Homogenisierung

Von der Schwierigkeit inkonstanter Messbedingungen

Homogenisieren ist ein aufwändiges und notwendiges mathematisch-statistisches Verfahren, um lange Klimazeitreihen für die objektive Klimaforschung überhaupt erst nutzbar zu machen. Inhomogenitäten in den Klimazeitreihen würden die berechneten Trends stark verfälschen.

Lange Klimazeitreihen enthalten unvermeidlich Brüche und Trends, die nicht auf die natürliche Klimavariabilität zurückzuführen sind. Es handelt sich dabei um Änderungen der Messbedingungen einerseits an der Messstelle selbst, andererseits in ihrer Umgebung.

Brüche und Trends

Zu den Ersteren zählen Standort-, Instrumenten- und Beobachterwechsel, Änderungen der Beobachtungszeiten und vieles mehr (Abb. 1). Ein typisches Beispiel für Änderungen in der Umgebung ist der städtische Wärmeinseleffekt (Abb. 2). Gute Metadaten, in denen die Umstände der Datengewinnung dokumentiert sind, sind unverzichtbar, um in Kombination mit mathematisch-statistischen Verfahren die Homogenität einer Messreihe bestimmen zu können.

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Abb. 1: Vergleich zweier Standorte der Station Graz-Universität. Links die Hann-Hütte im Dauerschatten des Universitätsgebäudes im Jahr 1939, rechts die freie Aufstellung mit moderner teilautomatischer Aufzeichnung im Jahr 2005 (ZAMG).

Der relative Homogenitätstest

Der Vorgang der Homogenisierung besteht aus mehreren aufbauenden Schritten:

  • Erfassung der Metadaten
  • Testen der Homogenität einer Klimazeitreihe, Feststellen von Inhomogenitäten
  • Anpassung der Klimazeitreihe, Entfernen von Inhomogenitäten

Der erste Punkt besteht im Studium der Stationsdokumente. Für die beiden anderen Schritte werden statistische Methoden herangezogen, die oft auf der Idee basieren, die zu untersuchende Kandidatenzeitreihe mit benachbarten Klimastationen (Referenzreihen) zu vergleichen (relativer Homogenitätstest).

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Abb. 2: Homogenisierte Zeitreihe der Jahresmitteltemperatur in Wien-Laaerberg, einer Station mit starkem städtischen Hintergrundsignal. Die Symbole (⊕) kennzeichnen die originale Zeitreihe vor Homogenisierung des Stadteffekts. Nach dessen Entfernung ist der Temperaturanstieg wesentlich geringer (Mestre O., Meteo-France).

Die Notwendigkeit der Datenhomogenisierung wurde schon früh und nicht erst in der Debatte um den anthropogen mitverursachten Temperaturanstieg erkannt. So hat Julius von Hann bereits 1901 eine erste Homogenisierung der verlegten Wiener Messtelle der ZAMG (1851–1872 Wien-Favoritenstraße, ab 1872 Wien-Hohe Warte) vorgenommen. Neu sind allerdings die vermehrten internationalen Anstrengungen zur schrittweisen Verbesserung und Angleichung der Homogenisierungsmethoden, besonders auf europäischer Ebene.

Von Monats- zu Tagesdaten

Arbeitete man bislang hauptsächlich an der Homogenisierung von Datensätzen in monatlicher Auflösung, beschäftigt man sich nun vermehrt mit Tagesdaten. Die entwickelten Verfahren sind rechnerisch aufwändiger. Während bei der Verarbeitung von Monatsdaten nur die Änderung des Mittelwerts berücksichtigt werden muss, ist bei Tagesdaten die gesamte Häufigkeitsverteilung anzupassen (Abb. 3).

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Abb. 3: Beispiel zur Homogenisierung: Links: Tagesmaxima der Lufttemperatur in Kremsmünster. Die Inhomogenität zeigt eine Temperaturabhängigkeit, es muss die gesamte Häufigkeitsverteilung angepasst werden. Rechts: Tagesmitteltemperaturen am Feuerkogel. Die Inhomogenität zeigt keine Temperaturabhängigkeit, eine Anpassung des Mittels ist ausreichend.

In Zukunft aber wird man nicht umhin kommen, Datensätze noch geringerer zeitlicher Auflösung zu homogenisieren und für die Forschung nutzbar zu machen. An der ZAMG arbeitet man seit den 1990er-Jahren an der Homogenisierung von Monatsdaten, seit 2008 wird parallel dazu an der Homogenisierung von Tagesdaten geforscht.

 

Literatur:

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