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18.04.2014

Zwei Erdbeben erschütterten die Steiermark

Mehrere Erdbeben bei Kindberg

Am 17. April 2014 wurden nachmittags um 16:55 Uhr und 16:59 Uhr MESZ weite Teile der Steiermark von zwei Erdbeben der Magnitude 3,5 und 4,1 erschüttert. Die Epizentren lagen jeweils 5 km nordnordöstlich von Kindberg (47,55°N, 15,48°O). Die Bebenherde befanden sich in einer Tiefe von etwa 11 km. In den darauffolgenden Stunden ereigneten sich bis 00:00 Uhr MESZ mehr als 25 Nachbeben, wobei nur eines eine Magnitude von 2,0 erreichte und lokal verspürt werden konnte. Etwa 3 Minuten vor dem ersten Beben ereignete sich ein schwaches Vorbeben (Magnitude 0,8).

Mehr als 600 Meldungen

Beim Österreichischen Erdbebendienst der ZAMG langten bis 13 Uhr mittags bereits über 600 Meldungen über das Online-Wahrnehmungsformular (http://www.zamg.ac.at/cms/de/aktuell/erdbeben) und per Telefon ein. Über 15 Personen gaben dabei leichte Gebäudeschäden an. Von diesen Meldungen wurde vereinzelt über Haarrisse im Verputz, kleinen Sprüngen in den Wandecken oder Erweiterungen bestehender Risse berichtet. Im Bereich des Epizentrums wurden von vielen Personen ein deutliches Schaukeln des Gebäudes und ein starkes Klirren von Gläsern oder Geschirr wahrgenommen. Einige Personen reagierten mit Angst. In Einzelfällen wurde von Umkippen weniger standfester Gegenstände berichtet. Das Beben wurde im Mürztal, Leoben, Grazer Becken, Wiener Becken, Wien und vereinzelt in Oberösterreich verspürt. Im Raum Wien wurde das Beben als langsames Schwanken wahrgenommen (vor allem in höheren Stockwerken).

Wahrnehmungskarte Kindberg 2014-04-17

In der Abbildung sind über 130 Orte eingetragen, aus denen Fühlbarkeitsmeldungen dem Österreichischen Erdbebendienst zugetragen wurden.

Registrierungen mit dem Messnetz des Erdbebendienstes

Die beiden Erdbeben wurden an allen seismischen Stationen des Österreichischen Erdbebendienstes deutlich aufgezeichnet. Aktuelle Auswertungen und Seismogramme der Nachbeben finden sich unter www.zamg.ac.at/bebenkarte.

Seismogramm Kindberg 2014-04-17

Registrierung der beiden Erdbeben an den Vertikalkomponenten von fünf ausgewählten Breitbandstationen des Österreichischen Erdbebendienstes. Die vom Beben ausgestrahlten Kompressionswellen erreichten die Station VIE in Wien nach etwa 17 Sekunden (Entfernung vom Epizentrum: 100 km). Die im Seismogramm ersichtliche Zeit bezieht sich auf UTC (MESZ-2h).

Erdbebengefahr in der Steiermark

Erdbeben in der Steiermark sind keine Seltenheit, werden doch an die neun Beben pro Jahr wahrgenommen. Erdbeben, die stark genug sind, um Gebäude leicht zu beschädigen, treten durchschnittlich alle 13 Jahre auf. Mit umfassenden Gebäudeschäden ist alle 60 Jahre im jeweiligen Epizentrum zu rechnen. Betroffen ist davon das Murtal und das Mürztal zwischen Bruck an der Mur und St. Michael. Die letzten Schadensbeben haben sich in Leoben am 6. Februar 1794, in Mürzzuschlag am 14. März 1837, in Wartberg am 25. Juli 1927, in Kindberg am 1. Mai 1885 und in Obdach am 3. Oktober 1936 ereignet. Das Gebiet bei Kindberg fällt unter die Zone 4 der Gefährdungskarte und liegt damit in der höchsten der fünf Zonen (0-4) des Bundesgebietes. Dieser im österreichischen Vergleich relativ hohen Erdbebengefährdung, die vergleichbar mit jener von Wiener Neustadt oder Innsbruck ist, wird in der ÖNORM B 1998-1 zur erdbebenangepassten Bauweise Rechnung getragen. Siehe auch www.oge.or.at .

Erdbeben in der Vergangenheit

Bereits für das Jahr 1267, am Sonntag den 8. Mai, ist in den historischen Quellen ein stärkeres Erdbeben in Kindberg erwähnt, das auch an der dortigen Burg Schaden anrichtete.

Eines der stärksten Erdbeben, das in der Steiermark verzeichnet wurde, war wohl das Beben vom 1. Mai 1885, mit dem Epizentrum in Kindberg. Der damalige Erdbebenreferent für die Steiermark, Franz Heritsch, der eine Abhandlung „Über das Mürztaler Erdbeben vom 1. Mai 1885” im Jahr 1908 publizierte, konnte für seine Studie mehr als 700 Nachrichten aus 472 Ortschaften, die von den lokalen Behörden und Ämtern gesammelt wurden, heranziehen.

Über Kindberg berichtete Heritsch: „Was nun die Wirkung des Bebens betrifft, so ist zu erwähnen, dass kein einziges Haus in Kindberg unbeschädigt blieb. Sprünge in den Gebäuden, Herabfallen des Mörtels sind die allergewöhnlichsten Schäden. Besonders Schornsteine litten sehr, indem sie teils abgeworfen, teils verschoben oder um ihre Achse gedreht wurden, was auch an Grabsteinen häufig beobachtet werden konnte … Der Umstand, dass sogar Gewölbe einstürzten, dass Giebel und Feuermauern umgeworfen wurden, deutet auf eine große Intensität des Bebens; es trat ja doch dadurch eine teilweise Zerstörung der Gebäude ein… Durch die Erschütterung wurde großer Schaden angerichtet. Zahllose Gegenstände wurden zertrümmert, das Turmkreuz der Pfarrkirche stürzte ab, schwere eiserne Wertheimkassen wurden um mehrere Zoll verschoben. Wie weit die Gebäude durch das Erdbeben litten, zeigt am besten der Umstand, dass die Schule wegen der Schäden des Hauses gesperrt werden musste.”     Schäden wurden auch noch aus einigen anderen Ortschaften wie Aumühl, Allerheiligen bei Kindberg, Schloss Oberkindberg, Wartberg und Stanz berichtet. Verspürt wurde das Beben bis weit nach Niederösterreich, dem steirischen Salzkammergut, Salzburg, Oberösterreich, Bayern, Böhmen, Mähren und Ungarn.

Das Beben vom 25. Juli 1927 steht im Schatten des stärkeren Schwadorfer Erdbebens, das sich im selben Jahr im Oktober in Niederösterreich ereignete. Über 1800 Meldungen langten anlässlich des „Wartberger” Erdbebens beim Erdbebendienst ein. Der größte Teil davon stammt aber nicht aus der Steiermark (385 Meldungen), sondern aus Niederösterreich und Wien, von wo 843 Meldungen eintrafen. Dieser Umstand wird oft bei Erdbeben im Mürztal beobachtet, da die Besiedelungsdichte auf niederösterreichischer Seite größer ist. Einen guten Überblick bietet ein Brief des damaligen Bürgermeisters, der unter anderem auch „An die Erdbebenstation Hohe Warte” am 26. Juli gesendet wurde: „Am 25.Juli 1927 um 21.35 Uhr wurde hier ein starkes Erdbeben verspührt – einige Sekunden darauf ein zweites – um 23 Uhr ein drittes und um 2 Uhr früh ein viertes Beben. Der erste Stoss war sehr heftig so daß im ganzen Ort alle Häuser beschädigt sind. Zirka 12 Kamine sind teilweise herunter gestürzt, teilweise sehr stark beschädigt. Einrichtungsgegenstände wurden in den Wohnungen wie auch Öfen umgeworfen. Der Sachschaden ist bedeutend. Verletzt wurde niemand. Nach hiesiger Ansicht kam das Beben von Süd-West und verlief in der Richtung Nord-Ost. Seit dem Jahre 1885 war dieses Erdbeben das stärkste. Das Beben wurde auch in Mitterdorf Mürztal sehr stark wahrgenommen und wurde auch dort viel Schaden verursacht. Auf den umliegenden Höhen wie Stangelalpe, Troiseck wurde das Beben auch verspürt, jedoch auf der Stangelalpe nur der erste Stoss, während auf den nördlichen Höhenzuge alle Stöße verspürt wurden. Die Bodenbewegung dürfte fast einen halben Meter ausgemacht haben. Viele Bewohner unserer Ortschaft verbrachten die Nacht im Freien, da fast alle Stunden nach dem starken Beben schwächere Stösse verspürt wurden.”    Die Nachbebentätigkeit (angeblich  zwischen 23 und 26 Erdbeben) hielt bis 28. Juli, also drei Tage, an. Die große Bodenbewegung, die hier zitiert wird, entspricht allerdings nicht der Realität, denn Naturerscheinungen werden vom Menschen oft übertrieben wahrgenommen und dargestellt.

Literatur:  ERDBEBEN IN ÖSTERREICH (Hammerl & Lenhardt, 1997)

Der Österreichische Erdbebendienst

Teaserportlet Bebenkarte groß
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Umfeld eines Stollens © ZAMG
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Live-Seismogramm
Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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