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18.09.2013

Gletscher Nordost-Grönlands heuer überdurchschnittlich stark geschmolzen

Gletscher Nordost-Grönlands heuer überdurchschnittlich stark geschmolzen

©ZAMG/Hynek

Das Schmelzen der küstennahen Gletscher Grönlands trägt wesentlich zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Forscher der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) vermessen regelmäßig den Massenhaushalt des Freya-Gletschers in Nordost-Grönland. Der Freya-Gletscher verlor heuer knapp 1,4 Meter Eisdicke. Das ist fast drei Mal so viel wie durchschnittlich in den letzten Jahren. Das Schmelzen aller küstennaher Gletscher Grönlands fiel ebenfalls überdurchschnittlich stark aus (rund ein halber Meter mehr als im Mittel). Der gesamte Eisschild Grönlands schmolz dagegen ähnlich wie im Mittel in den letzten Jahren.

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ist seit dem Internationalen Polarjahr 2007/08 an Projekten an der Forschungsstation Zackenberg (www.zackenberg.dk) in Nordost-Grönland beteiligt. Unter anderem wird der Freya-Gletscher im Nordosten Grönlands vermessen. Bernhard Hynek, Gletscherforscher an der ZAMG: „Das Schmelzen küstennaher Gletscher Grönlands, wie dem Freya-Gletscher, hat einen erheblichen Anteil am Anstieg des Meeresspiegels, gleichzeitig ist unser Wissen darüber aufgrund der geringen Anzahl von Messungen in der Region aber begrenzt. Das wird auch im demnächst erscheinenden Bericht des Weltklimarates IPCC wieder ein wichtiges Thema sein. Ziel unseres Projektes in Nordost-Grönland ist, die Massenbilanz über einen möglichst langen Zeitraum direkt zu messen und diese mit der klimatischen Entwicklung in der Region in Zusammenhang zu stellen. Da in dieser Region keine direkten Messungen vorliegen, sind die Daten eine wertvolle Grundlage für die Verifikation von Gletscher- und Klimamodellen und somit für die Klimaforschung allgemein."

Fast drei Mal so stark geschmolzen wie im Mittel

Heuer haben die Gletscher in Nordost-Grönland extrem an Masse verloren. Der Grund war die geringe Schneemenge im letzten Winter. Der Freya-Gletscher verlor heuer 1,4 Meter an Eisdicke. Die mittlere Eisdicke des gesamten Gletschers liegt bei rund 100 Meter. Die durchschnittliche Schmelzrate in den letzten sechs Jahren lag bei 0,5 Meter pro Jahr.

Nach trockenem Winter war Gletscher sehr früh schneefrei

Der Hauptgrund war der extrem trockene Winter in Nordost-Grönland. Ende April lagen am Freya-Gletscher nur 50 Zentimeter Schnee. Dies führte zu einer extrem frühen Ausaperung des Gletschers. Bereits Mitte Juni war die untere Hälfte des Freya Gletschers schneefrei. Zum Vergleich: Zur gleichen Zeit lagen auf den Gletschern am Hohen Sonnblick aufgrund der starken Frühjahrs-Niederschläge in Österreich noch mehr als drei Meter Schnee. Ende Juni waren sogar schon die höchstgelegen Bereiche des Freya-Gletschers teilweise schneefrei. Das dunkle Gletschereis war somit über zwei Monate lang der Strahlung und Wärme ausgesetzt, sodass Mitte August in den untersten Bereichen fast drei Meter Abschmelzung erreicht wurden. In 1000 Meter Seehöhe, einer Region, wo selten signifikante Eisschmelze auftritt, betrug die Eisschmelze noch immer bis zu einem Meter. Im Vorjahr war das genau umgekehrt: Während die Massenverluste am Grönländischen Eisschild 2012 einen negativen Rekordwert erreichten und Schmelze bis in die höchsten Regionen des Eisschildes auftrat (3200m), schmolzen am Freya-Gletscher nur 20 Zentimeter Eis ab, weil der Gletscher mit einer überdurchschnittlich dicken Schneedecke von 2,5 Meter in den kurzen arktischen Sommer startete.

3D-Modell mit GPS-Daten ergänzt Messungen

Neben den direkten Massenbilanzmessungen an einzelnen Punkten des Gletschers führten die Wissenschafter der ZAMG auch eine photogrammetrische Vermessung des Gletschers durch. Dabei wird aus hunderten Einzelfotos eine dreidimensionales Geländemodell der gesamten Gletscherfläche erstellt. Mit Hilfe von GPS-Messpunkten werden daraus die Höhenänderungen und somit auch die Massenänderungen des Gletschers berechnet. Die Kombination aus Einzelmessungen und photogrammetrischer Messung garantiert eine sehr zuverlässige Einschätzung der Schmelzraten.

Starkes Schmelzen in Nordost-Grönland

Neben der intensiven Vermessung von einzelnen Gletschern, wie des sechs Quadratkilometer großen Freya-Gletschers werden mit regionalen Modellrechnungen und mit Satellitendaten die Schmelzraten für ganz Grönland abgeschätzt.

Untersuchungen der Universität Liege (Belgien) zeigen, dass der Verlust an Eismasse am gesamten grönländischen Eisschild (nach der Antarkis der zeitgrößte Eisschild der Welt), heuer durchschnittliche Werte betrug. Während die küstennahen Gletscher in weiten Teilen Nordost-Gönlands wegen des geringen Winterniederschlages um rund einen halben Meter mehr als im Mittel an Eisdicke verloren haben.

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Bilder

(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)

Der Zusammenhang zwischen geringer Schneemächtigkeit im Winter (blaue Balken) und großen Verlust an Eisdicke (graue Balken) und umgekehrt ist in den letzten zwei Jahren besonders gut zu erkennen (2009 bis 2011 wurden keine Wintermessungen am Freya-Gletscher durchgeführt) Quelle ZAMG.
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Kalbende Gletscher am Carlsberg-Fjord (71. Breitengrad) an der Ostküste Grönlands. Quelle ZAMG/Hynek.
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Panorama-Aufnahmen vom Freya-Gletscher in Nordost-Grönland im August 2013. Quelle ZAMG/Hynek.
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ZAMG-Gletscherexperte Daniel Binder misst die Eisabschmelzung an einem Ablationspegel. An dieser Stelle sind seit dem August 2012 2,7 Meter Eis abgeschmolzen. Quelle ZAMG/Hynek.
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Abfließendes Schmelzwasser am Freya-Gletscher in Nordost-Grönland. Quelle ZAMG/Hynek.
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Video: Zeitraffer der automatischen Kameras am Freya-Gletscher. Die Ausaperung beginnt zuerst Mitte Juni 2013 im unteren Bereich (linkes Bild), und erreicht innerhalb von wenigen Tagen auch die am höchsten gelegenen Regionen des Gletschers (rechtes Bild).
Ausführlicher Text direkt beim Video unter
www.youtube.com/watch?v=j6rrnKINFlY&feature=youtu.be

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Web-Links

Projektbeschreibung Freya-Gletscher: www.zamg.ac.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie/freya-gletscher

Forschungsstation Zackenberg: www.zackenberg.dk

Weltweites Gletscher-Monitoring-Programm: www.wgms.ch

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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