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10.02.2021

Eine in Wien entwickelte neue Magnetik-Methode unterstützt die Klimaforschung

Eine in Wien entwickelte neue Magnetik-Methode unterstützt die Klimaforschung

©ZAMG

Die Universität Utah, das Naturhistorische Museum der Smithsonian Institution Washington und Österreichs ZAMG haben eine Methode entwickelt, um in Millionen Jahre alten Sedimenten die magnetischen Reste von Bakterien zu analysieren. Die neue Methode ermöglicht, die Folgen von raschen Klimaschwankungen in der Erdgeschichte sowie deren Auswirkungen auf das Ökosystem noch besser zu erforschen.

Der Bericht des Forschungsteams wurde vor kurzem in der renommierten Wissenschafts-Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America" (PNAS) veröffentlicht.

Die Reste von unbekannten Bakterien, die nadelförmige Kristalle aus magnetischem Eisenoxid (Magnetit) produzieren, wurden bis heute nur in Sedimentschichten gefunden, die aus besonders warmen Klimaphasen der Erdgeschichte stammen. Ein Beispiel für so eine Phase ist das Paläozän-Eozän Temperaturmaximum vor etwa 56 Millionen Jahren. Damals erwärmte sich das Erdklima in weniger als 5000 Jahren um fünf bis acht Grad. Die Ursache für die Erwärmung ist unklar, könnte aber mit einer massiven Zunahme an Kohlenstoff in der Atmosphäre zu tun haben. Diese Erwärmung verursachte eine Versauerung der Ozeane, das Aussterben von einigen terrestrischen Säugetieren, die Entwicklung von sehr großen Insekten und Reptilien sowie extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Flächenbrände.

Die Analyse derartiger Bakterienreste sind für die Klimaforschung von großem Interesse. Denn sie helfen, die Auswirkungen von markanten Änderungen der Treibhausgase auf das gesamte Ökosystem besser zu verstehen. Bisher mussten für diese Analyse die winzigen Eisenoxid-Teilchen in sehr aufwändigen Verfahren aus den Sedimenten herausgearbeitet und in Elektronenmikroskopen untersucht werden.

Neue Methode an der ZAMG in Wien entwickelt

Im letzten Jahr wurde in Wien mit einem hochpräzisen Magnetometer an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eine neue Methode für die Analyse von Eisenoxid-Teilchen entwickelt, die wesentlich einfacher als das bisherige Verfahren ist und auch genauer. Das Projekt wurde von der ZAMG gemeinsam mit der Universität Utah und dem Naturhistorischen Museum der Smithsonian Institution Washington (beide USA) durchgeführt.

Magnetischer Fingerabdruck von für uns unsichtbaren Teilchen

„Mit der neuen Methode können wir - ohne die Sedimentproben zerstören zu müssen - Kristalle mit einer Größe von weniger als einem Tausendstel Millimeter genau analysieren", sagt Ramon Egli, Experte für Geomagnetik an der ZAMG. „Das kann man sich so ähnlich vorstellen wie bei einer Computertomografie in einem Krankenhaus. Die gesamte Sedimentprobe wird in das Magnetometer geschoben und mit 400 bis 600 verschiedenen Magnetisierungsdurchgängen untersucht. Die enthaltenen Mineralien verursachen dabei eine Art magnetischen Fingerabdruck. Damit kann man Eisenoxid-Teilchen mit unterschiedlichem Ursprung exakt unterscheiden. Beim Entwickeln der neuen Methode haben wir zum Beispiel mit den Sedimenten von der atlantischen Küste des US-Bundesstaat New Jersey gearbeitet. Mit der neuen Methode konnten wir einwandfrei die magnetischen Reste von Bakterien nachweisen, die in einer markanten Warmphase vor 56 Millionen Jahren entstanden sind und eine Größe von nur einem Tausendstel Millimeter haben. Wir vermuten, dass die plötzliche Entstehung von heute ausgestorbenen Organismen, die diese nadelförmigen Eisenoxid-Teilchen produziert haben, mit Sauerstoffmangel in seichten Küstengebieten zu tun hatte."

Zusammenarbeit zwischen USA und Österreich

Die ZAMG Fachabteilung für Magnetik in Wien entwarf das neue Messprotokoll und führte in dem Projekt die Messungen am Magnetometer durch. Die Messresultate wurden mit Untersuchungen am Elektronenmikroskop der University of Utah, die auch die Sedimentproben entnahm, und mit numerischen Modellierungen des Naturhistorischen Museums der Smithsonian Institution in Washington verglichen.

Der Bericht des Forschungsteams wurde vor kurzem in der renommierten Wissenschafts-Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America" (PNAS) veröffentlicht (https://www.pnas.org/content/118/6/e2018169118).

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Bilder

(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)

Magnetometer an der ZAMG Zentrale auf der Hohen Warte in Wien: Hier werden Sedimente für die Forschung untersucht und neue Methoden der Analyse entwickelt. Hier werden aber auch Materialien untersucht (z.B. Komponenten von Satelliten), die bestimmte Eigenschaften besitzen müssen, wie etwa nichtmagnetisch oder stark magnetisch. Quelle: ZAMG –>zum Download in voller Auflösung

Magnetische Nadeln (rote Pfeile), die in einer markanten Warmphase vor 56 Millionen Jahren von Bakterien produziert wurden und nur ein Tausendstel Millimeter groß sind: Die Bakterien sind mittlerweile aufgelöst und es ist nicht klar, wie sie aussahen. Im oberen Teil des Bildes sind magnetische Fossilien zu sehen, die von auch heute vorhandenen Bakterien produziert wurden. Die Aufnahme stammt aus dem bisherigen Analyse-Verfahren in einem Elektronenmikroskop. Quelle: University of Utah. –>zum Download in voller Auflösung

Die neue Analyse-Methode zeigt einen eindeutigen magnetischen Fingerabdruck der 56 Millionen Jahre alten Bakterienreste: Die an der ZAMG in Wien entwickelte neue Analysemethode untersucht die gesamte Sedimentprobe in unterschiedlichen Magnetfeldern. Daraus entsteht eine zweidimensionale Abbildung der darin enthaltenen magnetischen Teilchen (oben). Die rote Spur (oben) ist der Fingerabdruck von magnetischen Fossilien. Sie ist im Bild unten vergrößert dargestellt. „BN" weist auf den Beitrag von nadelförmigen Teilchen hin. Im Gegensatz zu Elektronenmikroskop-Untersuchungen, kann die Konzentration unterschiedlicher Teilchenarten im Sediment bestimmt werden und damit auch zeitliche Änderungen. Quelle: ZAMG –>zum Download in voller Auflösung

Diese numerische Simulation zeigt, wie sich die Magnetisierung der 56 Millionen Jahre alten Nadeln aus Magnetit während eines Messdurchgangs ändert. Quelle: ZAMG –>zum Download in voller Auflösung

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Web-Links

ZAMG Magnetik: www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/magnetik

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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