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07.08.2015

Die Dächer Wiens könnten die Stadt kühlen

Die Dächer Wiens könnten die Stadt kühlen

©ZAMG

Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und Joanneum Research Graz untersuchen derzeit in einem Stadtklima-Projekt für Wien, wie sich Abstrahlungseigenschaften von Gebäuden, Fassaden und Dachflächen auf die Hitzebelastung und den Energieverbrauch auswirken. Eine vollständige Nutzung der städtebaulichen Möglichkeiten in diesem Bereich könnte die Zahl der Tage über 30 °C um bis zu 29 Prozent reduzieren. An Tagen mit mehr als 30 °C steigt der Stromverbrauch in Österreich um drei Prozent gegenüber Tagen mit einem Maximum unter 25 °C.

Österreich erlebt heuer bereits die vierte markante Hitzewelle. Bis weit in die nächste Woche hinein liegen die Höchstwerte in vielen Regionen über 30 °C, teils sogar über 35 °C. Die extreme Hitze entspricht dem Szenario einer langfristigen Klimaerwärmung. Auswertungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigen, dass zum Beispiel in Wien in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Tage mit mehr als 30 °C um rund 50 Prozent zugenommen hat. Berechnungen mit Klimamodellen lassen bis zum Jahr 2100 einen weiteren deutlichen Anstieg erwarten.

Reflexion von Gebäuden beeinflusst Hitze der Stadt

Die weltweite Klimaerwärmung wirkt sich in Großstädten besonders stark auf die Gesundheit und das Wohlbefinden sehr vieler Menschen aus. In Städten wird es durch die Verbauung nicht nur tagsüber oft wärmer als in ländlichen Gebieten, es bleibt bei Hitzewellen auch in den Nächten extrem warm. Zahlreiche Studien behandeln daher Möglichkeiten, durch Maßnahmen im Städtebau, wie Grün- und Wasserflächen, die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern. Die ZAMG untersucht derzeit im Projekt KELVIN unter der Leitung von Joanneum Research Graz, wie sich die Beschaffenheit von Gebäuden, Fassaden und Dachflächen in Wien auf die Reflexion von Sonnenstrahlen und somit auf die Aufnahme von Wärme auswirkt. Das Projekt wird im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft" für die Stadt Wien durchgeführt.

Albedo: Zusammenhang von Oberfläche und Reflexion

Die sogenannte Albedo gibt an, wie viel Sonnenstrahlung reflektiert wird und somit nicht zu Erwärmung beiträgt. So reflektieren weiße Dachflächen einen Großteil der Sonnenstrahlung und erwärmen sich nicht so stark. Dunkle Flächen dagegen haben eine geringe Albedo. Sie reflektieren nur wenig, nehmen viel Sonnenstrahlung auf und erwärmen sich stärker.

Als Basis für die Untersuchungen im Projekt KELVIN wurden mit Hilfe von Satellitendaten die Albedo-Werte (Rückstrahlvermögen der Oberflächen) für das gesamte Stadtgebiet von Wien ermittelt. Anschließend wurden mit einem speziellen Stadtklimamodell Simulationen unter verschiedenen Annahmen durchgeführt.

Simulation verschiedener Szenarien mit Stadtklimamodell

„Das von der ZAMG und vom Deutschen Wetterdienst (DWD) betriebene Stadtklimamodell MUKLIMO 3 berücksichtigt sehr komplexe Daten wie die lokale Geländestruktur und die Landnutzung", sagt Klimaforscherin Maja Zuvela-Aloise, „dadurch kann man die kleinräumige Entwicklung des Klimas berechnen und die Auswirkungen des Städtebaus abschätzen, zum Beispiel bei Änderungen der Beschaffenheit und Farbe der Dächer und großräumige Bebauung."

Knapp ein Drittel weniger Hitzetage durch bauliche Maßnahmen

Erste Ergebnisse des bis Oktober 2015 laufendes Projektes KELVIN zeigen, dass die Effekte der Klimaerwärmung durch Maßnahmen im Städtebau deutlich gemildert werden könnten, sagt ZAMG-Expertin Zuvela-Aloise: „Wir haben in den Modellsimulationen das Rückstrahlvermögen, also die Albedo, verändert und die Auswirkungen auf das Stadtklima untersucht. Ein Ergebnis: Nutzt man in Wien alle für Dachbegrünung geeigneten Flächen und deckt alle restlichen Dächer mit einem Material, dass 70 Prozent der Sonnenstrahlung reflektiert, geht die Zahl der Tage mit mehr als 30 Grad in der Innenstadt um bis zu 29 Prozent zurück, in weniger stark verbauten Außenbezirken wie in Döbling um bis zu 20 Prozent."

Begrünte Dächer haben zwar eine relativ geringe Albedo und reflektieren daher weniger Sonnenstrahlung, wirken aber trotzdem kühlend. Denn die Feuchtigkeit der Pflanzen entzieht beim Verdunsten der Umgebung Wärme (die sogenannte Verdunstungskälte). Gemäß Gründachpotenzialkataster der Stadt Wien sind rund 45 Prozent der Dachflächen Wiens für Begrünung geeignet. Derzeit sind zwei Prozent der Dachflächen begrünt.

Große Hitze bedeutet hohen Stromverbrauch

Weniger Hitze bedeutet nicht nur eine höhere Lebensqualität sondern auch massive Energieeinsparungen. Die Untersuchungen von Joanneum Research Graz zeigen, dass in Österreich bei Temperaturen über 30 °C der Stromverbrauch drei Prozent höher ist als an Tagen mit einem Temperatur-Maximum unter 25°C. Für Wien würde eine Reduktion der Hitzetage um rund 30 Prozent eine Stromeinsparung von einigen hundert Megawattstunden pro Jahr bedeuten.

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Web-Links

Projektwebsite KELVIN: www.hausderzukunft.at/results.html/id7897

Stadt Wien Gründachpotenzialkataster: www.wien.gv.at/umweltgut/public/grafik.aspx?ThemePage=10#t

ZAMG Wettervorhersage: www.zamg.at/prognose

ZAMG Warnungen Österreich: www.zamg.at/warnungen

Warnungen Europa: www.meteoalarm.eu

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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Das Stadtklimaprojekt KELVIN wird im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft" durchgeführt. „Stadt der Zukunft" ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMVIT von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT abgewickelt.

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