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09.03.2016

Neuer Meilenstein in der Wettervorhersage

Neuer Meilenstein in der Wettervorhersage

©ECMWF

Am Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) läuft seit dieser Woche das weltweite Prognosemodell erstmals mit einer Auflösung von neun Kilometern. Damit werden mehrmals täglich Wettervorhersagen für mehr als 900 Millionen Orte auf der Erde berechnet. Das sind dreimal so viele Orte wie in der bisherigen Modellversion. Das neue Modell wird die Treffsicherheit der Prognosen um rund einen halben Tag verbessern. Die Prognosen des ECMWF gehören zu den weltweit besten und werden in Österreich von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) für zahlreiche Anwendungen verwendet.

Reading, rund 70 Kilometer westlich von London, ist eines der weltweit führenden Zentren für Meteorologie. Hier ist der Sitz des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF), einer internationalen Kooperation von 34 großteils europäischen Staaten. Am Hochleistungscomputer des ECMWF werden täglich hochkomplexe Computersimulationen zur Vorhersage des Wetters gerechnet. Sie sind die Basis für die Wettervorhersagen und -warnungen in vielen europäischen Staaten. In Österreich ist für die Kooperation mit dem ECMWF die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) verantwortlich.

Ein Österreicher leitet die Evaluierung neuer Entwicklungen am ECMWF

Einer der wenigen Österreicher, die am europäischen Wettervorhersagezentrum in Reading tätig sind, ist Thomas Haiden. Er ist Experte für Vorhersagemodelle an der ZAMG und leitet am ECMWF das Team für Modellverifikation und Messwert-Monitoring. Haiden begleitet mit seinen Kollegen auch den jüngsten Vorstoß in eine neue Dimension der numerischen Wettervorhersage: „Nach mehrjähriger intensiver Entwicklungsarbeit und umfangreichen Tests der Prognosegüte, rechnet der Hochleistungscomputer am ECMWF seit dieser Woche erstmals für die gesamte Erdkugel mehrmals täglich Vorhersagen in einer Auflösung von neun Kilometern. Das bedeutet Vorhersagen für mehr als 900 Millionen Punkte der Erde - dreimal so viel wie mit der bisherigen Auflösung von 16 Kilometern. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren Jahren lag die räumliche Auflösung der Prognosen noch bei 100 Kilometern, vor 10 Jahren bei 25 Kilometern. "

Verbesserung um bis zu drei Prozent bzw. einen halben Tag

Die Verantwortlichen des ECMWF zählen die in dieser Woche in den täglichen Betrieb eingeführten Neuerungen - unter anderem wurde auch die Recheneffizienz massiv verbessert - zu einer der bedeutendsten Entwicklungen in der 40-jährigen Geschichte der Organisation. Für die Nutzer von Wettervorhersagen ergibt sich dadurch mittelfristig eine deutliche Verbesserung der Prognosen, sagt Modellexperte Haiden: „Natürlich merkt man das nicht von heute auf morgen beim täglichen Wetterbericht. Aber die Trefferquote wird durch die Neuerungen um etwa zwei bis drei Prozent steigen. Oder umgekehrt formuliert: Bei gleicher Treffsicherheit, kann man einen halben Tag weiter in die Zukunft vorhersagen."

Hohe Auflösung verbessert regionale Wettervorhersage

Die Auflösung gibt an, in welchem Abstand die Punkte liegen, für die das Wetter der nächsten Tage berechnet wird. Je geringer dieser Abstand ist, desto genauer kann die Entwicklung regionaler Wettersysteme und -phänomene vorausberechnet werden. „Die Verdichtung des virtuellen Rasters, der über die Erde gelegt wird, ermöglicht aber nicht nur eine bessere Erfassung kleinräumiger Wetterphänomene", erklärt Thomas Haiden, „sondern auch eine präzisere Mittelfristprognose, also die Vorausberechnung des Wetters für die nächsten drei bis zehn Tage. Die höhere Auflösung ist auch Voraussetzung für weitere Fortschritte in der Prognose extremer Wetterereignisse wie Starkniederschläge oder Sturmtiefs."

3593 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde

Die Qualität der Wettervorhersage hängt eng mit der Entwicklung von immer leistungsfähigeren Computersystemen zusammen. Das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) in England betreibt einen der stärksten Supercomputer Europas. Seine Spitzenleistung liegt derzeit bei 3593 Teraflops. Das sind 3593 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde - eine Zahl mit zwölf Nullen. Mit derartigen Hochleistungsrechnern können zunehmend detaillierte Wettermodelle betrieben und immer mehr physikalische Zusammenhänge berücksichtigt werden. Es wird dadurch möglich, das Wetter und seine Wechselwirkungen mit Land und Ozeanen weltweit noch genauer zu simulieren.

Weltweite Berechnungen bilden Basis für Vorhersage in Österreich

Die ZAMG verwendet die Daten des globalen ECMWF-Modells unter anderem für die mittelfristige Wettervorhersage und darüber hinaus auch als Basis für die eigenen Vorhersagemodelle AROME und ALARO. Diese wurden speziell für die besonderen Anforderungen der kurzfristigen Prognosen im Alpenraum entwickelt und enthalten eine Vielzahl zusätzlicher Beobachtungsdaten. Aufgrund des kleineren Rechengebietes ist es möglich diese Modelle mit noch höherer räumlicher Auflösung als jener des ECMWF Modells zu rechnen. Weiters werden an der ZAMG die Wahrscheinlichkeitsvorhersagen des ECMWF für den Wettertrend der nächsten zwei Wochen (sogenannte Ensemble-Prognosen) sowie die Entwicklungen zu Monats- und Jahreszeitenprognosen verwendet. Jede Verbesserung am ECMWF in Reading wirkt sich somit auch auf die täglichen Wettervorhersagen und Warnungen in Österreich aus.

Stetiger Kreislauf von Forschen, Entwickeln, Prüfen

Die Arbeit am ECMWF bedeutet ein ständiges Forschen, Entwickeln und Überprüfen der Modelle. Thomas Haiden ist mit seinem Team für den Bereich Verifikation und Monitoring der Messwerte zuständig: „Vereinfacht könnte man sagen, wir arbeiten am Anfang und am Ende des gesamten Vorhersageprozesses. Denn die Basis für die Berechnungen des Wettermodells sind hochwertige Messwerte unter anderem von Wetterstationen, Wetterballons, Bojen und natürlich von Satelliten. Wir analysieren, wo im weltweiten Messnetz noch Verbesserungen möglich sind, um noch bessere Ausgangsdaten für das Modell zu bekommen. Zum anderen vergleichen wir kontinuierlich die Vorhersagen des Modells mit dem eingetretenen Wetter. So lässt sich feststellen, in welchen Regionen der Erde und bei welchen Wettersituationen neue Änderungen am Modell Verbesserungen gebracht haben und wo die Qualität der Vorhersagen möglicherweise sogar zurückgegangen ist. Diese Informationen gehen dann unmittelbar in die nächsten Entwicklungsschritte ein."

Die Zukunft der numerischen Wetterprognose

Die großen Herausforderungen für die Wettervorhersage in den nächsten Jahren liegen für den ZAMG-Experten am ECMWF Thomas Haiden im Kurz- und Mittelfristbereich vor allem in der verbesserten Prognose von Gewittern und den damit verbundenen Phänomenen wie Starkniederschläge, Hagel und Sturmböen. Für Fortschritte in der längerfristigen Prognose (Monats- und Jahreszeitenvorhersage) ist eine vollständigere Simulation der Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean, Landoberflächen, Eisflächen und Bisophäre notwendig. Auf technischer Seite hat die effiziente Nutzung der nächsten Generation massiv paralleler Supercomputer mit mehreren 100000 Prozessoren hohe Priorität.

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3593 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde: Der Supercomputer am ECMWF in Reading bei London berechnet seit dieser Woche mehrmals täglich für mehr als 900 Millionen Orte der Erde Wetterprognosen. Quelle: ECMWF
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Ein Österreicher im Europäischen Zentrum für Wettervorhersage: Der ZAMG-Experte Thomas Haiden leitet am ECMWF das Team für Modellverifikation und Messwert-Monitoring. Quelle: ZAMG
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Web-Links

ZAMG Vorhersagemodelle: www.zamg.at/cms/de/forschung/wetter

Europäisches Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF): www.ecmwf.int

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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