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17.08.2021

Ein nächtliches Erdbeben erschüttert den Raum Wörgl in Tirol

Montag nachts, am 16. August 2021, hat sich um 23:15 Uhr MESZ südlich von Wörgl in Tirol ein Erdbeben der Magnitude 4,1 in einer relativ großen Herdtiefe von 13 km ereignet. Das Epizentrum lag am Südende des Wildschönauer Hochtales (47,36°N, 12,06°O), fünf Kilometer südöstlich der Ortschaft Auffach. Die Bodenbewegungen wurden im Bereich des Epizentrums von der Bevölkerung stark verspürt, auch in einer Entfernung von über 50 km, wie in Innsbruck und Saalfelden in Salzburg, waren die Erschütterungen noch wahrnehmbar (siehe Abbildung 1).

Ein nächtliches Erdbeben erschüttert den Raum Wörgl in Tirol

Abbildung 1: Karte mit Orten (weiße Kreise), aus denen Fühlbarkeitsmeldungen beim Erdbebendienst eingelangt sind. Epizentrum: schwarzer Stern.

Leichte Schäden

Gemäß den über 2200 Berichten der Bevölkerung, die über unser online-Wahrnehmungformular beim Österreichischen Erdbebendienst (ZAMG) eingegangen sind, war das Beben heftig zu spüren. Im Bereich des Epizentrums sind viele Personen aus dem Schlaf gerissen worden, haben sich durch die kräftigen Erschütterungen geängstigt, kleine Gegenstände sind umgefallen, Wandbilder wurden verschoben. Es wurde beobachtet, wie Möbel sich deutlich hin und her bewegten.

Vereinzelt sind die Leute aus Furcht aus dem Haus gelaufen. Einige Betroffene aus dem Bereich des Epizentrums, wie aus beispielsweise aus Wörgl, Langkampfen und Kirchbichl, meldeten auch Haarrisse im Verputz, vereinzelt fielen auch kleine Verputzteile von der Wand. Meldungen über strukturelle Gebäudeschäden haben wir bislang nicht erhalten“.

Eine schnelle Abschätzung der von einem Beben erzeugten Bodenbewegungen und den damit verbundenen Auswirkungen ist in untenstehender ShakeMap dargestellt (Abbildung 2). Diese Angaben sind sowohl für die betroffene Bevölkerung als auch für die Rettungskräfte als Handlungsgrundlage hilfreich. Die Intensität im Epizentrum betrug nach einer vorläufigen Bewertung 5 Grad auf der 12-stufigen Europäischen Makroseismischen Skala (EMS-98).

Ein nächtliches Erdbeben erschüttert den Raum Wörgl in Tirol

Abbildung 2: ShakeMap des Erdbebens südlich von Wörgl in Tirol, 16. August 2021 um 23:15 Uhr MESZ,  Magnitude 4,1. Bei dieser Karte handelt es sich um eine Abschätzung der von einem Beben erzeugten Bodenbewegung und den damit verbundenen Auswirkungen, die beinahe in Echtzeit erstellt wird. ©ZAMG

Ein seltenes Ereignis

Tirol wird durchschnittlich alle sieben bis acht Jahre von einem Erdbeben mit einer Magnitude großer gleich 4,0 getroffen. Die stärksten Beben treten im Bereich des Inntals auf, einer der prominentesten Erdbebenzonen Österreichs. Diese war in der Vergangenheit Schadensbeben betroffen, infolge der beiden stärksten, 1670 in Hall in Tirol und 1689 in Innsbruck, wurden viele Häuser beschädigt, einige stürzten sogar ein und forderten Todesopfer. Die Intensitäten betrugen 8 bzw. 7-8 Grad auf der EMS-98 und die rekonstruierten Magnituden 5,2 bzw. 5,3.

Der Bebenherd südlich von Wörgl vom 16. August 2021 liegt etwa 15 km südlich der nordost-südwest streichenden Inntal-Scherzone, die durch Störungsausläufer stark segmentiert ist. Die Region um das Epizentrum weist hingegen eine vergleichsweise geringe Seismizität auf, weshalb die Analyse der Bewegungsmechanismen dieses Bebens eine besondere Ausmerksamkeit der Seismologinnen und Seismologen der ZAMG auf sich ziehen wird.

Im Umkreis von zehn Kilometern sind im Österreichischen Bebenkatalog über 120 Erdbeben gelistet, aber nur vier Beben wurden von der Bevölkerung gespürt, die beiden stärksten (1990 und 2012) hatten Magnituden von jeweils 3,0. Das Beben vom 16. August 2021 ist somit das stärkste Beben, das in dieser Region jemals gemessen und gespürt wurde. Einen vergleichbaren Magnitudenwert von 3,9 wies das Beben vom 22. Oktober 2019 auf, das sich bei Scheffau am Wilden Kaiser ereignete und ebenfalls eine relativ große Herdtiefe (12 km) hatte. Die beiden Epizentren liegen 23 km voneinander entfernt.

Aufgrund von Modellrechnungen und weltweiten Beobachtungen kann man einen Zusammenhang zwischen Magnitude, Bruchfläche und Bewegungsbetrag ermitteln. Die Größenordnung der Bruchlänge liegt bei einem Beben der Magnitude 4,0 bei etwa einem Kilometer, der relative Bewegungsbetrag beträgt grob 4 cm.

Nachbebentätigkeit

Durch das Hauptbeben (siehe auch Seismogramm in Abbildung 3) wird nicht die gesamte im Herdvolumen angestaute Deformationsenergie freigesetzt, außerdem kommt es durch Spannungsumlagerung zur Erhöhung von Spannungen an benachbarten Punkten bis in die Nähe der Bruchgrenze. In den nachfolgenden Stunden kam es zu mehreren Dutzend Nachbeben, das stärkste hatte eine Magnitude von 2,3 und war damit stark genug, um lokal gespürt werden zu können. Mit weiteren Nachbeben ist zu rechnen.

Ein nächtliches Erdbeben erschüttert den Raum Wörgl in Tirol

Abbildung 3: Registrierung des Hauptbebens vom 16. August 2021 um 23:15 MESZ (=21:15 UTC) an der seismischen Station Wattenberg (WTTA) des Österreichischen Erdbebendienstes, ZAMG. Registrierausschnitt: ca. eine halbe Minute.

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Live-Seismogramm
Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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