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09.08.2016

Spuren einer Supernova in zwei Millionen Jahre altem Meeressediment entdeckt

Spuren einer Supernova in zwei Millionen Jahre altem Meeressediment entdeckt

©MLL München

Ein Forschungsteam der TU München und der ZAMG Geophysik in Wien entdeckte in einer Bodenprobe vom Meeresgrund des Pazifiks Eisenoxyd-Teilchen, die Spuren des Eisen-Isotops 60 enthalten. Sie stammen von der Explosion eines Sternes, die vor 2,8 Millionen Jahren stattfand. Im Rahmen des Projekts wurde auch nachgewiesen, dass die Explosionsreste die Erde 1,3 Millionen Jahre einhüllten. Das ist deutlich länger als bisher angenommen. Interessant ist auch, dass es zur Zeit der Sternexplosion auf der Erde eine Phase mit vermehrtem Artensterben gab. Die Studie wurde diese Woche im angesehenen Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States" publiziert.

Es war die Zusammenarbeit sehr unterschiedlicher Wissenschaftszweige, die zu einem spannenden Forschungsergebnis führte, sagt der Geophysiker Ramon Egli von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien: „Mit Methoden der Astrophysik, Geophysik und Biologie konnten die TU München, LMU München und die ZAMG Eisenteilchen nachweisen, die vor einigen Millionen Jahren bei der Explosion eines Sternes ins Weltall geschleudert wurden und auf die Erde trafen. Vereinfacht gesagt ging es in unserem Projekt darum, zunächst am richtigen Ort zu suchen, dann die Sedimentproben mit neuartigen Methoden zu behandeln und anschließend in einem Teilchenbeschleuniger die Atome aus dem Weltall nachzuweisen."

Rückschlüsse auf die Vorgänge in einem Stern

Begonnen hat alles vor mehr als zehn Jahren. In Sedimentproben aus dem Zentralpazifik wurde in knapp 5000 Meter Tiefe in einer sogenannten Mangan-Kruste Eisen-60 gefunden. „Das war für die Wissenschaft ein extrem spannender Fund", erklärt ZAMG-Geophysiker Egli, „denn es gibt keinen Prozess auf der Erde, bei dem Eisen-60 entsteht. Das Eisen-60 konnte aber auch nicht aus der Zeit der Entstehung unseres Planetensystems stammen, da es schon längst zerfallen wäre. Denn Eisen-60 ist schwach radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwertszeit von rund 2,5 Millionen Jahren. Somit musste dieses Eisen-60 aus der Explosion eines Sternes, einer sogenannten Supernova, stammen. Derartige Funde sind für die Astrophysik sehr wertvoll, da sie Rückschlüsse auf die Vorgänge in einem Stern ermöglichen."

Fachübergreifende Detektiv-Arbeit

Allerdings konnten die Eisen-60-Teilchen aus der Mangan-Kruste nicht zeitlich genau eingeordnet werden, und ein zweiter Versuch mit Sediment aus dem Atlantik, das eine bessere Zeitauflösung gegeben hätte, scheiterte. Hier startete das Projekt von TU/LMU München und ZAMG Wien. „Zunächst ging es darum, den Fund in der Mangan-Kruste durch einen weiteren Fund im Meeressediment zu bestätigen, welcher eine bessere zeitliche Auflösung der Erdgeschichte bietet", sagt Ramon Egli, „hier konnten wir unsere Erfahrungen in den Bereichen Geophysik und Erdmagnetismus einbringen. Die Suche konzentrierte sich unter anderem auf Sedimente einer Region im Pazifik, 1000 Kilometer westlich von Peru. Von hier wussten wir, dass am Meeresgrund Sedimente nahezu ungestört abgelagert wurden, wodurch ein Archiv der Erdgeschichte entstanden ist. Zwei Zentimeter Sedimentschicht entsprechen hier in etwa 1000 Jahren Erdgeschichte."

Die Suche wird verfeinert

Der nächste Schritt war, festzustellen, ob in den Sedimentproben bestimmte Eisenanteile vorhanden waren, welche das Eisen-60 einlagern konnten. Mit Hilfe geomagnetischer Methoden konnten in den Proben Eisenanteile von nur 1ppm (parts per million) festgestellt werden, also die Größenordnung von nur einem Eisen-Teilchen unter einer Million anderer Teilchen. Mittels chemischer Methoden wurden diese Teilchen aus dem Sediment gelöst. Damit stand Material im Gramm-Bereich für den letzten Forschungsschritt zu Verfügung: die Analyse im Teilchenbeschleuniger der TU München.

Ein Atom unter 10 Billiarden anderen wird nachgewiesen

„Im Teilchenbeschleuniger lässt sich ein einzelnes Eisen-60-Atom unter 10 Billiarden anderen Atomen feststellen - 10 Billiarden ist eine Eins gefolgt von 16 Nullen", erklärt ZAMG-Geophysiker Egli, „dazu wurden vereinfacht gesagt die extrahierten Sedimentproben in der Testanordnung beschleunigt und an einem Magneten abgelenkt. Jedes Atom wird auf Grund seiner Masse unterschiedlich abgelenkt. Da auch Nickel-60 die gleiche Masse wie Eisen-60 hat, wurde abschließend noch in einem Gasfilter die Ladung bestimmt. So konnte schlussendlich aus einer Bodenprobe aus dem Pazifik Eisen-60 nachgewiesen werden, das bei der Explosion eines Sternes entstanden sein muss."

Unerwartet langes Ereignis und zeitgleich mit Artensterben

Ein besonderer Aspekt des Forschungsprojekts war, dass auf Grund der unterschiedlichen Konzentration von Eisen-60 in unterschiedlichen Tiefen im Sediment erstmals ein zeitlicher Verlauf nachgewiesen werden konnte. Die Staubwolke der Explosion hüllte die Erde demnach vor rund 2,8 Millionen Jahren ein und hielt sich bis vor rund 1,5 Millionen Jahren, sagt Ramon Egli: „1,3 Millionen Jahre für so ein Ereignis ist länger als bisher angenommen. Unser Ergebnis wirft also für die Astrophysik einige neuen Fragen rund um die Vorgänge im Weltall auf. Aber auch für die Biologie ist ein spannender Aspekt dabei. Denn der Zeitraum der Supernova-Staubwolke fällt mit einem kleinen Artensterben auf der Erde zusammen. Zum Beispiel waren damals Mollusken, wie Muscheln, betroffen. Ein direkter Zusammenhang zwischen den zwei Ereignissen gilt als unwahrscheinlich, da die Sternexplosion zum Glück genügend weit entfernt war, um die Erdatmosphäre zu beeinträchtigen. Allerdings stimmt das Eintreffen der Explosionsreste mit dem Einsatz einer global kälteren Periode zusammen, welche möglicherweise durch die erhöhte kosmische Strahlung aus der Explosion ausgelöst wurde. Daher wird zu diesem Thema weiter geforscht."

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Hier wurden die Eisen-60-Teilchen nachgewiesen: Tandem-Van de Graff Beschleuniger im Maier-Leibnitz-Laboratorium der TU München in Garching. Copyright: Meier-Leibnitz-Laboratorium, Garching, Deutschland). –>Link zum Bild in Originalgröße

Enthält Beweise für die Explosion eines Sternes vor einigen Millionen Jahren: Eine der Sedimentproben aus dem Pazifik, aus der Eisen-60 nachgewiesen wurde. Copyright: ZAMG/TU München. –>Link zum Bild in Originalgröße

Der zeitliche Verlauf des Supernova-Eiseneintrags auf die Erde: Die unterschiedlich hohe Konzentration von Eisen-60 in den unterschiedlich tiefen Sedimenten lässt auf den zeitlich Ablauf schließen. Vor rund 2,8 Millionen Jahren begann die Konzentration zu steigen und verschwand vor rund 1,5 Millionen Jahren wieder. Die waagrechte Achse zeigt die Vergangenheit in Millionen Jahren. Die senkrechte Achse zeigt Eisen-60-Konzentration. Copyright: TU München/ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße

Beispiel für die Reste einer Supernova: Die sogenannten Krebsnebel entstanden aus der Explosion eines Sterns vor rund 1000 Jahren. Copyright: European Southern Observatory. –>Link zum Bild in Originalgröße

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Web-Links

Abstract der Publikation in pnas.org: –>hier

Maier-Leibnitz-Laboratorium der TU München: www.bl.physik.tu-muenchen.de

ZAMG Geophysik: www.zamg.at/geophysik

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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