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29.04.2016

2. bis 3. Mai 2016: Wien im Zentrum der historischen Erdbebenforschung

2. bis 3. Mai 2016: Wien im Zentrum der historischen Erdbebenforschung

©ZAMG/Hammerl

An der ZAMG, auf der Hohen Warte in Wien, findet von 2. bis 3. Mai 2016 eine internationale Tagung zum Thema „Historische Erdbeben und Makroseismik" statt. Mehr als 50 Fachleute aus ganz Europa besprechen unter anderem den Aufbau der neuen europäischen Erdbebendatenbank, die mehr als 1000 Jahre zurückreicht.

Erdbeben werden erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit Instrumenten gemessen. Um einzuschätzen, wie gefährdet eine Region ist, reichen diese Daten nicht, sagt Christa Hammerl von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): „Stärkere Erdbeben sind in Österreich und anderen europäischen Ländern, die seismisch weniger aktiv sind, relativ seltene Ereignisse. Daher brauchen wir Daten aus sehr großen Zeiträumen, um statistisch sinnvoll die Erdbebengefährdung analysieren zu können. Die Aufgabe der historischen Erdbebenforschung ist, aus Archiven Beschreibungen und Hinweise zu Beben der letzten Jahrhunderte auszuwerten und ihre Stärke nach modernen Richtlinien zu bestimmen. So haben wir Datenreihen ermittelt, die bis ins Jahr 1000 zurückreichen."

Rauchfangkehrer-Rechnungen liefern Hinweise auf Erdbeben

Die historische Erdbebenforschung verwendet alte Beschreibungen von Verlauf und Schäden eines Erdbebens, wie sie oft in Gemeindechroniken oder in Klöstern archiviert sind. Es gibt aber auch zahlreiche indirekte Hinweise, erklärt die Erdbebenhistorikerin Hammerl: „Sehr hilfreich sind zum Beispiel historische Rechnungen von Rauchfangkehrern. Denn bei stärkeren Erdbeben stürzten oft zuerst die Kamine ein. Diese Rechnungen über Reparaturen von Kaminen sind oft wertvolle Informationen zu einem Erdbebenereignis und seiner Stärke."

Nutzen für Baunorm und Katastrophenschutz

Die in detektivischer Kleinarbeit ausgewerteten Informationen werden auf die aktuell verwendete 12-teilige Europäische Makroseismische Skala EMS-98 umgelegt. So werden unter anderem Gebiete identifiziert, in denen es über die Jahrhunderte immer wieder zu stärkeren Erdbeben gekommen ist. Die Daten gehen dann beispielsweise in Baunormen und in die Planungen des Katastrophenschutzes ein.

Wien für zwei Tage Zentrum der europäischen Erdbebenforschung

Von 2. bis 3. Mai 2016 treffen sich in der Zentrale der ZAMG, auf der Hohen Warte in Wien, Europas Expertinnen und Experten der historischen Erdbebenforschung. Die Tagung „Historische Erdbeben und Makroseismik" dient neben dem Austausch zu aktuellen Forschungsthemen auch der Koordination und einer Zwischenbilanz des neuen Europäischen Erdbebenkatalogs (www.emidius.eu/SHEEC/catalogue). „Hier handelt es sich um eine online frei verfügbare Datenbank der historischen Erdbeben Europas seit dem Jahr 1000, die nach höchsten Qualitätskriterien recherchiert und analysiert wurden," sagt ZAMG-Expertin Christa Hammerl, „es war ein wichtiger Schritt, dass alle Länder Europas ihre Daten nach einheitlichen Kriterien erheben und in den Europäischen Erdbebenkatalog einpflegen.

Online-Datenbank wächst weiter

In den nächsten Jahren wird die Datenbank weiter ausgebaut. Immer neue Zeiträume und Regionen werden ausgewertet. So wird derzeit in Österreich für Tirol ein umfassender Bebenkatalog der letzten 1000 Jahre erstellt. Tirol ist nach der Steiermark und Niederösterreich das dritte Bundesland, dessen historische Erdbeben unter der Leitung der ZAMG Abteilung für Geophysik intensiv erforscht werden.

Citizen Science seit 1897

Wichtige Informationen zu Erdbeben liefern auch die Berichte der Bevölkerung an den Erdbebendienst, die in den letzten Jahren direkt über die Website an die ZAMG gemeldet werden. Die Ursprünge dieser Beteiligung der Bürger an der Wissenschaft, heute auch als „Citizen Science" bekannt, liegen im 19. Jahrhundert, erklärt Historikerin Hammerl: „Damals startete die ´Erdbeben-Commission der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien´ eine Initiative zur besseren Dokumentation von Beben. Unser ältestes daraus erhaltenes Dokument stammt aus dem Jahr 1897."

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Wiener Schäden durch das Erdbeben in Ried am Riederberg im Jahr 1590: Zeitgenössische Flugschrift über die massiven Schäden in Wien (Schultes-Augsburg 1590). Zitat aus Newe Zeittung vom schröcklichen Erdbidm:... beym Schottenkloster mehr denn die halbe Kirche eingangen/ vnnd die Gewölbe durchschlagen/ vnnd an allen orten zerkloben/ vnd dermassen zerschmettert/ daß man nicht sicher drein gehen darff/ man muß abtragen ...". Quelle ZAMG/Hammerl –>Link zum Bild in Originalgröße

Recherche historischer Erdbeben: ZAMG-Historikerin Christa Hammerl im Archiv der Erzdiözese Brixen im Rahmen des Projekts zur Erstellung des Tiroler Erdbebenkatalogs. Foto: ZAMG/Hammerl. –>Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

Europäischer Erdbebenkatalog: www.emidius.eu/SHEEC/catalogue

Historische Erdbeben in Österreich: www.zamg.at/cms/de/geophysik/erdbeben/historische-erdbeben

Die stärksten Schadbeben in Österreich: www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/erdbeben/erdbeben-in-oesterreich/copy3_of_die-staerksten-erdbeben-in-oesterreich

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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Historische Erdbeben
Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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