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08.06.2018

Gletscher: größte Schneemenge im Winter seit 20 Jahren, aber für Massenbilanz Sommer entscheidend

Gletscher: größte Schneemenge im Winter seit 20 Jahren, aber für Massenbilanz Sommer entscheidend

©ZAMG/Weyss

Erste Ergebnisse der Frühlingsmessung der ZAMG am Hohen Sonnblick: Die Gletscher der Hohen Tauern haben im vergangenen Winter bis zu 25 Prozent mehr Masse gewonnen als in einem durchschnittlichen Winter. Für die langfristige Entwicklung der Gletscher sind aber die Sommer entscheidend. Eine frische Schneedecke im Sommer schützt den Gletscher etwa eine Woche vor der Sonnenstrahlung. Am ungeschützten Gletscher kann hingegen im Sommer die Eisdicke in einer Woche um rund einen halben Meter abnehmen .

Im Rahmen des Gletscherbeobachtungsprogramms der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) wurde Ende April wie jedes Jahr gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur der Massenzuwachs der Gletscher am Hohen Sonnblick ermittelt. Hier befinden sich das Goldbergkees mit 1,4 Quadratkilometer Fläche und das Kleinfleißkees mit 0,8 Quadratkilometer Fläche.

Zuwachs an Masse entspricht einer Wasserhöhe von zwei Meter

Um den Massenzuwachs im vergangenen Winter zu berechnen, wurde an rund 560 Punkten am Gletscher die Schneehöhe mit Sonden gemessen. An weiteren neun Punkten wurde zusätzlich die Schneedichte und die Schneetemperatur erhoben. Die mittlere Schneehöhe lag dabei am Goldbergkees bei 460 Zentimeter und am Kleinfleißkees bei 390 Zentimeter. Aus den gemessenen Schneehöhen und den Schneedichten wurde berechnet, welche Masse an Wasser in der Schneedecke enthalten ist. „Für die Gletscher war das ein sehr guter Winter. In den Hohen Tauern haben wir den größten Massenzuwachs im Winter seit 20 Jahren gemessen", sagt ZAMG-Gletscherforscher Bernhard Hynek. „Der Massenzuwachs am Goldbergkees liegt 22 Prozent über dem Durchschnitt und entspricht einer Wassersäule mit einer Höhe von 2080 Millimeter. Das Kleinfleißkees hat im vergangenen Winter 25 Prozent mehr Masse gewonnen als in einem durchschnittlichen Winter. Das entspricht einer Wassersäule mit 1760 Millimeter Höhe."

Für Österreichs Gletscher sind die Sommer entscheidend

Allerdings hat der extrem warme April die überdurchschnittlich hohe Schneedecke auf den Gletschern schon mehr als kompensiert. Die momentanen Schneehöhen liegen sogar schon unter dem Mittelwert für Anfang Juni. Für die langfristige Entwicklung der Gletscher in Österreich ist überhaupt die Witterung im Sommer wichtiger als im Winter, erklärt ZAMG-Experte Hynek: „Es ist viel entscheidender, ob die gelegentlichen Kaltlufteinbrüche im Sommer auf den Gletschern Schnee oder Regen bringen. Denn eine frische, sehr weiße Schneedecke eines sommerlichen Schneefalles reflektiert die Sonnenstrahlen zu fast 100 Prozent und kann den Gletscher bis zu einer Woche vor dem Schmelzen schützen. Ein Gletscher ohne Neuschnee ist hingegen viel dunkler, nimmt daher viel Sonnenstrahlung auf und kann in einer Woche bis zu einen halben Meter an Eisdicke verlieren."

Einfluss von Neuschnee auf Pasterze gut erkennbar

Deutlich sieht man diesen Effekt auf Österreichs größtem Gletscher, der Pasterze am Großglockner. Sie erstreckt sich von rund 2100 bis 3500 Meter Seehöhe. Im oberen fast durchwegs kalten Bereich der Pasterze schneit es im Sommer zeitweise. In ihrem unteren Bereich bleibt es hingegen meist bei Regen, weil es hier zu warm ist. Daher sind die Abschmelzraten je nach Höhenlage sehr unterschiedlich. Über den gesamten Gletscher gesehen, verliert die Pasterze pro Jahr durchschnittlich 1,5 Meter Eisdicke. In den unteren Bereichen schmilzt die Eisdicke dagegen um bis zu 10 Meter pro Jahr.

Für arktische Gletscher Niederschlag im Winter wichtiger

Ganz anders ist die Situation auf den Gletschern der Arktis, wie auf dem von der ZAMG regelmäßig vermessenen Freya Gletscher im Nordosten von Grönland. „Wir beobachten in Grönland, dass der Schneefall im Winter für die langfristige Entwicklung der Gletschermasse entscheidend ist", erklärt ZAMG-Gletscherforscher Bernhard Hynek. „Der arktische Sommer ist zu kurz und der Sonnenstand zu tief, um einen größeren Einfluss auf die Massenbilanz der Gletscher zu haben. Derzeit liegt am Freya Gletscher mit rund drei Metern Höhe überdurchschnittlich viel Schnee. Wir erwarten für das Ende des heurige Bilanzjahrs, das typischerweise Anfang September mit den ersten Schneefällen des neuen Winters endet, einen geringen Massenzuwachs, wie auch schon in den Jahren 2014 und 2015. Seit Beginn der Messungen vor zehn Jahren verlor der Freya-Gletscher rund vier Meter an Eisdicke."

Österreichische Kooperation im Rahmen von Global Cryosphere Watch

Das laufende Gletscher- und Schneedeckenmonitoring auf den Gletschern des Sonnblicks und der Pasterze ist Teil des Programms Global Cryosphere Watch der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und wird vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit finanziert.

Die Messungen der Winterbilanz sind eine langjährige Kooperation der ZAMG mit dem Institut für Meteorologie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), wo die Messungen gleichzeitig als Praktikum für die Studierenden durchgeführt werden.

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Der vergangene Winter brachte sehr viel Schnee auf den Gletschern der Sonnblick-Region: Auf den Gletschern am Sonnblick kam im Winter 2017/18 bis zu 25 Prozent mehr Schnee zusammen als im Mittel der letzten Jahre. Am Goldbergkees wurde mit mehr als zwei Meter Wassersäule ein absoluter Rekord seit Beginn der Winterbilanzmessungen erreicht, am Kleinfleißkees war nur das Jahr 2009 schneereicher. Quelle: ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

Die Pasterze im Frühling 2018 Ende April (links) und Ende Mai (rechts): Ende April lagen an der Messstation im vorderen Bereich der Gletscherzunge noch rund 90 Zentimeter Schnee. Ende Mai war die Gletscherzunge der Pasterze schon größtenteils schneefrei. Quelle: ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

Schneehöhen der Gletscher am Hohen Sonnblick: Räumliche Verteilung der Schneehöhe am Kleinfleißkees im Westen (links) und auf dem mittlerweile in drei Teile zerfallenen Goldbergkees im Osten (rechts). Die räumliche Verteilung der Schneehöhe ist von Jahr zu Jahr sehr ähnlich. Die Windverfrachtung spielt hier eine sehr große Rolle. So weisen flache und kammnahe Bereiche wesentlich größere Schneehöhen auf als eher steile und kammferne Bereiche. Quelle: ZAMG –>Link zum Bild in Originalgröße

Das Gletscher-Team der ZAMG und Studierende der Boku bei der Wetterstation am Kleinfleißkees: Die gegrabenen Schneelöcher werden am Ende der Messungen wieder zugeschaufelt. Foto: ZAMG/Weyss. –>Link zum Bild in Originalgröße

Spuren des warmen Frühlings am Hohen Sonnblick : In der ungewöhnlich warmen Wetterperiode im April 2018 bildeten sich durch den Abfluss von Schmelzwasser Rillen im Schnee. Foto: ZAMG/Weyss –>Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

Webcam Goldbergkees:www.foto-webcam.eu/webcam/goldbergkees

Webcam Kleinfleißkees: www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees

Webcam Sonnblick (mit Blick auf Fleißscharte, die Grenze zwischen Goldbergkees und Kleinfleißkees): www.foto-webcam.eu/webcam/sonnblick

Webcam Pasterze: www.foto-webcam.eu/webcam/freiwandeck

ZAMG Gletscherforschung: www.zamg.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie

World Glacier Monitoring Service: www.wgms.ch

Global Cryosphere Watch: www.globalcryospherewatch.org

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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