18.09.2024
Deutlich mehr Regen als bei früheren Extremereignissen
GeoSphere Austria: In Wien, Niederösterreich und Oberösterreich regnete es in den letzten Tagen um etwa 25 bis 160 Prozent mehr als bei früheren fünftägigen Extremereignissen. Großflächiger Starkregen ist in vielen Regionen Österreich in den letzten Jahrzehnten häufiger und intensiver geworden.
Von 12. bis 16. September regnete es im Großteil Österreichs mehr als 100 Millimeter. Regional waren es zwischen 300 und knapp über 400 Millimeter, besonders in Teilen von Niederösterreich. (siehe Bild 1)
Ein Vergleich der Niederschlagsmengen der letzten Tage mit den höchsten seit 1961 gefallenen 5-Tage-Niederschlagsmengen zeigt:
In den fünf Tagen von 12. bis 16. September 2024 ist in Niederösterreich, Wien und Oberösterreich fast flächendeckend 25 Prozent mehr Niederschlag gefallen als bei den stärksten fünftägigen Ereignissen seit dem Jahr 1961. Im Gebiet vom Tullnerfeld über St. Pölten bis Lilienfeld waren es im Schnitt um 120 Prozent mehr, im Gebiet um Langenlebarn sogar bis zu 160 Prozent mehr. (siehe Bild 2)
Vb-Wetterlagen bringen große Regenmengen
Die großen Regenmengen der letzten Tage entstanden durch eine Vb-Wetterlage (gesprochen „Fünf b“). Bei einer Vb-Wetterlage zieht ein Tiefdruckgebiet vom westlichen Mittelmeer über Italien, Österreich und Ungarn nach Polen. Diese Tiefdruckgebiete entstehen, wenn von Norden polare Kaltluft über die Alpen strömt und auf die warme Luft im Süden Europas trifft.
„Vb-Wetterlagen sind vergleichsweise selten, bringen aber meistens große Niederschlagsmengen“, sagt Marc Olefs, Leiter der Abteilung für Klimaforschung an der GeoSphere Austria, „in den letzten Jahrzehnten waren nur fünf Prozent der Tiefdruckgebiete in Österreich und Umgebung Vb-Wetterlagen. Aber sie waren für 45 Prozent der großflächig extremen Niederschlagsereignisse in Österreich und Tschechien verantwortlich, zum Beispiel auch für das Hochwasser der Jahre 2013 und 2002.“
Vb-Wetterlagen werden intensiver
Untersuchungen zeigen: In den letzten Jahrzehnte gab es keinen eindeutigen Trend, zu mehr oder weniger Vb-Wetterlagen, aber sie wurden intensiver. Die einzelnen Ereignisse bringen also mehr Niederschlag.
„Die Intensivierung von Vb-Wetterlagen könnte sich durch die Klimaerwärmung fortsetzen“, sagt Klimaforscher Marc Olefs, „vereinfacht gesagt hängt dies von zwei Faktoren ab. Erstens: Je wärmer Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen und desto mehr Regen ist anschließend möglich. Pro Grad Erwärmung kann gesättigte Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Zweitens: Durch die Klimaerwärmung werden auch die Meere wärmer. Je wärmer ein Meer ist desto mehr Verdunstungspotential ist vorhanden. Eine noch nicht vollends geklärte Forschungsfrage ist außerdem, ob sich derartige Vb-Wetterlagen durch die Klimaerwärmung langsamer fortbewegen. Das ist eine wichtige Frage, denn je länger ein Tiefdruckgebiet über einer Region bleibt, desto mehr Regen kommt dort zusammen.“
Zuordnungsstudien zum aktuellen Ereignis geplant
Um die Gründe für die extrem großen Regenmengen der letzten Tage genau zu untersuchen, werden in den nächsten Wochen und Monaten Attributionsstudien durchgeführt, in einer Zusammenarbeit der GeoSphere Austria mit anderen europäischen Organisationen.
„Attributionsstudien, auch Zuordnungsstudien genannt, untersuchen für ein konkretes Ereignis, wie groß der Anteil unterschiedlicher Einflussfaktoren war“, sagt Klimaforscher Olefs, „im Fall des Vb-Tiefdruckgebiets der letzten Tage geht es zum Beispiel darum, aus welchen Regionen und in welchem Ausmaß die Feuchte kam, welchen Einfluss dabei die Oberflächentemperatur der Meere hatte und wie sich die Großwetterlage auf die Geschwindigkeit und Zugbahn des Tiefdruckgebiets auswirkte und in welchem Ausmaß der menschengemachte Klimawandel ein derartiges Ereignis verschärft hat.“
Mehr Starkregen in Österreich
Dass allgemein großflächiger Starkregen in Österreich in den letzten Jahren häufiger und intensiver wurde, nicht nur im Zuge von Vb-Wetterlagen, zeigen mittlerweile mehrere Untersuchungen.
Klimaforscher Marc Olefs von der GeoSphere Austria: „Eine Analyse auf Basis von Beobachtungsdaten zeigt, dass im Sommer und Herbst die Zahl der Tage mit viel Niederschlag zugenommen hat und die Tage mit wenig Niederschlag seltener werden. Konkret hat zum Beispiel die Zahl der Tage mit extremem Regen seit den 1960er-Jahren im Sommer um 30 Prozent und im Herbst um 40 Prozent zugenommen.“
Zunahme der maximalen fünftägigen Niederschlagsmenge
Auch bei den mehrtägigen Niederschlagsereignissen gab es in den letzten Jahrzehnten deutliche Änderungen. Ein Vergleich von maximalen fünftägigen Niederschlagssummen im Zeitraum 1991 bis 2020 mit jenen des Zeitraums 1961 bis 1990 zeigt eine statistisch signifikante Zunahme von 19 Prozent in Niederösterreich und 20 Prozent in Wien. Die größten fünftägigen Ereignisse bringen in diesen Bundesländern also mittlerweile um rund 20 Prozent mehr Regen und Schnee als früher (Siehe Bild 3).
Bilder
(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)
Bild 1: Extreme Regenmengen in den letzten Tagen. Dargestellt ist die Niederschlagsmenge im Zeitraum 12. bis 16. September 2024. Auswertung mit SPARTACUS-Daten. Quelle: GeoSphere Austria. ->volle Auflösung
Bild 2: In Wien, Niederösterreich und Oberösterreich bei aktuellem Ereignis fast flächendeckend um 25 Prozent mehr Regen als bei früheren fünftägigen Extremereignissen, stellenweise sogar um rund 120 bis 160 Prozent mehr. Dargestellt ist die Differenz zwischen der Niederschlagsmenge beim aktuellen Ereignis und der bisher höchsten Fünftagesmenge seit 1961 an jedem einzelnen der 84.000 (1x1-Kilometer) Datenpunkte in Österreich. Auswertung mit SPARTACUS-Daten. Quelle: GeoSphere Austria ->volle Auflösung
Die größte fünftägige Niederschlagsmenge war im Zeitraum 1991-2020 (unten) höher als im Zeitraum 1961-1990 (oben). Dargestellt ist die maximale Fünf-Tage-Niederschlagsmenge in der Klimaperiode 1961-1990 (oben) und in der Klimaperiode 1991-2020 (unten). Auswertung mit SPARTACUS-Daten. Quelle: GeoSphere Austria ->volle Auflösung
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Informationen zu SPARTACUS
Die Grafiken wurden mit dem SPARTACUS-Datensatz erstellt. Für SPARTACUS (Spatiotemporal Reanalysis Dataset for Climate in Austria) wurden flächendeckend für ganz Österreich in einer Auflösung von 1x1 Kilometer (84.000 Datenpunkte) bis ins Jahr 1961 zurück Temperatur, Niederschlag und Sonnenscheindauer berechnet. Jetzt werden laufend die aktuellen Daten ergänzt.
Basis des Datensatzes sind aufwändige geostatistische Interpolationsmethoden, die von MeteoSchweiz und GeoSphere Austria gemeinsam entwickelt wurden. Die Daten der unregelmäßig über Österreich verteilten Wetterstationen werden dabei auf ein regelmäßiges Gitter von 84.000 Punkten im Abstand von einem Kilometer umgerechnet.
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