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01.08.2018

Österreichs Seen werden immer wärmer

Österreichs Seen werden immer wärmer

©meteopics/ Lidija Bjelic

Eine Studie der ZAMG für zwölf repräsentativ über Österreich verteilte Seen zeigt, dass die Wassertemperaturen seit 1880 gestiegen sind. Die stärksten Anstiege treten dabei seit den 1980er-Jahren im Frühling und im Sommer auf. Simulationen mit Klimamodellen deuten auf einen weiteren Anstieg der Seetemperaturen bis zum Jahr 2100 hin. Die Wassertemperatur der Seen beeinflusst entscheidend die Zahl und die Zusammensetzung der darin lebenden Tiere und Pflanzen , die Wasserqualität und sozioökonomische Sektoren wie zum Beispiel den Tourismus.

Die Abteilung für Klimafoschung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat den ersten umfassenden Datensatz für die Wassertemperatur österreichischer Seen von 1880 bis 2100 erstellt. Historischen Daten von 1880 bis zur Gegenwart wurden durch Aufbereitungen von Messungen zusammengestellt und zum Teil mit numerischen Modell-Simulationen rekonstruiert. Die künftigen Entwicklungen der Temperaturen bis ins Jahr 2100 basieren auf unterschiedlichen Entwicklungsszenarien der Menschheit, regionalisierten Klima-Projektionen und Simulationen mit den Modellen, die auch für die Rekonstruktion eingesetzt worden sind. Die Studie und der Datensatz werden demnächst in der international renommierten Fachzeitschrift „Climate Dynamics" veröffentlicht.

Schritt 1: Alle verfügbaren Daten sammeln und vergleichbar machen

Da Messwerte der Seetemperaturen nur unregelmäßig, mit unterschiedlichen Methoden an teilweise wechselnden Standorten erhoben wurden und erst ab 1950 vorliegen, mussten sie zuerst mit aufwändigen mathematischen Methoden von Fehlern befreit und dann zurück bis 1880 rekonstruiert werden, um eine einheitliche Datenbasis zu schaffen. Im ersten Schritt wurden alle verfügbaren Daten der untersuchten Seen gesammelt. Dabei wurden Aufzeichnungen der Hydrologischen Jahrbücher, die für die letzten rund 70 Jahre vorliegen, digitalisiert und mit jüngeren bereits digital vorliegenden Daten der Sektion für Wasserwirtschaft des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) zusammengeführt.

„Diese Daten mussten so aufbereitet werden, dass die Wassertemperatur-Entwicklungen an verschiedenen Seen miteinander und mit anderen Beobachtungen in Beziehung gesetzt werden können", erklärt ZAMG-Klimaforscher Christoph Matulla. „Denn Änderungen der Messmethoden, Messgeräte oder Messstandorte verursachen Variationen in den Daten verursachen, die mit Klimaänderungen nichts zu tun haben. Durch Anwendung sogenannter Homogenisierungsverfahren konnten die Messreihen von Fehlern bereinigt werden. Damit standen für Vergleiche und Analysen geeignete Wassertemperatur-Entwicklungen an den untersuchten Seen ab 1950 zur Verfügung."

Schritt 2: Seetemperaturen bis 1880 rekonstruieren

Da die Aufzeichnungen der Seetemperaturen nur rund 70 Jahre in die Vergangenheit zurückreichen, Wetterdaten im Alpenraum aber für die letzten rund 260 Jahre verfügbar sind, wurde im nächsten Schritt für jeden See aus bereinigten Wassertemperatur-Entwicklungen und Wetterdaten Zusammenhänge abgeleitet. „Bezogen auf die Entwicklung der Seetemperaturen spielt, wie erwartet, die Luft-Temperatur die wichtigste Rolle bei den Wettergrößen. Besonders im für die Pflanzen- und Tierwelt wichtigsten Jahresverlauf reagiert die Wassertemperatur schnell auf wärmere oder kältere Verhältnisse der Atmosphäre", sagt Projektleiter Matulla. „Durch die systematische Analyse von Wettergrößen und Beobachtungsstationen im Alpenraum, das waren konkret 160 Millionen numerische Experimente, konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang zwischen Seetemperaturen und Wetterbeobachtungen nicht nur für nahe gelegene Stationen gut ist, sondern sich die Wassertemperaturen auch mit Hilfe von Beobachtungen außerhalb der unmittelbaren Umgebung erfolgreich bestimmen lassen. Mit diesem Wissen und den abgeleiteten Zusammenhängen konnten für jeden See Wassertemperatur-Entwicklungen zurück bis 1880 rekonstruiert werden, also bis kurz nach der sogenannten kleinen Eiszeit."

Die verwendeten Wetterdaten stammen aus dem international renommierten und in zahlreichen Studien verwendeten HISTALP Datensatz der ZAMG. Der in dieser Studie erzeugte Seetemperaturdatensatz wird in HISTALP integriert und erweitert den bisher auf die Atmosphäre beschränkten Datensatz auf die Hydrosphäre. Mit der Verfügbarmachung der Wassertemperatur-Entwicklungen an den Seen, die von www.zamg.at/histalp downloadbar sein werden, verstärkt die ZAMG ihr Serviceportfolio und leistet einen wichtigen Beitrag zur internationalen Forschung sowie für die interessierte Öffentlichkeit.

Schritt 3: Szenarien bis 2100 mit Hilfe von Klimamodellen

Zur Ableitung künftiger Wassertemperaturen bis zum Jahr 2100 wurden sogenannte Klimaprojektionen herangezogen. Diese beruhen auf unterschiedlichen Annahmen wie sich Weltbevölkerung, Energieverbrauch, usw. in Zukunft gestalten. Solche Annahmen fasst man zu verschiedenen ‚Entwicklungspfaden der Menschheit' zusammen. Je nach Pfad ‚skizzieren' Klimaprojektionen grob das künftige Klima um den Globus (Meeresspiegelanstieg, trockener Mittelmeerraum, …). Diese groben Projektionen müssen zuerst auf die HISTALP Stationen übersetzt werden, wo sie bis 2100 als entsprechende Witterungsabläufe vorliegen, die dann mit den in der Vergangenheit (bis 1880) benutzten Zusammenhängen verwendet werden um künftige Wassertemperaturen zu simulieren. „Die Berechnung vieler Projektionen pro Pfad ist der Schlüssel. Sie ermöglichen robuste Aussagen über die Konsequenzen verschiedener Pfade für künftige Wassertemperaturen, ohne die Vor- und Nachteile verschiedener Entwicklungen der Menschheit nicht klar trennbar sind", sagt ZAMG Klimaforscher Christoph Matulla.

Ergebnis Vergangenheit: starker Anstieg ab den 1980er-Jahren

Auswertungen der Vergangenheit ab dem Jahr 1880 zeigen für alle Seen deutliche Unterschiede der Wassertemperatur von Jahr zu Jahr und Schwankungen zwischen Dekaden. Ab Mitte der 1980er setzt aber eine deutliche Erwärmung des Wassers ein. „Die Trends im Frühling und Sommer sind stärker ausgeprägt als jene im Herbst. Im Herbst gibt es die geringsten Änderungen", so Matulla. „Zum Beispiel wurden seit Anfang der 1980er-Jahre im Juli der Wörthersee und der Zellersee um zwei Grad wärmer, während im Herbst die Temperaturzunahmen unter einem Grad liegen. Ähnliches gilt auch für die anderen untersuchten Seen."

Ergebnis Zukunft: weitere Erwärmung bis 2100

Der, vor allem im Hochsommer, enge Zusammenhang zwischen Wasser- und Lufttemperatur und die von allen Entwicklungspfaden der Menschheit verursachte (jedoch unterschiedlich starke) Klimaerwärmung in den kommenden Dekaden bedeutet auch für die Wassertemperaturen Österreichs Seen eine fortgesetzte Erwärmung. Die weitere Erwärmung der Seen bis 2100 ist vom Klimaszenario abhängig und reicht bis zu einer Verdreifachung der bisherigen Temperaturzunahme.

Erster umfassender See-Datensatz für den Zeitraum 1880 bis 2100

Dieser Seetemperaturdatensatz überstreicht das gesamte, auf die ‚kleine Eiszeit' folgende, ‚Anthropozän' und ist der erste, umfassende Datensatz für den Europäischen Alpenraum. Hinsichtlich Qualität erfüllt er die bekannt herausfordernden Kriterien des HISTALP Datensatzes - für den die ZAMG international bekannt ist. Die Integration des Datensatzes erweitert HISTALP von der Atmosphäre auf die Hydrosphäre und seine Verfügbarmachung für die internationale Forschung sowie die interessierte Öffentlichkeit ist nicht nur ein zentraler Beitrag zum ZAMG Serviceangebots an die Wissenschaft, sondern vor allem einer von dem signifikante Impulse in verschiedensten Forschungsfeldern erwartet werden können. Die Daten gehen noch im Laufe des Sommers online.

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Entwicklung der Wassertemperatur im Zeller See im August seit 1880. Es gibt starke Schwankungen von Jahr zu Jahr, aber insgesamt wird der Zeller See seit den 1980er-Jahren deutlich wärmer. Ähnliches gilt für alle zwölf untersuchten österreichischen Seen. Der rechte Teil der Grafik zeigt die Verteilungen (Mittelwerte etc.) der entsprechenden Zeiträume (siehe Beschriftung und Farbhintergrund) für die Rekonstruktionen und Beobachtungen. Auch hier ist die Erwärmung des Wassers in den letzten Jahrzehnten deutlich erkennbar. Quelle ZAMG.

ZAMG_Bodensee_Juni

Entwicklung der Wassertemperatur im Bodensee im Juni seit 1880. Quelle ZAMG. Restliche Beschreibung siehe oben.

ZAMG_Lunzersee_Juli.png

Entwicklung der Wassertemperatur im Lunzersee im Juli seit 1880. Quelle ZAMG. Restliche Beschreibung siehe oben.

Entwicklung der Wassertemperatur im Mondsee im Juli seit 1880. Quelle ZAMG. Restliche Beschreibung siehe oben.

ZAMG_Weissensee_Juli

Entwicklung der Wassertemperatur im Weißensee im Juli seit 1880. Quelle ZAMG. Restliche Beschreibung siehe oben.

ZAMG_Neusiedlersee_Juli

Entwicklung der Wassertemperatur im Neusiedlersee im Juli seit 1880. Quelle ZAMG. Restliche Beschreibung siehe oben.

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Web-Links

ZAMG: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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