125.000 Jahre

Die letzte Kaltzeit

Die jüngsten 125.000 Jahre der Erdgeschichte waren vom Wechsel der Eem-Warmzeit in die Würm-Kaltzeit und zurück in die aktuelle Holozän-Warmzeit gekennzeichnet. Im Würm herrschte vor allem in der Arktis, im Nordatlantik und in Europa ein sehr unruhiges Klima mit häufigen sprunghaften Wechseln zwischen warmen und kalten Abschnitten, die Dansgaard-Oeschger-Ereignisse genannt werden.

Die vorläufig letzte Kaltzeit des aktuellen Eiszeitalters, in den verschiedenen regionalen Terminologien Würm, Weichsel, Devensian, Wisconsin, Vistulian oder Valdai genannt, dauerte von etwa 110.000 bis 12.000 Jahre vor heute. Die Würm-Kaltzeit ist in besserer zeitlicher Auflösung und räumlicher Abdeckung erforscht als die Eiszeitzyklen davor. Vor allem die im grönländischen Inlandeis bis zum Untergrund vorangetriebenen Eisbohrkerne ergänzen nun jene aus der Antarktis. Sie erreichen eine zeitliche Auflösung von rund 50 Jahren.

Eisbohrkerne liefern Einblicke in das Klima der letzten Kaltzeit

Der in Abbildung 1 oben gezeigte nordgrönländische Temperaturverlauf beginnt mit dem Ende der Eem-Warmzeit. Anhand der Tiefe der Eisbohrungen wird geschätzt, dass zum Ende der Warmzeit, nach mehreren Jahrtausenden mit um rund 5° C höheren Temperaturen als im Schnitt des letzten Jahrtausends, das grönländische Inlandeis auf rund zwei Drittel seiner heutigen Eismasse abgeschmolzen war.

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Abb. 1: Die letzte Kaltzeit in Grönland und den Alpen. Oben: Rekonstruierter Temperaturverlauf aus einem nordgrönländischen Eisbohrkern zusammen mit dem Klimaantrieb der Zyklen der Erdbahnparameter (NGRIP members 2004, Berger 1980). Unten: Rekonstruierter Temperaturverlauf aus einem Stalagmiten aus der Kleegrubenhöhle im Zillertal im Mittelwürm mit vier Dansgaard-Oeschger Episoden (Spötl u.a. 2006).

Der Vergleich mit der Kurve für den astronomischen Klimaantrieb unterstreicht die Tatsache, dass die Milanković-Zyklen den Klimawechsel an Anfang und Ende einer Kaltzeit regieren. Aber auch die feineren Strukturen im 20.000- bis 40.000-jährigen Takt sind hochsynchron. Sowohl die Beinahe-Warmzeit im Mittelwürm (vor etwa 53.000 Jahren) als auch die beiden Kaltzeithöhepunkte (vor etwa 70.000 und 22.000 Jahren) und sogar die Wärmperiode des frühen Holozän samt der folgenden Abkühlung werden so verständlich.

24 Kalt-Warm-Wechsel innerhalb der letzten Kaltzeit

Eine noch feinere Struktur zeigen insgesamt 24 abrupte Klimawechsel zwischen relativ warmen Abschnitten (Interstadialen) und kalten Abschnitten (Stadialen). Diese „Dansgaard-Oeschger-Ereignisse“ (benannt nach zwei herausragenden Paläoklimatologen aus Kopenhagen und Bern) dauern typischerweise einige Jahrhunderte bis wenige Jahrtausende. Die Erwärmung erfolgt sehr rasch, die darauffolgende Abkühlung eher allmählich. Der untere Teil von Abbildung 1 schärft den Blick auf die mittlere Würm-Kaltzeit mithilfe eines 25 cm langen Tropfsteine aus dem Zillertal. Dieses Temperatur-Proxy zeigt einige Dansgaard-Oeschger-Episoden, die knapp davor waren, in eine Warmzeit auszuarten, bevor sich der astronomische Antrieb wieder nach unten wendete. Das Interessante daran ist der völlige Gleichlauf der grönländischen Eisbohrkern- mit den alpinen Tropfstein-Proxies – eine Tatsache, die früher noch umstritten war. Man nimmt heute an, dass diese abrupten Klimawechsel von internen eisdynamischen Effekten des laurentidischen Eisschilds Nordamerikas angestoßen wurden. Demnach verminderten enorme Kalbungen (Heinrich-Ereignisse) und Süßwasserinjektionen in den westlichen Nordatlantik den Warmwassertransport nach Norden. Die letzte dieser Episoden liegt gerade 12.000 Jahre zurück. Wissenschaftlich wird gegenwärtig stark diskutiert, was den ursächlichen Unterschied einer abrupten Erwärmung ausmacht, die lediglich zu einem Dansgaard-Oeschger-Ereignis führt und einer, die die Inlandeismassen Nordamerikas und Eurasiens endgültig beseitigt und in eine Warmzeit mündet.

Ein zusammenhängendes Eisstromnetz bedeckt die Alpen

Der Höhepunkt der letzten Kaltzeit trat typischerweise erst kurz vor ihrem Ende vor etwa 25.000 bis 20.000 Jahren ein. Abbildung 2 zeigt schematisch die Verteilung der großen Eismassen dieser Zeit auf der Nordhalbkugel und den österreichischen Alpen. Die linke Darstellung zeigt deutlich die stark veränderte Topografie der letzten Kaltzeit mit dem laurentidischen Eisschild, der große Teile Nordamerikas bedeckte, dem heute bestehenden grönländischen Eisschild und dem eurasischen Eisschild, der aus drei zusammengewachsenen Eisschilden (britischer, skandinavischer und Barents-Kara-Eisschild) bestand. Die Alpen lagen in einem zusammenhängenden Eisstromnetz, das nur die höchsten Gipfel und Bergkämme eisfrei ließ. Beispielsweise war die Stelle, an der heute Rauris liegt, unter etwa 1,5 km und die Position der Stadt Salzburg unter etwa 600 m dickem Eis begraben. Das in den Eismassen gespeicherte Wasser senkte den Meeresspiegel weltweit um etwa 120 m ab, wodurch z.B. die Adria zur Gänze verschwunden war, Alaska mit Sibirien und Britannien mit Europa verbunden war.

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Abb. 2: Die Verteilung von Eismassen zum Höhepunkt der letzten Kaltzeit. Links: Rekonstruktion von Ausdehnung und Dicke der Eisschilde sowie von Verteilung von Meereis und Meeresoberflächentemperaturen auf der Nordhalbkugel (CLIMAP 1981). Rechts: Rekonstruktion der Ausdehnung des Eisstromnetzes im Ostalpenraum (Krenmayr und Hofmann 2002 nach van Husen 1999).

 

Literatur:

Wir danken Dr. Jürgen Reitner von der Geologischen Bundesanstalt in Wien, der zu diesem Beitrag mit seiner Fachexpertise wesentlich beigetragen hat.

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