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28.01.2022

Wetterlexikon | Lostage, Bauernregeln, Wettertage

Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.

Wetterlexikon | Lostage, Bauernregeln, Wettertage

Autor: Wolfgang Senoner, MSc, ZAMG Salzburg

Das Wettergeschehen ist seit jeher ein sehr bedeutender Faktor für die Menschen, obwohl man die genauen Prozesse in der Atmosphäre früher nicht erklären konnte. Die Bewohner in der Frühzeit sahen in den Himmelsrichtungen das Wirken der Götter.

Die Bauernregeln basieren auf mehrjährig gesammelten Beobachtungen der Bevölkerung um das Wetter vorherzusagen. Um diese „verständlich“ zu machen und z.B. die Entwicklung von Obst, Gemüse und Getreide voraus sehen zu können, wurden diese meist in Form von einfachen Reimen niedergeschrieben und so an die späteren Generationen weitervererbt. An diesem Punkt gilt es auch zu erwähnen, dass sich die Beobachtungen der Bauernregeln meist auf ein bestimmtes Tal oder einzelnen Punkt bezogen haben. Diese sind für diesen Bereich teilweise. auch heute noch gültig. Da man die Regeln mittlerweile auf größere Regionen ausdehnt, funktionieren diese Regeln allerdings nur mehr begrenzt.

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Lostage sind bestimmte Tage im Jahr, die vor allem im vorindustriellen Zeitalter für die Gesellschaft bestimmend waren. In den meisten Fällen wollte man anhand bestimmter Formulierungen und Gesetzmäßigkeiten Aussagen über das zukünftige Wetter treffen, welche vor allem für die Verrichtung von landwirtschaftlichen Tätigkeiten ausschlaggebend sein sollten. Zu den bekanntesten Lostagen zählen u.a. die Eisheiligen, die Schafskälte, der Siebenschläfertag oder die Hundstage. Allgemein zählen die Lostage zu den Singularitäten. Darunter versteht man Wetterlagen, die mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit zu bestimmten Zeiten im Jahresverlauf auftreten und eine deutliche Abweichung vom Mittel darstellen.

Bei der Betrachtung aller Wetterregeln muss allerdings bedacht werden, dass es im 16. Jahrhundert die Gregorianische Kalenderreform gegeben hat. Dies führte zu einer „Verschiebung“ um 10 Tage, sofern die Entstehung der Regel auf einen Zeitraum vor der Reform festgelegt werden kann. Daher ist z.B. der Siebenschläfertag nicht wie allgemein bekannt am 27. Juni, sondern verschiebt sich dadurch in die erste Juliwoche. Allerdings ist meist nicht der genaue Tag entscheidend, sondern vielmehr ein gewisser Zeitraum um diesen Tag. Daher werden die Auswirkungen der Kalenderreform etwas minimiert.

Wodurch unterscheiden sich nun die einzelnen Regeln über das Wetter?

Bei den Wetterregeln wird von den aktuellen Verhältnissen ausgegangen, um dadurch auf den weiteren Verlauf schließen zu können. Dies geschieht durch die Analyse von Wolken, Wind, Regen, Schnee oder Nebel. Aufgrund dieser Beobachtungen ist es durchaus möglich, auf das Wettergeschehen in den nächsten Stunden zu schließen. So zum Beispiel bei einem Warmfrontaufzug: Anfangs gibt es dünne hohe Wolken, später werden diese Wolken zunehmend dichter und tiefer. Später tritt dann Regen ein. Als weiteres Beispiel eine Winddrehung auf Nord: Hier wird kühlere Luft herangeführt. Als weiteres Zeichen gilt z.B. das Auffrischen des Windes: Das Wetter ändert sich, dadurch sind unter anderem auch Gewitter möglich. Eine langfristigere Prognose, vor allem für mehrere Tage, ist dadurch allerdings nicht möglich.

Im Gegensatz zu den Wetterregeln, versucht man bei den Witterungsregeln (auch Lostage genannt), das Wettergeschehen für mehrere Tage oder sogar Monate vorherzusagen. Die Witterung ist im Gegensatz zum Wetter ein längerer beobachteter Zeitraum. Allerdings muss man die Lostage mit entsprechender Vorsicht betrachten. Es wird versucht, die auftretenden Zirkulationsmuster vorherzusagen. Diese hängen allerdings von mehreren Faktoren ab. Es ist daher sehr schwierig bis quasi unmöglich, eine genaue Vorhersage zu treffen. Sieht man sich das Datum der jeweiligen Lostage an, stellt man fest, dass diese in den meisten Fällen auf einen kirchlichen Festtag fallen. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Betrachtung der Lostage ist, dass man nicht nur das Wetter zum Bezugstag betrachtet, sondern das Wettergeschehen um diese Tage – sprich zwei, bis drei Tage davor und danach.

Des Weiteren gibt es noch die sogenannten kalendergebundenen Klimaregeln. Diese Regeln handeln z.B. vom wechselhaften Aprilwetter und dessen Folgen, ohne jedoch konkret auf ein genaueres Datum einzugehen.

Nun wollen wir uns einige dieser bekannten Regeln ansehen und versuchen den Inhalt zu verstehen. Beginnen wir mit einer der am weitest verbreiteten Regeln, dem Siebenschläfertag.

„Regnet’s am Siebenschläfertag, es sieben Wochen regnen mag.“

Wie bereits oben kurz erwähnt, hat sich der Siebenschläfertag durch die gregorianische Kalenderreform „verschoben“ und ist dadurch in die erste Juli Woche gerückt. Meistens leiten wir diesen Tag vom gleichnamigen Nagetier ab, dieses hat jedoch damit nichts zu tun. Der Name stammt aus dem alten Rom. Einer Sage nach versteckten sich dort während der Christenverfolgung im Jahr 251 n.Chr. sieben Brüder in einer Höhle bei Ephesus und fielen danach in einen langen, tiefen Schlaf, der über 200 Jahre dauern sollte. Erst 446 n.Chr. wurde die Höhle wiederentdeckt und die Brüder wachten auf.

Was hat dieses Datum nun mit der Meteorologie zu tun? Die hohe Trefferwahrscheinlichkeit der Siebenschläfer-Regel lässt sich logisch begründen. Die Bauernregel trifft häufig zu, weil sich Ende Juni/Anfang Juli der Verlauf des Jetstreams festlegt. Dieser wiederum prägt das Wetter in den Sommerwochen. Im Zeitraum um Anfang Juli stabilisiert sich auf der Nordhalbkugel der Jetstream. Dieses mäandrierende, in etwa 10 Kilometern Höhe befindliche Starkwindband hat Einfluss auf den Wettercharakter der nächsten Wochen. Verläuft es über das nördliche Europa, setzt sich eher das Azorenhoch durch, ein häufig anzutreffendes und mehr oder weniger stark ausgeprägtes Hochdruckgebiet, das ein Bestandteil des subtropischen Hochdruckgürtels ist. Es ist ein wichtiges Steuerungszentrum für das Wetter in Europa. Zeitweise spalten sich einzelne Hochdruckzellen vom Azorenhoch ab und ziehen über Mitteleuropa nach Osten. Im Sommer führt dieser Vorgang zu hochsommerlichen Witterungsabschnitten. Verläuft das Starkwindband weiter südlich über Europa, dominiert das Islandtief und damit tendenziell schlechteres Sommerwetter. Das Islandtief ist ein sehr häufig auftretendes Druckgebilde, das große Bedeutung für das Wetter in Mitteleuropa hat. Mit seinen Ausläufern lenkt es im Sommer feuchtkühle und im Winter feuchtmilde Luftmassen nach Europa. Die Trefferquote dieser Regel liegt in unseren Breiten bei ca. 60-70%. Aufgrund des Klimawandels scheint dieses Starkwindband schwächer zu werden, weshalb diese Wetterregel womöglich in Zukunft an Bedeutung verlieren könnte.

„Ist der Oktober mild und fein, kommt ein strenger Winter drein.“

Dieses Sprichwort geht davon aus, dass es bei einem milden Oktober, welcher sich durch eine stabile Hochdrucklage auszeichnet, zu einem strengen Winter kommen kann. Diese Großwetterlage kann auch während der Wintermonate bestehen bleiben. Der Luftdruckunterschied zwischen dem Azorenhoch und dem Islandtief ist sehr gering, was dazu führt, dass uns keine milden und feuchten Westwinde erreichen, sondern dass sich von Norden und Nordosten kontinentale Kaltluftmassen in Richtung Europa bewegen, die für einen kalten Winter sorgen. 

„Wenn Schwalben niedrig fliegen, wird man Regenwetter kriegen“

Schwalben haben kein eingebautes Wetterradar, können das Wetter weder sehen noch riechen. Sie schnappen sich Insekten direkt aus der Luft. Wird diese feuchter und wird der Wind stärker, fühlen sich die Insekten nicht mehr so wohl und fliegen tiefer. Derselbe Effekt ist dadurch auch bei den Schwalben zu beobachten. Die eigentlichen „Wetterfrösche“ sind in diesem Falle nicht die Vögel, sondern viel mehr die Insekten. Sieht man also die Schwalben tief über unsere Köpfe segeln, kann man davon ausgehen, dass sich das Wetter in den nächsten Stunden wahrscheinlich ändern wird. Die Neigung zu Regen steigt.  

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Eisheiligen

Zu den Eisheiligen zählen die Namenstage mehrerer christlicher Heiligen, an denen verschiedenen regionalen Bauernregeln zufolge die letzten Frostnächte des Frühjahrs möglich sind.

Die Eisheiligen bringen in Österreich sehr selten Frost. Aber in vielen Jahren finden markante Kaltlufteinbrüche rund zehn Tage nach den Eisheiligen statt.

„Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei frostige Bazi. Und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie." Die Eisheiligen von 12. bis 15. Mai gehören zu den Klassikern unter den Bauernregeln.

In einigen Regionen zählt auch der Mamertus-Tag am 11. Mai zu den Eisheiligen. Eine Untersuchung dieser Bauernregel mit meteorologischen Methoden bringt zwei Überraschungen:

Erstens: Die Eisheiligen bringen in den meisten bewohnten Regionen Österreichs nahezu nie Frost. Zweitens: Es gibt einen Zeitraum im Mai, in dem wir mit verblüffend hoher Wahrscheinlichkeit Kaltlufteinbrüche erleben, allerdings nicht zur Zeit der Eisheiligen.

Frost, also Temperaturen unter Null Grad Celsius, ist in Österreich in tiefen Lagen im gesamten Mai sehr selten – egal ob man die Temperatur in zwei Meter Höhe oder direkt am Boden untersucht. In den letzten zwanzig Jahren gab es in den meisten Landeshauptstädten ganz wenige Tage mit Bodenfrost.

Etwas häufiger ist Bodenfrost im Mai im Mühlviertel und im Waldviertel mit durchschnittlich rund drei Tagen pro Jahr, sowie allgemein in höher gelegenen Tälern wie beispielsweise in Mürzzuschlag (ST, 705 m) und in Sillian (T, 1081 m) mit rund vier Tagen mit Bodenfrost im Mai pro Jahr. Man sieht, dass Bodenfrost selbst im gesamten Mai selten ist. Die Zahl der Frosttage genau zu den Eisheiligen ist daher verschwindend klein.

Nimmt man die Eisheiligen aber nicht ganz so streng, kommt man zu einem interessanten Ergebnis. Betrachtet man den Verlauf der mittleren Tagestemperatur im Mai basierend auf den Daten der letzten 50 Jahre, dann erkennt man einen sehr markanten Temperatureinbruch. Der findet aber nicht zu den Eisheiligen, sondern zwischen 20. und 25. Mai statt, also zehn Tage später. Das würde gut damit zusammenpassen, dass im 16. Jahrhundert im Rahmen der Gregorianischen Kalenderreform zehn Tage ausgelassen wurden und sich dadurch die Eisheiligen im Kalender um etwa zehn Tage von ihrem meteorologischen Eintreffen entfernt haben.

Nicht so einfach zu klären ist die Frage, warum offensichtlich sehr regelmäßig Kaltlufteinbrüche zwischen 20. und 25. Mai stattfinden (siehe Abbildung 1). Eine Erklärung ist, dass es sich um einen statistischen Zufall handelt, und die Temperaturkurve glatter wird, wenn in den nächsten Jahrzehnten mehr Daten dazukommen. Dagegen spricht, dass die vorhandenen Daten aus 50 Jahren bereits statistisch sehr aussagekräftig sind. Möglicherweise haben unsere Vorfahren das Wetter sehr gut beobachtet und eine meteorologische Besonderheit entdeckt, denn im Mai heizt sich der europäische Kontinent deutlich schneller auf als das umgebende Meer. An der Grenze der warmen und kalten Luftmassen entstehen Tiefdruckgebiete, die polare Kaltluft bis Mitteleuropa bringen können. Es ist gut möglich, dass auf Grund von konstanten Faktoren wie Sonnenstand und der Land-Meer-Verteilung dieser Mechanismus gehäuft zu Kaltlufteinbrüchen in der zweiten Maihälfte führt.

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Abbildung 1: Verspätete Eisheilige: Die Daten der letzten 50 Jahre zeigen einen markanten Temperaturrückgang ungefähr zwischen 20. und 25. Mai. Quelle: ZAMG.

Daraus abgeleitet ergeben sich unter anderem folgenden Bauernregeln:

  • Vor Bonifaz kein Sommer, nach der Sophie kein Frost.
  • Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz.
  • Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist.
  • Pankraz und Servaz sind zwei böse Brüder, was der Frühling gebracht, zerstören sie wieder.
  • Servaz muss vorüber sein, will man vor Nachtfrost sicher sein.
  • Pflanze nie vor der kalten Sophie.
  • Die kalte Sophie macht alles hie.
  • Wenn’s an Pankratius friert, so wird im Garten viel ruiniert.
  • Pankraz hält den Nacken steif, sein Harnisch klirrt von Frost und Reif.
  • Pankratz und Urbanitag ohne Regen – versprechen reichen Erntesegen.
  • Servaz muss vorüber sein, willst vor Nachtfrost sicher sein.
  • Vor Servaz kein Sommer, nach Servaz kein Frost.
  • Sophie man die Kalte nennt, weil sie gern kalt Wetter bringt.
  • Kalte Sophie wird sie genannt, denn oft kommt sie mit Kälte daher gerannt.