Negative Rückkopplungen

Sie vermitteln ein Verständnis dafür, warum sich das Erdklima trotz aller variablen Antriebe in einer begrenzten Bandbreite bewegt.

Störungen werde abgefedert

Das Klimasystem enthält einige interne Stabilisierungseffekte, die Störungen von außen abfedern können. Diese negativen Rückkopplungseffekte haben entscheidenden Einfluss darauf, wie empfindlich das Erdklima auf Änderungen reagiert – auf den stark steigenden Treibhausgehalt der Atmosphäre etwa.

Gerade die negativen, stabilisierenden Rückkopplungen des Klimasystems der Erde erfahren große Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen und klimapolitischen Diskussion. Es gibt noch einiges zu klären und zu verstehen bei diesen Phänomenen. Gleichzeitig sind sie von entscheidendem Einfluss auf das, was man vereinfacht als Klimasensitivität (eng. equilibrium climate sensitivity) bezeichnet, worunter meist die Reaktion der mittleren globalen Temperatur auf eine Verdopplung des CO2-Gehalts der Atmosphäre verstanden wird. In dieser sind die direkten Klimaantriebe und die Rückkopplungsprozesse verpackt. Die Abschätzung der Klimasensitivität weist natürlich Unsicherheiten auf, welche im Sechsten IPCC-Sachstandsbericht im Vergleich zum Fünften Sachstandsbericht reduziert werden konnten. Der Sechste Sachstandsbericht basiert auf der CMIP6-Modellgeneration und stützt sich bei der Abschätzung der Klimasensitivität auf folgende vier Beweisketten: Ein besseres Verständnis der Rückkopplungseffekte, das Ausmaß der bisherigen Erwärmung ab Beginn der Industrialisierung, paläoklimatische Belege aus Zeiträumen wo das Klimasystem im Gleichgewicht mit den Treibhausgas-Konzentrationen der Atmosphäre war und schließlich statistische Ansätze, welche die Klimasensitivität der Modelle in Beziehung zu gemessenen Klimaänderungen – bspw. der globalen Erwärmung seit den 1970er-Jahren – setzen.

Stefan-Boltzmann-Gesetz

Einer der wirksamsten internen Stabilisierungseffekte des Erdklimas beruht auf dem Stefan-Boltzmann-Gesetz, welches beschreibt, dass die Wärmeabstrahlung eines Körpers mit zunehmender Temperatur ansteigt. Der Anstieg ist zudem progressiv und nimmt mit der vierten Potenz der absoluten Temperatur (T4) zu. Josef Stefan und Ludwig Boltzmann waren beide im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als Professoren am Physikalischen Institut der Universität Wien tätig.

Vor allem wohl diese starke negative Rückkopplung hat das Erdklima in starkem Maß über die Jahrmillionen erstaunlich stabil gehalten, wenn man die Sache in absoluten Temperaturen betrachtet. In der letzten rund 1 Mrd. Jahre, für die halbwegs zuverlässige Informationen über die Variabilität der globalen Durchschnittstemperatur vorliegen, hat sich diese in einer Bandbreite von rund 10° C bewegt.

Pflanzendecke

Auch die Biosphäre sorgt für eine dämpfende negative Rückkopplung. Die Pflanzendecke der Kontinente gedeiht in einer warmen und feuchten Atmosphäre üppiger, entzieht damit der Atmosphäre mehr CO2 und stabilisiert dadurch die Erwärmung. Diese negative Rückkopplung funktioniert auch in einer Kaltzeit, in der die Pflanzendecke schütterer ist und somit mehr CO2 in der Atmosphäre bleibt – ein Effekt, der als ein selbstverstärkender Faktor bei den Enteisungsphasen einer Kaltzeit mitwirken dürfte. Besonders stark hat sich die Rückkopplung über die Pflanzendecke im späten Silur bis zum frühen Karbon (vor ca. 400–350 Millionen Jahren) ausgewirkt, als die Biosphäre die Kontinente eroberte. Die neue Pflanzendecke der Kontinente reduzierte den CO2-Gehalt drastisch vom mehr als dem 10-fachen des heutigen auf mit heute vergleichbare Werte (vgl. Abb. 1 im Artikel „Natürliche Treibhausgase“). Dies führte an der Wende vom Karbon zum Perm – zusammen mit der damals noch um 2–3 % weniger intensiv strahlenden Sonne – vor rund 300 Mio. Jahren zum ausgeprägten permo-karbonen Eiszeitalter.

Wolken

Eine ambivalente und lange nicht gut verstandene Rolle spielen die Wolken als Rückkopplungsfaktor im Klimasystem. Sie wirken durch ihre vermindernde Wirkung auf die weiter oben bereits angesprochene Wärmeabstrahlung der Erde als positive Rückkopplung im Zuge der globalen Erwärmung – etwas das man deutlich spüren kann, wenn man den viel stärkeren Temperaturrückgang in einer klaren Nacht mit dem viel schwächeren einer bedeckten Nacht vergleicht. Allerdings besitzt eine Wolkendecke auch eine sehr hohe Albedo, was man auf jedem Satellitenbild im sichtbaren Bereich des Lichtes erkennen kann. Das reduziert die kurzwellige Einstrahlung der Sonne und wirkt abkühlend.  Die globale Erwärmung wirkt sich in vielfältiger Hinsicht auf die unterschiedlichsten Eigenschaften der Bewölkung aus. Deshalb waren sich Klimamodellstudien lange Zeit uneinig über zukünftige Änderungen bezüglich der Wolken, insbesondere über den subtropischen Meeren. Mittlerweile hat die Wissenschaft ein besseres Verständnis darüber, wie sich die globale Erwärmung auf die Wolken auswirkt, gleichzeitig steht für Computer-Modellsimulationen die dafür erforderliche Rechenleistung zur Verfügung. Im Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) wird daher nun mit höherer Wahrscheinlichkeit von einem Erwärmungseffekt der Wolken im Zuge eines fortschreitenden Klimawandels als noch im vorigen, 2013 veröffentlichten, IPCC Bericht ausgegangen - und damit von einem in Summe positiven Rückkopplungseffekt der Wolken.

 

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