene Kleinfleißkees eine größere Abweichung der Schneeakkumulation relativ zum Mittel aufweist.

Schaufeln für die Wissenschaft: in Summe knapp 50 Meter tief Schächte gegraben

Das Ermitteln des Schneewasseräquivalents ist notwendig, da die Schneehöhe alleine nicht auf die Wassermasse in der Schneedecke schließen lässt. Denn der Schnee kann sehr locker oder sehr dicht geschichtet sein. Daher wird zusätzlich zur Schneehöhe auch die Schneedichte gemessen. Insgesamt misst das Gletscher-Team der ZAMG mit Sonden an 400 Messpunkten die Schneehöhe. Dazu werden an elf Punkten Schächte bis zum Gletschereis in die Schneedecke gegraben, um die Dichte und den Aufbau der Schneedecke zu bestimmen. Somit wurden an den drei Messtagen in Summe knapp 50 Meter Schächte in die Schneedecke gegraben.

Sahara-Staub in der Schneedecke

Deutlich erkennbar waren in den Schneeprofilen auch die Schichten mit Sahara-Staub. „In der Schneedecke waren zwei deutliche dunkle Streifen erkennbar. Sie entstanden Mitte Februar und Anfang April, als mit starkem Südwind Sahara-Staub zu den Alpen transportiert wurde und auf der Schneedecke abgelagert wurde." Die Schneeproben werden durch chemische Analysen auf Isotope und Luftschadstoffe untersucht. Zusammen mit den Messdaten am Sonnblick-Observatorium und mit meteorologischen Modellen kann so die Herkunft von Luftschadstoffen berechnet werden. Diese Daten helfen unter anderem, den Weg von Schadstoffen aus der Atmosphäre bis zum Schmelzwasser in den Bächen nachzuvollziehen.

Messungen verbessern auch hydrologische Modelle

Der Winter hat auf das Wachsen und Schmelzen der Gletscher deutlich weniger Einfluss als der Sommer. „Aber natürlich hilft eine dicke Winter-Schneedecke den Gletschern, das Schmelzen im Sommer zu bremsen," sagt Bernhard Hynek von der ZAMG, „die intensiven Messungen im Frühjahr haben aber auch noch einen anderen Nutzen. Sie helfen, die Niederschlagsmessungen der dauerhaften Wetterstationen zu überprüfen und die Niederschlagsverteilung im Gebirge besser zu verstehen. So werden auch die Ergebnisse der hydrologischen Modelle verbessert, die unter anderem Änderungen des Schmelzwasserabflusses im Gebirge in Abhängigkeit von Temperatur und Niederschlag berechnen. Daraus kann zum Beispiel der künftige Schmelzwasserzufluss für Speicher- und Laufkraftwerke besser abgeschätzt werden."

Sensible Klimasensoren: die Gletscher der Alpen

Die Gletscher schmelzen in den letzten Jahren extrem stark. Am deutlichsten zeigt sich das am größten Gletscher Österreichs, der Pasterze am Großglockner. In den letzten rund 15 Jahren (1998-2012) verlor die Pasterze im Mittel 1,4 Meter an Eisdicke. Im untersten Bereich der Gletscherzunge beträgt der Verlust an Eisdicke sogar bis zu acht Meter pro Jahr. Im Zeitraum 1969 bis 1998 war der Eisdickeverlust mit im Mittel 0,65 Meter pro Jahr nicht einmal halb so groß.

ZAMG Klimaforschung: von der Glaziologie bis zum Klima von Großstädten

Das Erforschen des Zusammenhanges zwischen Klimaänderung und Gletscheränderung hat an der ZAMG eine lange Tradition und ist ein wichtiger Schwerpunkt der Abteilung für Klimaforschung. Die ZAMG Klimaforschung beschäftigt sich mit der räumlichen und zeitlichen Klima-Analyse im Alpenraum sowie mit der Modellierung des zukünftigen Klimas. Dazu gehören unter anderem die Homogenisierung von langen Messzeitreihen, die Anwendung von regionalen Klimamodellen, die Berechnungen der Auswirkung des Klimawandels auf Gletscher, Permafrost, sowie die Erforschung der Klimaentwicklung in Großstädten.

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Bilder

Zeitreihe der Winterbilanz auf den Gletschern Kleinfleißkees (FLK, gemessen seit 1999) und Goldbergkees (GOK, seit 1987) mit 15-jährigen Mittelwerten (1999-2013). Quelle ZAMG.

Gletschermessung: Mehr als vier Meter tiefe Schneeschächte zum Bestimmen von Dichte und Aufbau der Schneedecke. Quelle ZAMG/Hynek.

Der Sahara-Staub von Mitte Februar und Anfang April ist im Schneeprofil deutlich zu erkennen. Quelle ZAMG/Hynek.

Messung der Winterbilanz durch rund 400 Schneetiefensondierungen und elf Schneeschächte. Quelle ZAMG.

Sondierung der Schneehöhe oberhalb des Gletschertores am Goldbergkees. Quelle ZAMG/Hynek.

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Verlust an Eisdicke pro Jahr auf der Pasterze: Das Schmelzen ist in den letzten Jahren (rechts) deutlich stärker als im Vergleichs-Zeitraum davor (links). Im unteren Bereich verliert die Pasterze derzeit bis zu acht Meter Eisdicke pro Jahr. Quelle ZAMG.

Extrem unterschiedliche Verteilung des Niederschlags im vergangenen Winter. Die vermessenen Gletscher liegen im leicht überdurchschnittlichen Bereich. Die Karte zeigt für November 2013 bis April 2014 den Vergleich des Niederschlags mit dem Mittel 1981-2010. 100 Prozent entsprechen dem Mittelwert. Quelle ZAMG.

Weitere Gletscher-Fotos  -> hier

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Web-Links

ZAMG Gletscherforschung: www.zamg.ac.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

Gletscherforschung in Österreich: www.glaziologie.at

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