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17.10.2014

Neuer Erdbebenkatalog für Niederösterreich

Neuer Erdbebenkatalog für Niederösterreich

©NLK Peiffer

In einem mehrjährigen Projekt wurde an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) im Auftrag des Landes Niederösterreich eine Analyse sämtlicher Erdbeben in Niederösterreich der letzten 1.000 Jahre erstellt. Die Auswertungen dienen unter anderem als eine Basis für Baunormen.

Niederösterreich zählt zu den in Österreich am häufigsten von Beben betroffenen Regionen, besonders das Wiener Becken.

Der neue Bebenkatalog wurde am Donnerstag (16.10.14) im Rahmen der NÖ Wissenschaftsgala von Michael Staudinger (Direktor ZAMG), Wolfgang Lenhardt (Leiter ZAMG Geophysik) und Peter Seifert (Direktor GBA) an Landeshauptmann Erwin Pröll übergeben.

Niederösterreich zählt zu jenen Bundesländern, die wiederholt von Erdbeben betroffen sind. Insbesondere das Wiener Becken gehört neben dem Tiroler Inntal, dem Mur-Mürztal in der Steiermark und dem südlichen Kärnten zu den Regionen Österreichs mit den häufigsten Erdbeben. Alleine im 20. Jahrhundert haben sich im Wiener Becken 345 fühlbare Erdbeben und 17 Schadensbeben ereignet.

Die Erforschung historischer Erdbeben ist die Basis für das Einschätzen der Erdbebengefährdung einer Region. Da in Österreich starke Beben selten sind, benötigt man Daten über lange Zeiträume für sinnvolle statistische Aussagen. Insbesondere seit der Einführung des EUROCODE-8 – dem Normenwerk für erdbebengerechtes Bauen in Europa – kommt der Erfassung und der quellenkritischen Beurteilung historischer Erdbeben vermehrt Interesse zu, da der Beurteilungszeitraum für die Festlegung der Erdbebengefährdung von 100 auf über 450 Jahre ausgedehnt wurde.

Niederösterreich erstes Bundesland mit umfassendem Bebenkatalog

Die Historikerin Christa Hammerl und der Seismologe Wolfgang Lenhardt von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) haben in den letzten Jahren in vier Teilprojekten erstmals alle für Niederösterreich relevanten Erdbeben vom Jahr 1000 bis zur Gegenwart aufgearbeitet und analysiert. Niederösterreich ist das erste Bundesland mit einer derart umfassenden Analyse. Ein zentraler Punkt war das Erstellen von Makroseismischen Datenpunkten (MDP). Dabei werden die Auswirkungen von Erdbeben einzelnen Orten zugeordnet. So entsteht für jeden untersuchten Ort eine Liste mit historischen Beben und ihren Folgen. Daraus lassen sich unter anderem statistische Aussagen über die Wiederkehrzeit von bestimmten Bebenstärken in einer Region machen. Für die vorinstrumentelle Zeit, die Zeit vor 1900, wurden Berichte in Archiven und Chroniken ausgewertet, unter anderem im NÖ Landesarchiv, in der Österreichischen Nationalbibliothek und in den Klöstern Göttweig, Heiligenkreuz, Herzogenburg, Kremsmünster, Melk und Klosterneuburg.

Das Projekt wurde vom Land NÖ (Baudirektion, Abteilung Allgemeiner Baudienst, Geologischer Dienst) finanziert und wurde in Kooperation mit der Geologischen Bundesanstalt publiziert.

Debatte um AKW Zwentdorf initiierte Historische Erdbebenforschung

Im Jahr 1978 kam es zu einer Volksabstimmung über das Kernkraftwerk Zwentendorf, dessen Standort weniger als 50 km vom vermuteten Epizentrum des Schadensbebens von 1590 entfernt liegt. Dass die Volksabstimmung eine Mehrheit gegen die Inbetriebnahme erbrachte, war sicherlich auch eine Folge der allgemeinen Verunsicherung durch die widersprüchlichen Argumente zur Erdbebengefährdung des Standortes. Die Kenntnis über das 1590er Beben war ungenügend, was zu konträren Interpretationen führte.

Die Debatte im Vorfeld der Volksabstimmung über das Kernkraftwerk Zwentendorf initiierte die Etablierung eines neuen Wissenschaftszweiges, nämlich die Historische Erdbebenforschung. Dieser interdisziplinäre Forschungszweig sollte sich in den kommenden Jahren international etablieren und ist heute eine anerkannte Wissenschaftsmethode, insbesondere bei Fragen der Standortsicherheit. 1986 wurde die Arbeitsgruppe „Historical Earthquake Data“ in der ESC (European Seismological Commission) eingerichtet.

Die Historikerin Christa Hammerl (ZAMG) begleitete den Aufbau der Historischen Erdbebenforschung von Beginn an und erhielt im Vorjahr den Wissenschaftspreis des Landes NÖ für ihren Beitrag zur Erforschung der Erdbebengeschichte Niederösterreichs.

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Der neue niederösterreichische Bebenkatalog wurde im Rahmen der NÖ Wissenschaftsgala 2014 übergeben. Von links nach rechts: Michael Staudinger (Direktor ZAMG), Peter Melichar (ehemaliger Leiter ZAMG Geophysik), Erwin Pröll (Landeshauptmann NÖ), Wolfgang Lenhardt (Leiter ZAMG Geophysik), Peter Seifert (Direktor GBA).

 

Web-Links

ZAMG Historische Bebenforschung: www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/erdbeben/historische-erdbeben

ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at


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Holzschnitt aus der 'Weltchronik' von Hartmann Schedel, 1493. 'Und der Engel nahm das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altar und warf es auf die Erde, und Donner folgten, Getöse, Blitze und Beben.' Offenbarung 8,5 © ZAMG Geophysik Hammerl
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