Geophysik / Conrad Observatorium / In Erinnerung an Victor Conrad (1876-1962)

In Erinnerung an Victor Conrad (1876-1962)

Das neue Observatorium am Trafelberg ist nach dem berühmten Geophysiker Victor Conrad benannt.

Victor Conrad wurde am 25. August 1876 in Wien in eine großbürgerliche jüdische Familie geboren. Conrad studierte Physik an der Universität Wien und verfasste seine Dissertation am physikalisch-chemischen Institut unter dem Physiker Franz-Serafin Exner. Nach seiner Promotion 1900 wird er ab 1901 an der ZAMG als Universitätsassistent angestellt.

1904 wird der Erdbebendienst an der ZAMG eingerichtet, Victor Conrad zu dessen ersten Leiter und gleichzeitig zum Adjunkten der ZAMG ernannt. 1906 erhält Conrad die venia legendi für Meteorologie an der Universität Wien.

1910 wurde Conrad zum Ao.Univ.Prof. der Kosmischen Physik an der Franz-Josephs-Universität in Czernowitz (heute Ukraine) ernannt. Von 1911 bis 1914 organisierte Conrad das neue Institut für Kosmische Physik und das Observatorium. Er hielt u.a. Vorlesungen über Physik der Erde, Astronomie, Klimatologie, Wettervorhersage und Seismologie.

Linke Abb.: Victor Conrads Porträt; mittlere Abb.: Conrad Pendel im ZAMG Museum; rechte Abb.: Moderne seismometrische Breitband – Station am Conrad Observatorium. © ZAMG Geophysik Hammerl

Linke Abb.: Victor Conrads Porträt; mittlere Abb.: Conrad Pendel im ZAMG Museum; rechte Abb.: Moderne seismometrische Breitband – Station am Conrad Observatorium. © ZAMG Geophysik Hammerl

Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie Ende 1918 mussten die meisten der deutschen Professoren Czernowitz Ende Juli 1919 verlassen, so auch Conrad, unter „[…] Verlust der Lehrkanzel, Habe und Vermögen […] ” Die geplante Ernennung zum Ordinarius mit 1.1.1919 wurde nicht durchgeführt, Conrad wird wieder als Beamter in der Funktion des Leiters des Erdbebendienstes eingesetzt. Dass ihm die Funktion eines Beamten und nicht die eines Hochschulprofessors zugewiesen wurde, empfand Conrad stets als Demütigung. 1926 verleiht ihm Bundespräsident Michael Hainisch den Titel eines ordentlichen Universitätsprofessors.

Beharrlich versuchte Conrad auch in der Republik Österreich an der Universität Fuß zu fassen – 1919 wird seine venia legendi erneuert. Zu einer antisemitischen Diskriminierung kommt es 1923, als er sich die vakante Lehrkanzel für Meteorologie und Geophysik an der Universität Graz nach Heinrich Ficker bewirbt. Die Kommission zur Wiederbesetzung der Lehrkanzel begründete die Nichtberücksichtigung von Conrad im Besetzungsvorschlag folgend:

„[…] Prof. Conrad ist Jude und seine Ernennung würde schweren Widerstande seitens der Grazer Studentenschaft begegnen […] sieht die Kommission von einer Nominierung Dr. Conrads ab und beschränkt ihren Vorschlag auf die übrigen drei angeführten Gelehrten. […]“

In der Publikation „Laufzeitkurven des Tauernbebens vom 28. November 1923“ (1925) beschrieb Conrad die Beobachtung von P - Wellen, die ihm schließlich zu dem Schluss eines 2-Schichten Aufbaus der Erdkruste führten. Die Grenzfläche dieser Schichten wurde später als „Conrad Diskontinuität“ bekannt.

Linke Abb.: Seismogramm des Tauernbebens mit dem Epizentrum in Tamsweg am 28. November 1923 und einer Magnitude 4,8; rechte Abb.: Publikation “Laufzeitkurven des Tauernbebens vom 28. November 1923”. © ZAMG Geophysik Hammerl

Linke Abb.: Seismogramm des Tauernbebens mit dem Epizentrum in Tamsweg am 28. November 1923 um 06:07 Uhr (UTC) und einer Magnitude von 4,8; rechte Abb.: Publikation “Laufzeitkurven des Tauernbebens vom 28. November 1923”. © ZAMG Geophysik Hammerl

Als 1926 Conrad der Herausgeber von „Gerlands Beiträgen zur Geophysik“ – eine der ältesten Zeitschriften auf diesem Gebiet (seit 1887) – wurde, avancierte die Zeitschrift zum wichtigsten internationalen Publikationsorgan für geophysikalische Forschungen.

Als wahrscheinliche Folge – eine Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAP) ist nicht belegbar – des Bürgerkriegs im Februar 1934 („Februarunruhen“) wurde Conrad an der ZAMG „mit Wartegebühr“ suspendiert. Diese abrupte Kündigung erfolgte mit 30. April 1934 – Conrad war 58 –, 1936 wurde er in den Ruhestand versetzt.

Anschluss und Emigration im Mai 1939 

Conrad hielt seine letzte Vorlesung an der Universität Wien im WS 1937/38 über „Niederschlag und Sonnenschein auf der Erde“.

Nachdem die Nazis 1938 an die Macht kamen, hielt der bedeutende deutsche Seismologe Beno Gutenberg – seit 1930 Professor für Geophysik am California Institute of Technology in Pasadena – seine Kontakte in Deutschland aufrecht. Er half vielen jüdischen WissenschafterInnen aus Deutschland und Österreich in die USA zu emigrieren, so auch Victor Conrad; Gutenbergs Bürgschaft („affidavit“) für Conrad war für seine Emigration und somit für das Überleben essentiell.

Von 1939 bis 1940 arbeitete Conrad erfolgreich an der Pennsylvania State University, Department of Meteorology, von 1940 bis 1942 an der New York University, am California Institute of Technology, an der University of Chicago und schließlich von 1944 bis 1951 an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts.

Conrads wissenschaftliches Lebenswerk umfasst mehr als 240 Aufsätze über die Meteorologie, Klimatologie und Seismologie.

Ein Legat für die Wissenschaft: Conrad Observatorium der ZAMG – geophysikalische Spitzenforschung auf internationalem Niveau

Victor Conrad verstirbt 1962 im 86. Lebensjahr in Cambridge, Mass. Seine Frau Ida (1880-1969) ordnet wohlüberlegt in ihrem Testament ein Legat an die ZAMG an, mit dem Wunsch, „… dass aus dem Nachlass ein Bauwerk errichtet wird, das der geophysikalischen oder meteorologischen Forschung dient und den Namen Victor Conrad trägt.“ Der finanzielle Grundstein zur Errichtung eines Observatoriums war mit dieser großmütigen Zuwendung gelegt.

1975 erhält Peter Melichar, ZAMG, den Auftrag zur Errichtung des Conrad Observatoriums. 2002 wird die erste Baustufe, das seismisch-gravimetrische Observatorium/ SGO, 2014 die zweite Baustufe, das Geomagnetisches Observatorium/ GMO am Trafelberg in NÖ eröffnet. Das Observatorium dient der kontinuierlichen seismischen, gravimetrischen und geomagnetischen Beobachtung und ist heute ein Ort der geophysikalischen Spitzenforschung auf internationalem Niveau unter der Leitung von Roman Leonhardt (ZAMG).

http://conrad-observatory.at

Text gekürzt aus: Hammerl, Christa: Victor Conrad - Ein beachtenswertes Forscherleben zwischen Diskriminierung, Vertreibung und Großmut. In: Thaler, Johannes, Mertz, Gunnar, Hammerl, Chista u. Oliver Rathkolb: BergWetter 1938: Diktatur, Behörden, Wissenschaft: GBA und ZAMG im Schatten des Nationalsozialismus. Verlag der Geologischen Bundesanstalt (2018) S. 33-37.

Online verfügbar: https://opac.geologie.ac.at:/ais312/dokumente/Bergwetter_WEB.pdf (abgerufen: 4.1.2021).

Publikationen
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