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17.09.2015

Schweres Erdbeben in Chile am 16. September 2015

Südamerikas Westküste wurde am Donnertag, den 16. September 2015 um 22:54 Uhr UTC (19:54 Uhr Lokalzeit) von einem Starkbeben der Magnitude 8,3 erschüttert. Das Epizentrum (31,57°S; 71,65°W) lag nur sieben Kilometer von der Küste Chiles entfernt, die Stadt Illapel mit knapp 30.000 Einwohnern befindet sich 46 km östlich davon. In der 230 km entfernten Hauptstadt Santiago (4,8 Mio. Einwohner) waren die Erschütterungen deutlich zu spüren, sogar in der 1400 Kilometer entfernten argentinischen Hauptstadt Buenos Aires bemerkte man das Beben. Nach Angaben von USGS betrug die Herdtiefe 25 km. Es war das sechststärkste Beben in in der Geschichte Chiles.

 Schweres Erdbeben in Chile am 16. September 2015

Lage des Epizentrums (Bildquelle: USGS)

Auswirkungen des Starkbebens

Mit dem umfassenden Tsunamiwarnsystems im pazifischen Raum konnte die bei der plötzlichen Aufschiebung der südamerikanischen Platte entstehende Flutwelle registriert werden. Die Behörden forderten eine Million Menschen auf, ihre Hauser zu verlassen und Sicherheitszonen aufzusuchen.  Einige Stunden nach dem Beben wurde die Küstenstadt Coquimbo nach Angaben der chilenischen Marine von einem Tsunami mit 4,5 Meter Wellenhöhe getroffen. Infolge der Erschütterungen durch das schwere Beben ist es auch zu Gebäudeschäden gekommen. In Illapel in der Nähe des Epizentrums stürzten mehrere Häuser ein. Es wird von mindestens elf Todesopfern und mehreren Verletzten berichtet. Die relativ geringe Anzahl an Toten ist einerseits der geringen Bevölkerungsdichte im Bereich des Epizentrums sowie einer relativ sicheren Bauweise und den Vorkehrmaßnahmen betreffend Tsunami (siehe Foto) zu verdanken.

Schweres Erdbeben in Chile am 16. September 2015

Hinweisschild für die Evakuierung im Fall eines Tsunami in Vina de Mar, Chile (Quelle: W. Lenhardt)

Dutzende Nachbeben waren bereits für die Bevölkerung spürbar, das stärkste davon erfolgte  knapp zehn Minuten nach dem Hauptbeben und erreichte eine Magnitude von 7,0.

 

Registrierung des Erdbebens in Österreich

Folgende Grafik zeigt die Registrierung des starken Erdbebens vor der Küste Chiles, an drei ausgewählten seismischen Stationen des Österreichischen Erdbebendienstes. Die Laufzeit der P-Welle vom Epizentrum nach Österreich beträgt etwa 14 Minuten. Je weiter die Station vom Epizentrum entfernt liegt, desto später wird der Ersteinsatz registriert; für DAVA (Damüls, Vorarlberg) beträgt die Entfernung 11940 km, für CONA (Conrad Observatorium, Niederösterreich)  12374 km und für die Station VIE (Hohe Warte, Wien) 12422 km.
Die hervorgehobenen Wellentypen entsprechen der Ausbreitung von Kompressionswellen die am äußeren Erdkern gestreut werden (Pdiff) oder den inneren Erdkern durchlaufen (PkikP), Scherwellen, welche am Erdkern reflektiert werden oder denen von Oberflächenwellen (Rayleigh). Die Laufzeitunterschiede zwischen den seismischen Stationen DAVA und CONA betragen für den Wellentyp Pdiff 15 Sekunden und für die Oberflächenwelle (Rayleigh) bereits etwa zwei Minuten.

Schweres Erdbeben in Chile am 16. September 2015

Ungefiltertes Seismogramm des starken Erdbebens vom 16.September 2015 vor der Küste Chiles, aufgezeichnet an den Vertikalkomponenten dreier Erdbebenstationen in Österreich (DAVA-Damüls/Vorarlberg, CONA-Conrad Observatorium/NÖ, VIE-Hohe Warte/Wien). In dem etwa 75 Minuten langen Ausschnitt ist das Eintreffen verschiedener Wellentypen und Reflexionen vom Erdkern deutlich zu erkennen (Erläuterungen siehe Text oben).

 

Tektonischer Hintergrund

Die geologische Ursache des jüngsten Bebens und seiner zahlreichen Nachbeben ist bedingt durch den Zusammenstoß der kontinentalen südamerikanischen Platte mit der ozeanischen Nazca-Platte. Diese beiden Platten bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von etwa acht Zentimetern pro Jahr aufeinander zu. Die Nazca-Platte taucht entlang der chilenischen Subduktionszone unter die südamerikanische Platte im relativ flachen Winkel von etwa 30 Grad in den Erdmantel ab. Eine Besonderheit der Subduktionszone des Chile-Typs ist dadurch gegeben, dass die junge, noch heiße und daher spezifisch leichtere Lithosphäre unter die kontinentale Kruste geschoben wird. Sie schmiegt sich dabei durch ihren Auftrieb unmittelbar nach dem Abtauchen an die Unterseite der kontinentalen Oberplatte an und bedingt damit eine Stauchung und Verdickung der kontinentalen Platte, was sich durch die Gebirgsbildung der Anden äußert. Vor der Küste Chiles bilden sich hingegen Tiefseerinnen von mehreren Kilometern Tiefe aus.

Schweres Erdbeben in Chile am 16. September 2015

Subduktionszone des Chile-Typs. Überarbeitete Version von Wolfgang Frisch und Martin Meschede  2007; Plattentektonik, Kontinentalverschiebung und Gebirgsbildung.

Die Subduktionszone ist daher geprägt von flachen Erdbeben mit großer Magnitude, die durch die intensive Kopplung zwischen ozeanischer und kontinentaler  Platte bedingt ist.  So ereignete sich im Mai 1960 das „Große Chile-Erdbeben von Valdivia „mit einer Magnitude von 9,5. Es  war das stärkste Erdbeben, das jemals registriert wurde. Das Beben führte zu Veränderungen in der Topografie von großen Gebieten rund um die Provinzhauptstadt Valdivia. Es  forderte  mehr als 1600 Todesopfer.

Auch in der jüngeren Vergangenheit im Feber 2010 wurde Chile von einem schweren Erdbeben der Magnitude 8,8 heimgesucht, das  mehr als 500 Todesopfer und einen Tsunami mit sechs Metern Wellenhöhe zur Folge hatte.

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