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11.08.2015

Projekt SeisRockHT: Steinschlag-Aktivität in den Hohen Tauern

Projekt SeisRockHT: Steinschlag-Aktivität in den Hohen Tauern

©ZAMG/Binder

Am Sonnblick-Observatorium der ZAMG dürfte dieser Sommer so wenige Frosttage wie selten zuvor in der mehr als 100jährigen Messgeschichte bringen. Die in den letzten Jahrzehnten stetig steigenden Temperaturen im Hochgebirge führen zum Auftauen des Permafrostes. Das kann zu einem Anstieg alpiner Gefahren führen, wie etwa Steinschlag.

Das von der ZAMG geleitete Projekt SeisRockHT (Seismic Rockfall Monitoring in the Hohe Tauern Region) untersucht die Häufigkeit von Steinschlag und mögliche Zusammenhänge mit Faktoren wie Wetter und Klima.

Der extrem heiße Sommer 2015 bringt auch im Hochgebirge ungewöhnlich hohe Temperaturen. Am Sonnblick-Observatorium der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) wurden heuer seit Anfang Juni nur 22 Frosttage gemessen, also Tage an denen die Temperatur zumindest für kurze Zeit unter 0 °C liegt. Im vieljährigen Mittel liegt die Zahl der Frosttage am Sonnblick im klimatologischen Sommer (Juni, Juli, August) bei 44 Tagen. Momentan zeichnet sich für 2015 sogar einer der zehn extremsten Werte der seit 1886 bestehenden Messgeschichte ab. Den absoluten Rekord verzeichnet weiterhin der Sommer 2003 mit nur 18 Frosttagen am Sonnblick.

Wie sehr beeinflussen die Änderungen im Permafrost die alpine Sicherheit?

Die in den letzten Jahren sinkende Zahl der Frosttage im Hochgebirge entspricht dem Szenario einer langfristigen Klimaerwärmung. Weltweit sind rund 20 bis 25 Prozent der Erdoberfläche von Permafrost beeinflusst. Eine Konsequenz der Klimaerwärmung ist das Auftauen des Permafrostes, was sich auf Steinschlag- und Felssturz Ereignisse auswirkt. Permafrost wird thermisch definiert als Untergrund, der mindestens zwei Jahre Temperaturen kleiner oder gleich 0 °C aufweist. Topographie, Exposition, Höhe oder Untergrundeigenschaften beeinflussen die Permafrostverbreitung. In Österreich ist ab einer Seehöhe von ca. 2.500 m (Nordexposition) mit größeren Permafrostvorkommen zu rechnen. Besonders in den letzten Jahren wurde eine Zunahme von Steinschlag- und Felssturzereignissen nicht nur von Wissenschaftlern sondern auch von Bergsteigern und Hüttenwirten beobachtet. Ein möglicher Grund ist die Erhöhung der Permafrosttemperatur und eine einhergehende, signifikante Reduktion der Felsstabilität. Durch Permafrost beeinflusste Felswände sind bereits ein bedeutender Risikofaktor für Mensch und Infrastruktur im Hochgebirge. Mit einer Zunahme des Risikos ist zu rechnen. Somit ist die Erhebung fundamentaler Daten für die zukünftige Entwicklung von entscheidender Bedeutung.

Installation der Messgeräte wird mit Sommer 2015 abgeschlossen

Das mit 2015 gestartete Projekt SeisRockHT der ZAMG, Mertl Research GmbH und Geoconsult Research & Development konzentriert sich auf zwei Gebiete unterschiedlicher räumlicher Skalen. Einerseits wird die mächtige Nordflanke des Hohen Sonnblicks (3106m), andererseits der kleinräumigere nördliche Gipfelbereich des Kitzsteinhorns (3203m) untersucht. Mit Hilfe von zwei seismologischen Netzwerken wird ein Steinschlag und Felssturz Ereigniskatalog entwickelt. „Wir verwenden im Prinzip kleinräumige, seismologische Erdbebennetze, die die Bodenerschütterung messen. Herabstürzende Felsen regen kleinräumig Bodenerschütterungen an und werden so von uns registriert", sagt ZAMG-Geophysiker Daniel Binder, „zunächst geht es darum den momentanen Status der Steinschlagaktivität in den Untersuchungsgebieten festzustellen".

Ergänzt werden die seismischen Netzwerke durch eine systematische Oberflächenüberwachung mit terrestrischem Laserscan und der Erfassung von meteorologischen Daten (Temperatur, Niederschlag, etc.) und Bohrlochtemperaturen. „Damit können potentielle Zusammenhänge zwischen Permafrostveränderungen und Felsstürzen untersucht und unter dem Aspekt der Klimaerwärmung diskutiert werden." betont Markus Keuschnig, Geoconsult Research & Developement. Aktuell sind die Instrumentierungsarbeiten im vollen Gange, mit ersten Ergebnissen ist 2016 zu rechnen. Die bereits erwähnte Notwendigkeit einer langfristigen Beobachtungsstrategie wird durch die Eingliederung der SeisRockHT-Netzwerke in das bestehende Österreichische Erdbebennetz angestrebt. Der Österreichische Erdbebendienst (ZAMG) ist ein SeisRockHT-Projektpartner.

Citizen Science: Forschung für alle

Neben dem prioritären wissenschaftlichen Anspruch verfolgt SeisRockHT auch die ‚Citizen Science'-Idee. „Eine Besonderheit der verwendeten Messgeräte ist, dass sie als Open Hardware entwickelt worden sind. Das bedeutet, dass alle Interessierten die Baupläne der Messgeräte sowie die notwendige Software aus dem Internet herunterladen und frei verwenden, aber auch abändern und weiterentwickeln können. Damit lässt sich unkompliziert eine professionelle und kostengünstige Erdbebenstation bauen. Durch den relativ geringen finanziellen Aufwand und die gemeinsame Weiterentwicklung des Messsystems können wissenschaftliche Projekte einfacher umgesetzt werden. Im Idealfall entwickelt sich daraus ein Citizen Science Projekt mit interessierten Menschen, die nicht aus dem klassischen Forschungsbereich kommen", erklärt der Seismologe und Entwickler der Messgeräte, Stefan Mertl, und ergänzt, „Jetzt werden wir aber zuerst einmal sehen wie sich die Geräte in der hochalpinen Umgebung der Hohen Tauern schlagen. Um die wertvollen Daten im Falle von Problemen mit den neuen Messgeräten nicht zu verlieren, verwenden wir auch redundante, bereits etablierte Messgeräte."

Kooperation wissenschaftlichen Organisationen und privaten Unternehmen

Das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geförderte Projekt SeisRockHT besteht aus Wissenschaftlern der ZAMG, Mertl Research GmbH und Geoconsult Research & Developement.

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Bilder

(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)

Download volle Auflösung auf –>www.flickr.com/photos/zamg

Steinschlag-Messungen in den Hohen Tauern: Vorbereitung des seismischen Messgeräts für die Montage im Bohrloch beim Sonnblick-Observatorium. Quelle ZAMG/Binder.

Steinschlag-Messungen in den Hohen Tauern: Installation des Messgeräts im 20 Meter tiefen Bohrloch beim Sonnblick-Observatorium. Quelle ZAMG/Binder.

Steinschlag-Messungen in den Hohen Tauern: Auch am Fuße des Sonnblicks, in einem alten Bergwerkstollen in Kolm Saigurn, werden Messgeräte installiert. Quelle ZAMG/Binder.

Steinschlag-Messungen in den Hohen Tauern: Erste Funktionstests nach der Montage im Bohrloch. Das Ziel ist, in den nächsten Jahren die Häufigkeit von Steinschlag und seine Ursachen zu erforschen. Quelle ZAMG/Binder.

Download volle Auflösung auf –>www.flickr.com/photos/zamg

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Web-Links

Mertl Research GmbH: www.mertl-research.at

Projekt ‘Community Environmental Observation Network’: www.mertl-research.at/research_project/ceon

ZAMG Sonnblick-Observatorium: www.sonnblick.net

ZAMG Wettervorhersage: www.zamg.at/prognose

ZAMG Warnungen Österreich: www.zamg.at/warnungen

Warnungen Europa: www.meteoalarm.eu

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at

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